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Sprudelnde Steuereinnahmen in HamburgAlle Schweinderl voll

Die Steuereinnahmen der Stadt sind noch höher als erhofft: Fast eine Milliarde Euro mehr in den Kassen. Dennoch will der Senat weiterhin eisern sparen und Schulden abbauen.

Robert Lemkes Schweine waren bescheidener bestückt als die Kassen des Finanzsenators Foto: dpa

HAMBURG taz | Hamburg schwimmt weiterhin im Geld. Die Hansestadt hat 2017 einen Rekordüberschuss von rund 960 Millionen Euro erzielt, teilte die Finanzbehörde am Montag mit. Die bereinigten Gesamtausgaben 2017 betragen demnach rund 13,5 Milliarden Euro, die Einnahmen rund 14,5 Milliarden Euro. Damit habe die Stadt einen Überschuss erzielt, der die bereits seit 2014 positiven Haushaltsergebnisse noch einmal deutlich übertrifft, freut sich die Finanzbehörde.

„Der 2011 eingeschlagene finanzpolitische Kurs des Senats ist erfolgreich“, stellt Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) fest. „Die langfristig orientierte Ausgabenbegrenzung und die weiter verbesserte Ertragslage führen zu einem äußerst positiven Ergebnis, das eine nennenswerte Schuldentilgung und zusätzliche Investitionen in unsere wachsende Stadt ermöglicht.“

Denn das ist seit ihrem Amtsantritt 2011 das erklärte Ziel von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und seinem Stadtkämmerer. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht der Schuldenabbau. So wurden im abgelaufenen Jahr im Kernhaushalt rund 640 Millionen Euro Altschulden getilgt. Der Schuldenberg der Stadt ist mit somit rund 23 Milliarden Euro indes noch immer riesig.

Begehrlichkeiten von Behörden, Parteien und Verbänden will Finanzsenator Peter Tschen­tscher (SPD) denn auch weiterhin nicht nachkommen: „Unsere Haushaltsplanung bleibt vorsichtig, damit wir die Schuldenbremse auch einhalten können, wenn sich die Konjunktur verschlechtert.“ Die langfristige Ausgabenbegrenzung und die verbesserte Wirtschafts- und Ertragslage führten dazu, das eine „nennenswerte Schuldentilgung“ und zusätzliche Investitionen ermöglicht würden, so Tschentscher.

Hamburgs Etat

Ausgaben von jeweils rund 10,5 Milliarden Euro für 2017 und 2018 sieht der Hamburger Doppelhaushalt vor. Fest eingeplant ist die Tilgung von Schulden, erstmals sollen keine neuen Kredite mehr aufgenommen werden. Die Stadt hielte somit die für 2020 geforderte Schuldenbremse bereits vorzeitig ein.

Hamburgs Schuldenberg beträgt rund 23 Milliarden Euro – das entspricht zwei Jahres­etats. Mit den zu erwartenden Verbindlichkeiten der HSH Nordbank dürften es über 30 Milliarden Euro werden.

Ende dieses Jahres soll der neue Doppelhaushalt für 2019 und 2020 verabschiedet werden.

Exakte Zahlen nannte er nicht. Zu erwarten ist, dass bei den anstehenden Beratungen über den nächsten Doppelhaushalt für 2019 und 2020 etwa die Hälfte des jetzigen Milliardenüberschusses im Investitionshaushalt verplant wird, die andere Hälfte dürfte zum weiteren Abbau der Schulden eingesetzt werden.

Bereits im November 2017 bei der Vorstellung der halbjährlichen Steuerschätzung hatte Tschentscher jede Jubelstimmung zu vermeiden versucht. „Es ist eine erfreuliche Entwicklung, aber es ist kein Anlass für Euphorie“, sagte er. „Wir dürfen ja nicht in eine unvorsichtige Goldgräberstimmung verfallen.“ Damals hatte er einen Jahresüberschuss von 933 Millionen Euro vorhergesagt, nun sind es also noch einmal 27 Millionen mehr geworden.

In den kommenden Jahren sollen die Einnahmen sogar noch weiter steigen, hatte Tschentscher vor zwei Monaten vorhergesagt. Demnach dürfte Hamburg im Jahr 2021 mit 12,7 Milliarden Euro weitere 1,5 Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen als im Jahr zuvor. Grundlage für den erfreulichen Anstieg der Steuererträge sei eine weiterhin stabile konjunkturelle Entwicklung, erklärte Tschentscher. Ursache sei aber auch die wachsende Hansestadt, es gebe mehr Einwohner, Betriebe und Arbeitsplätze.

Die Linksfraktion in der Bürgerschaft forderte erneut, das zusätzliche Geld vor allem in den Sozialbereich zu stecken. CDU und FDP hingegen bezweifeln, dass Hamburg finanziell auf Rosen gebettet sei. Tschen­tscher sage „nur die halbe Wahrheit“, rügt FDP-Fraktionsvize Jennyfer Dutschke. Denn in zahlreichen Schatten- und Nebenhaushalten wie dem „Sondervermögen Schulimmobilien“ oder „Stadt & Hafen“ sei die Verschuldung weiter angestiegen. Ebenso sieht das CDU-Finanzpolitiker Thilo Kleibauer: „Eine einseitige Betrachtung des Kernhaushalts beschönigt die Haushaltslage der Stadt.“

Unterstützung bekommt der Senat hingegen vom Bund der Steuerzahler (BdSt) Hamburg. „Wir unterstützen den Finanzsenator in seinem Vorhaben, die Mehreinnahmen nicht ausnahmslos zur Schuldentilgung, sondern auch für Zukunftsinvestitionen und die Bildung von Reserven zu nutzen“, sagt BdSt-Vorsitzender Lorenz Palte und mahnt. „Vor dem Hintergrund der anstehenden Schuldenbremse ist es wichtig, den Pfad der Haushaltskonsolidierung nicht zu verlassen.“

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2 Kommentare

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  • Welches Schweinerl hättens den gern?

     

    Alle!!! ... greif.

  • Dass die Steuereinnahmen nach Oben gehen und Schulden abgebaut werden ist nach meiner Auffassung nur Ausdruck einer Politik, die soziale Probleme beim sozialen Wohnungsbau, in der Bildung und in der Stadtentwicklung ignoriert.

     

    Die Stadt müsste massiv neue Sozialwohnungen bauen, um die Effekte, die Investoren und Venture-Kapitalisten aufzufangen. Und das machen sie nicht: Sie sparen bei den Schwächsten Menschen in der Stadt und verkaufen das als Erfolg ihre Konsolidierungspolitik. Dazu kommt noch, dass vielerorts Schulen, Institute und Universitäten mehrere Jahrzehnte kaum ausgebaut wurden. (Manchmal nicht mal instand gehalten wurden)

     

    Ein Blick in einer Ganztagsschule und man sieht die Architektur und den Geruch eines alten Ortsamtes, hier sollen die Kinder von 8 bis 16 oder 17 Uhr bleiben - hier gibt die SPD auch kein Geld aus.

     

    Überhaupt ist diese ganze Steuernummer ein Schwindel: Was die Stadt nicht ausgibt, das nutzt sie, um bei historischen Niedrigzinsen in den Abbau der Schulden zu stecken, für den armen Hamburger ist diese Politik ohne direkte Wirkung. Steigen die Zinsen irgendwann wieder, dann wird diese Politik sofort nicht mehr funktionieren und dann wird die SPD ganz Unten in der hamburger Gesellschaft nach Geld graben und dort die nächste Sparrunde machen.

     

    Der damalige Bürgermeister Henning Vorscherau erklärte Anfang der 1990er, man müsse jetzt die Ausgaben kontrollieren, sich zurück halten und der Standard von 1990 sei doch gut, denn könne man doch einfach halten. Und da sage ich, ja, den halten wir genau seit dieser Aussage und für arme und randständige Hamburger wird er seit 2005 kontinuierlich weiter abgesenkt - hier wird irgendwann der Standard von 1955 ereicht. Aber auch diese Hamburger können sich dann freuen, nur noch €23 Mrd. Schulden!