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Kolumne PressschlagSportrecht und der Hitlergruß

Kolumne
von Johannes Kopp

Rassistische Vorfälle in der Cottbuser Fankurve werden von einem Sportgericht im Berufungsverfahren nicht bestraft. Jetzt ist der DFB dran!

Platzsturm: Cottbusser Fans beim Gastspiel in Babelsberg Foto: dpa

K ann man sich freuen, wenn aus formaljuristischen Gründen antisemitische Parolen und Hitlergrüße ungestraft bleiben? Aus vollem Herzen kann man das, wie Energie Cottbus am Freitag unter Beweis stellte. „FC Energie gewinnt Berufungsverfahren“, verkündete der Regionalligist stolz in dicken Lettern auf seiner Homepage.

Dass es sich eigentlich um ein schwebendes Verfahren handelt, weil der Deutsche Fußball-Bund (DFB) umgehend ankündigte, seinen Kontrollausschuss einzuschalten, um eine Revision vor dem DFB-Bundesgericht zu prüfen, verschwieg man an dieser Stelle. Und dass es nur Verlierer geben kann, sollte das Urteil nicht revidiert werden, das hat man bei Energie, wo man zuallererst auf die klamme Vereinskasse schielt, nicht im Blick.

Im April 2017 war es bei der Partie zwischen Babelsberg und Cottbus zu den rassistischen und antisemitschen Vorfällen gekommen. Das Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbands (NOFV) ahndete aber nur den Platzsturm der Gästefans und belegte Energie Cottbus mit einer Geldstrafe. Erst in einem zweiten Verfahren sanktionierte man die rassistischen Vorfälle. Die Verspätung begründete das NOFV-Gericht damit, dass man beim ersten Urteil keine Kenntnisse von den rechten Parolen und Hitlergrüßen hatte.

Eine höchst unglaubwürdige Erklärung. Öffentlich wurde über die sozialen Netzwerke breit über die Vorfälle diskutiert und beide Vereine nahmen in ihren öffentlichen Stellungnahmen Bezug auf die rechtsextremen Vorkommnisse. Wie Energie-Präsident Michael Wahlich nun durchblicken ließ, war dies auch die Argumentation des Vereins beim Berufungsverfahren vor dem NOFV. Dem Gericht, sagte er, hätten schon im ersten Verfahren alle Informationen vorgelegen. Das NOFV räumte nun das juristische Versagen ein und stufte dies höher ein, als das Versagen der Cottbuser Fans in Babelsberg.

Recht auf Intervention

Die Satzung des DFB erlaubt es aber wiederum, im vermeintlichen Versagensfall seiner Mitgliederverbände, wenn über diskriminierendes und menschenverachtendes Verhalten geurteilt wird, einzugreifen. Im Grunde hätte der DFB diese Intervention bereits nach dem ersten NOFV-Richterspruch vornehmen müssen. Mit seinem aktuellen Eingriff hat der Verband aber seine Lernfähigkeit unter Beweis gestellt. DFB-Vizepräsident Rainer Koch stellte fest: „Rassismus und Diskriminierung haben im Fußball keinen Platz, und deshalb wäre es ein fatales Signal, wenn Vorfälle dieser Art ungeahndet bleiben würden.“

Für den Cottbuser Präsident Wahlich wäre es dagegen offenbar in erster Linie fatal, wenn rechtsstaatliche Regeln nicht geschützt werden. Er gibt sich selbstsicher, dass auch das DFB-Bundesgericht nur im Sinne seines Vereins entscheiden kann.

Der DFB hat aber in weiser Voraussicht in seiner Rechtsordnung die Möglichkeit der Intervention verankert. Es ist ein Instrument, um gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Werte wie Antirassismus sollen nicht nur propagiert, sondern auch im Handeln der Verantwortlichen wieder erkennbar sein. Und wenn dies wie im Fall der NOFV-Richter nicht zutrifft, ist der DFB im Recht, einzugreifen. Dem hat auch Energie Cottbus als dem DFB unterstellter Verein zugestimmt.

Das DFB-Bundesgericht steht vor einer weichenstellenden Entscheidung, wie ernst es dem Verband mit dem Kampf gegen Homophobie, Rassismus und Antisemitismus ist. Wenn ein paar betriebsblinde Sportrichter und Winkeladvokaten ausreichen sollten, um diese Anstrengungen zu torpedieren und sich der gesellschaftlichen Verantwortung zu entziehen, wäre dies das denkbar schlechteste Signal nach außen. Johannes Kopp

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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