Sportgericht gegen SV Babelsberg: Hitlergruß und Nazisprüche
In der Causa Babelsberg gegen Cottbus blamiert sich der Nordostdeutsche Fußballverband NOFV weiterhin. Ihm wird vorgeworfen, rechts blind zu sein.
Doch an diesem Dienstagnachmittag hat man die Pressevertreter in den Raum mit dem schönen Panorama eingeladen. Denn in der Angelegenheit Babelsberg/Cottbus ist nicht einmal die kleinste Kleinigkeit intern geblieben. Dunkle Wolken haben sich über dem Verband zusammengezogen. Vorwürfe sind laut geworden, der Verband werde von alten DDR-Kadern geführt, die auf dem rechten Auge blind sind.
Der 72-jährige NOFV-Präsident Rainer Milkoreit, einst zuständiger Leiter für Körperkultur und Sport im Rat de Bezirks Erfurt, ist sichtlich angefasst. Er spricht von „Auswüchsen“, die man so nicht erwartet habe und beklagt: „Wir werden nicht so behandelt, wie wir uns das wünschen.“
Ihm zur Seite stehen der um ein Jahr ältere Verbandsrichter Jürgen Lischewski, Geschäftsführer Holger Fuchs und der Benjamin der Runde, Sportrichter Stephan Oberholz. Mit seinem blauen Hemd bringt der 52-Jährige in den Hotelsaal namens Graureiher die meiste Farbe in die Runde.
Geboren ist er in Essen. Das erzählt Oberholz als Erstes. Eine DDR-Vergangenheit habe er also nicht. Und im Bereich Antirassismus engagiere er sich privat schon lange und intensiv.
Babelsberg weigert sich zu zahlen
Oberholz ist als Verantwortungsträger für das so imageschädigende NOFV-Sportgerichtsurteil gegen den Regionalligisten SV Babelsberg nach dem Heimspiel gegen Energie Cottbus eingeladen worden. Bei der Partie am 28. April 2017 hatten Gästefans den Hitlergruß gezeigt, „Babelsberg 03, Arbeit macht frei“ skandiert und versucht den Platz zu stürmen. Zudem zündete die Anhänger beider Teams Pyrotechnik. Babelsberg wurde mit einer Geldstrafe von 7.000 Euro sanktioniert, die der Verein auch nach Abmahnungen bis heute nicht bereit ist zu zahlen. Im Urteil werden nämlich unter der Rubrik „Gründe“ fünf Unterpunkte aufgegliedert und an erster Stelle wird aufgeführt, dass eine Person mit rotem Punkerhaarschnitt in Richtung Cottbusser Fanblock „Nazischweine raus“ gerufen habe.
„Es ist ein Satz“, versucht Oberholz zu erklären, „der da eigentlich nicht reingehört.“ Bestraft worden sei Babelsberg ausschließlich wegen der pyrotechnischen Vorfälle. Der vielbeachtete Satz einer Einzelperson stammt aus dem Bericht des NOFV-Sicherheitsbeauftragten, der im Übrigen die rechtsextremen Parolen aus dem direkt benachbarten Gästeblock nicht gehört haben will. Wie das möglich ist? Geschäftsführer Fuchs schreitet ein: „Ich möchte Sie bitten, dem ehrenamtlichen Sportskameraden nichts zu unterstellen!“ Der NOFV verlässt sich nicht nur weiter auf die Dienste des Sicherheitsbeauftragten, er hat ihn den Recherchen des Babelsberger Fanbeirats zufolge sogar zu Jahresbeginn zum Anti-Rassismusbeauftragten befördert. Dieser Posten wurde als erste Maßnahme nach den Ereignissen von Babelsberg vom Verband geschaffen
Zurück also zum Satz des Anstoßes. Beim Editieren der Urteile, berichtet Oberholz, greife man üblicherweise im EDV-System auf Bestandteile der Beobachtungsberichte von Schiedsrichter und Sicherheitsbeauftragte zurück. Da bleibe öfter mal ein Satz stehen, der für das Urteil nicht maßgeblich sei. Das Babelsberger Urteil habe er unterschrieben, ohne es zu merken. Ein Fehler? „Ein stilistischer Fehler“, korrigiert Oberholz.
„Nicht optimal gelaufen“
Von Fehlern des NOFV in der Causa Babelsberg will auch Geschäftsführer Fuchs nicht sprechen. „Fehler würde ich es nicht nennen. Es ist nicht alles optimal gelaufen.“ Dazu zählt er vermutlich auch den Umstand, dass die Sportrichter des Verbandes von der Aufregung in den sozialen Netzwerken und den Medien wegen der rechtsextremen Vorkommnisse nichts mitbekommen haben. Im Verfahren gegen Babelsberg wurden sie nicht erwähnt, im ersten Verfahren gegen Cottbus spielten sie ebenfalls keine Rolle. Die später dann doch erfolgte Strafe gegen Cottbus wurde in einem Revisionsverfahren mittlerweile vom NOFV wieder aufgehoben. Der DFB hat sich mittlerweile eingeschaltet, damit die rechtsextremen Vorfälle nicht ungestraft bleiben. Doch das ist eine andere Geschichte.
„Die Sportrichter im NOFV sind nicht so verfacebookt, vertwittert oder sonst was.“, Stephan Oberholz wirbt um Verständnis dafür, warum seinen Kollegen und ihm in der Angelegenheit das Wesentliche entgangen ist. Man sei auf die Zivilcourage der Vereine angewiesen. Es hätte dem Sportgericht an konkreten Hinweisen gefehlt. Allerdings lag dem NOFV-Sportgericht eine Stellungnahme der Babelsberger vor, in der es heißt: „Die unermesslich hohe Anzahl von verfassungsfeindlichen und volksverhetzenden Entgleisungen im Gästeblock stellt das eingangs beschriebene Kernproblem noch einmal deutlich dar.“
Oberholz entgegnet: „Wissen Sie wo dieser Satz stand? Auf der vorletzten Seite eines zwölfseitigen Schriftstücks.“ Und außerdem sei es üblich, dass Vereine vor dem Sportgericht Schutzbehauptungen vorbringen würden. Er sah keinen Anlass, der Behauptung nachzugehen. Für einen Richter ein erstaunlicher Hang zur Vorverurteilung. Im konkreten Fall umso erstaunlicher, weil bundesweit bekannt ist, dass Energie Cottbus massive Probleme mit rechtsextremen Fans hat und der Verein zudem in seiner dem NOFV zugesandten Stellungnahme auf das unsägliche Verhalten seiner Anhängerschaft einging.
Die Satzung ist Gesetz
NOFV-Präsident Milkoreit wiederum erstaunt, in welch missliche Lage sein Verband in den vergangenen Monaten geraten ist. Mit der Presse habe man nicht gesprochen, um deeskalierend zu wirken. Geschäftsführer Fuchs erklärte, jetzt wolle man mit der Presserunde einen Beitrag zur Deeskalation leisten. „Wir befinden uns in der Endphase zur Findung eines gemeinsamen Gesprächstermins zwischen dem NOFV und dem SV Babelsberg 03.“ Wie das gelingen soll, ist die große Frage. Wegen der nicht gezahlten Buße hat der NOFV diese Woche beim Verbandsgericht einen Antrag auf ein Verfahren gegen den SV Babelsberg gestellt. Und Holger Fuchs räumt ein, dass aufgrund der Satzung das erste Urteil, selbst wenn man wollte, nicht zurückgenommen werden kann.
Nach der Satzung des Verbandes leben die NOFV-Verantwortliche wie andere nach den Offenbarungen der Bibel. Und weil im eigenen Reglement steht, dass der Verband gegen Rassismus eintritt, hält man die Vorwürfe, nicht mit entsprechender Sensibilität gehandelt zu haben, ohnehin für absurd. In einem Revisionsverfahren, sagt Fuchs fast schon bedauernd, hätte man das erste Urteil ja korrigieren, den umstrittenen Satz herausstreichen können. Das Problem war nur, dass der NOFV wegen einer fehlenden Unterschrift den Revisionsantrag der Babelsberger nicht annehmen konnten. So steht es in der Satzung.
Dort steht aber auch, dass der Verband innerhalb einer gewissen Frist das Urteil selbst hätte einkassieren können. Warum das nicht getan wurde? „Da gab es ja den Revisionsantrag der Babelsberger“, erklärt Holger Fuchs. Und dann sei auf einmal der Zeitpunkt vorbei gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben