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Die DFL bezahlt das schon

Die Stadt Bremen will, dass die Fußballliga DFL für Polizeieinsätze bei Risikospielen zahlt. Erstaunlicherweise steigen die Einsatzstunden, seitdem der Vorschlag auf dem Tisch liegt

Bequemer Ausritt bei Sonne am Osterdeich: alles Überstunden Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Von Gareth Joswig

Das Risiko, als normaler Fan bei einem Werder-Heimspiel verletzt zu werden, lag in der vergangenen Saison 2016/17 bei 1 zu 696.074. Die Chance war also in etwa so hoch wie mit Vierlingen schwanger zu werden, einen Royal Flush beim Fünf-Karten-Poker zu bekommen oder einmal im Leben von einer Schlange angegriffen zu werden. Kurzum: Es ist sehr unwahrscheinlich.

Vier Verletzte zählt die Innenbehörde unter den knapp 700.000 BesucherInnen in der vergangenen Saison. Zwei der Verletzten waren sogenannte „Störer“, bei einer verletzten Person handelte es sich um einen Polizisten – nur ein unbeteiligter Fan verletzte sich. Das geht aus einer großen parlamentarischen Anfrage der Linksfraktion hervor.

In der Vorsaison waren es insgesamt 14 Personen, die verletzt wurden, darunter neun PolizistInnen, ein Störer und vier Unbeteiligte. Etwas höher lagen die Zahlen noch 2013/14 (82) und 2014/15 (32), in diese Saisons fielen die Auseinandersetzung am Verdener Eck zwischen Ultras und Nazi-Hooligans sowie das 100. Nordderby zwischen dem HSV und Werder Bremen, das als besonders risikoreiches Spiel gegolten hatte. In den Spielzeiten davor waren die Zahlen in etwa so niedrig wie derzeit (2013: 13 und 2012: 11). Auch die Zahl der Ingewahrsamnahmen sinkt deutlich – zusammengefasst ist die Situation weitgehend friedlich.

Im Gegensatz dazu stehen die Anzahl der PolizistInnen, welche die Spiele sicherten. Nach Einsatzstunden liegt Bremen bundesweit auf einem zweiten Platz. Besonders die Nordderbys gegen den HSV fallen ins Gewicht, bei denen Bremen in den vergangenen Saisons kontinuierlich das Doppelte bis Vierfache an Kräften einsetzte wie die Polizei in Hamburg.

Das Ausmaß der Polizeieinsätze bei Fußballspielen waren in Bremen immer wieder Anlass für Diskussionen: Aufgrund des anhaltend hohen Aufwandes versucht Bremens SPD seit 2013, überbordende Polizeikosten für sogenannte „Risikospiele“ wie etwa dem Nordderby zwischen dem HSV und Werder Bremen der Fußballliga DFL in Rechnung zu stellen, der Verband klagt seitdem gegen die Gebührenbescheide. Das Verwaltungsgericht gab zwar dem Widerspruch der DFL gegen einen Gebührenbescheid von 425.718 Euro vom Nordderby im April 2015 zwar recht, aber fällte dazu kein grundsätzliches Urteil. Zudem kündigte Bremen an, der DFL weiter Bescheide auszustellen und sich notfalls durch alle Instanzen zu klagen.

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Kristina Vogt, findet es auffällig, dass die Polizeikosten steigen, obwohl Gewalt abnimmt: „Seitdem die SPD 2013 in die Debatte gebracht hat, Polizeikosten bei der DFL abzurechnen, sind die Einsatzstunden rapide nach oben gegangen.“ Man müsse prüfen, ob immer so viel Polizei nötig sei.

Vor fünf Jahren waren pro Saison noch gut 5.000 PolizistInnen im Einsatz. In den Folgesaisons nach dem SPD-Vorschlag zur Gebührenübernahme der DFL steigerten sich die eingesetzten PolizistInnen deutlich – zunächst auf 7.498 (13/14) und 6.535 (14/15), in den vergangenen beiden Saisons sogar auf 8.144 (15/16) und 7.258 (16/17).

„Innensenator Mäurer kommentiert bei seiner Privatfehde mit den Ultras jedes Transpi in der Ostkurve“

Kristina Vogt, Die Linke

Vogt, selbst Dauerkartenbesitzerin, sagt: „Das fällt auf, wenn man ins Stadion geht.“ Das 100. Nordderby sei vom Polizeiaufgebot her „fast wie die Demo bei Brokdorf“ gewesen. Es seien zwei Wasserwerfer vor Ort gewesen und man habe Spalier laufen müssen zwischen zwei Reiterstaffeln.

Gleichzeitig sei eine sich angeblich verstärkende Gewalt im Fußball nicht zu erkennen. Vogt sagt: „Innensenator Mäurer und die CDU reden zwar immer von nackter Gewalt gerade durch die bösen linken Ultras – an Zahlen festmachen lässt sich das allerdings nicht.“ Man müsse die Debatte zurechtrücken. Es sei „politisches Geklimper“, wenn Mäurer „bei seiner Privatfehde mit den Ultras jedes Transpi in der Ostkurve kommentiert“.

Die Innenbehörde erklärt die vielen Einsatzstunden mit der Lage des Weserstadions: Eine Fantrennung mitten in der Stadt sei schwer. Referatsleiter Nicolai Roth sagt: „Die Shuttle-Busse für die Gästefans fordern ein gewisses Polizeikontingent.“ Allerdings könnten die Busse nicht direkt ans Stadion fahren, sodass die Fans die letzten paar Hundert Meter in Polizeibegleitung laufen müssten. Derzeit sei in der Überlegung, einen Anfahrtsmöglichkeit direkt vor der Gästekurve zu schaffen. Dafür müsste ein Zufahrtsweg am Osterdeich ausgebaut werden.

Einen vermehrten Kräfteeinsatz infolge der Gebühren für die DFL schließt Roth aus: „Hannover fragt ganz genau, wenn wir fünf Pferde oder eine Hundertschaft von dort anfordern.“ Dass der Innensenator und die Gebührenbescheide an die DFL zur Aufrüstung beigetragen haben, schließt Roth aus: „Die Einsatzstärke ist keine politische Entscheidung, sondern eine taktische.“ Mäurer habe darauf keinen Einfluss.

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