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Kommentar Klimarat gibt Klimaziele aufWir kneifen, wenn’s wehtut

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Warum werden die Klimaziele wohl verfehlt werden? Wegen genau der mutlosen Politik, wie sie im Groko-Sondierungspapier steht.

So ausgedürrt wie die Ideen der Groko-Sondierer zum Klimaschutz Foto: dpa

E s hat seine eigene Ironie, dass in der letzten Woche zeitgleich zwei Klimaziele kassiert wurden: Der UN-Klimarat IPCC verbreitete seine Einschätzung, dass die Erderwärmung kaum noch bei 1,5 Grad zu stoppen ist. Und die Groko fand, minus 40 Prozent Klimaemissionen bis 2020 in Deutschland seien sowieso unrealistisch – ehe sie diesen Aufreger dann doch wieder aus dem Papier strich. Seht her, könnte man sagen, die besten Klimawissenschaftler der Welt tun auch nur, was Union und SPD für sich reklamieren: „Wir machen uns ehrlich.“

Aber das stimmt nicht. Denn die einen sind Wissenschaftler, die ihre Supercomputer mit Unmengen von Daten füttern. Und die anderen Politiker, die ihrer Klientel nicht zu viel zumuten wollen. Doch die Verbindung ist da: Wegen genau der Politik, die sich in der Groko wieder zeigt, stehen die IPCC-Wissenschaftler ratlos vor ihren Ergebnissen: Zu lange ist von allen Staaten nichts getan worden, zu viel Zeit verschwendet und zu viel Geld in Kohle und Öl versenkt worden, um das jetzt schnell zu ändern.

Zu mächtig sind die alten Strukturen und zu mutlos diejenigen, die sie schnell aufs Abstellgleis schieben müssten. Deutschland ist mit seiner Energiewende ein weltweites Vorbild, aber nur, was den Aufbau der Öko-Energien angeht. Bei den politisch und ökonomisch harten Entscheidungen kneifen wir wie alle anderen: Wirklich Energie sparen und dreckige Energien stilllegen, das tun wir nicht.

Das Sondierungspapier ist dafür das beste Beispiel. Der Klimawandel hat es nicht mal in die Präambel geschafft. Auch nicht in den Namen der Kommission, die über den Braunkohleausstieg verhandeln soll. Die Groko verspricht 65 Prozent Ökostrom für 2030, aber Datum und Fahrplan für das Kohle-Aus werden auf die lange Bank geschoben. Wieder: Hui bei den Erneuerbaren, mit denen sich gutes Geld verdienen lässt. Pfui bei den harten Entscheidungen. So macht man keine Energiewende. Und Klimaschutz schon gar nicht.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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8 Kommentare

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  • Der Autor umschifft den riesigen Elefanten im Raum, und macht sich dabei nicht wirklich ehrlich.

    Deutschlands Einfluß auf die weltweite CO2-Emissionen ist meines Wissens bei unter 2%. Mit anderen Worten, ob wir hier uns auf den Kopf stellen oder nicht ändert am Klima und Wetter nichts, aber auch gar nichts!

    Wenn es den ganzen Öko-Moralisten dann letztlich doch nur um die 'Vorbildrolle' Deutschlands geht, dann sollen sie das bitte auch so offen und ehrlich sagen.

    Wieder nur, in anderem Gewand, eine Fortsetzung des 'am Deutschen Wesen soll die Welt genesen'.

  • Deutschland ist kein Vorbild sondern ein abschreckendes Beispiel, da die hohen Kosten für die Wirtschaft und die unsozialen Belastungen der (Strom-)Verbraucher praktisch keinen Effekt auf CO2-Emissionen haben. Der in der EU nicht abgestimmte Alleingang diskreditiert den EU-Emissionshandel und verhindert global wirksame Maßnahmen.

  • Die genannten Sondierungsergebnisse spiegeln doch offensichtlich nur den mehrheitlichen Wählerwillen wieder. Weshalb sollte eine Koalition Ziele umsetzen, die von dem Gros der Bevölkerung im besten Fall nicht getragen werden?

     

    Wenn dann auf irgendwelchen Konferenzen gefühlt nicht einhaltbare Ziele beschlossen werden, dann ist das für die weitere Umsetzung auch nicht besonders hilfreich.

  • Scheint doch gerade alles prächtig zu laufen, je mehr wir konsumieren, desto besser läuft es. Niemand will die Unkenrufe hören. Wozu auch, ist doch in den letzten 20 Jahren nichts passiert, jedenfalls nicht in Deutschland. Und auch weltweit geht es angeblich allen besser. Weniger Armut, weniger Hunger, mehr Bildung. Auf was sollen die Menschen reagieren? Weltweit zählt nur noch eins: Wettbewerb, stich die anderen aus, egal was danach kommt.

  • Piepegal

     

    Fast jeder will ein Auto und seine persönliche Bequemlichkeit haben...

    Auch viele "Grüne".

    So isses nun mal.

    Wenn es an die persönliche Bequemlichkeit geht, dann ist die Umwelt vielen Leuten piepegal. So einfach läuft das.

    • @Hartz:

      Ja, ein Auto ist Bequem, allerdings sind auch sehr viele Menschen darauf angewiesen. Ein Beispiel was mich immer wieder ärgert: wenn ich mit der Bahn in die nächste Stadt fahre, zahle ich so viel das ich ca 2 mal mit dem Auto hin und zurück fahren könnte. Als Geringverdienende fahre ich dann mit dem Auto auch wenn mir die Bahn lieber wäre. Also fände ich es besser einen Kostenfreien Nahverkehr zu fordern, als Menschen generell fürs Auto fahren zu kritisieren.

      Wo ich dir recht gebe ist, dass sinnlose Fahrten über kurze Distanzen unnötig sind.

      • @f.r.:

        Ja, der ÖPNV sollte endlich billiger werden!

        Besonders für geringer Vedienende und Arbeitslose.

        Spritfresser sollten höher besteuert werden.

    • @Hartz:

      Ich stimme insofern überein, dass die Hoffnung durch die Verhaltensänderung überzeugter Bürger die Emissionen geringer werden zu lassen wohl trügt, in der Summe heben sich die Anreize auf: Mehr Wohnfläche je Einwohner, schwerere Autos mit mehr elektrischen Verstellmöglichkeiten usw.

      Gerade deswegen müsste die Politik die Rahmenbedingungen anpacken: CO2-Mindestpreise, Ende des "Grandfathering" für CO2-Emittenten, keine Priviligierung der Braunkohle als dreckigstem Energieträger.