US-Steuerreform und Deutschland: Standortdebatte reloaded
Gibt es jetzt einen globalen Steuersenkungswettlauf, weil die USA Firmen beschenken? Der ist doch längst im Gange. Das nutzt die deutsche Wirtschaft.
Viele Unternehmen in Übersee können nun aufatmen. Die große Angst vor US-Protektionismus ist nämlich vorerst gebannt: Eine Grenzsteuer für ausländische Unternehmen war schon lange vom Tisch. Auch die abgespeckte Version, die sogenannte Excise Tax, ist jetzt weggefallen, die wie eine Art Importsteuer für Vorleistungen und Produkte aus dem Ausland bei der Einfuhr in die USA gewirkt – und wohl die Industrie Europas getroffen hätte.
Was die Reform für Deutschland bedeutet, ist befremdlich angesichts von glänzenden Wirtschaftsdaten und den Rekordgewinnen der DAX-Unternehmen: eine Steuersenkungsdebatte. „Die große amerikanische Steuerreform wird den Standortwettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und Europa signifikant verschärfen“, sagte gestern der Chefvolkswirt des Verbandes der Maschinen und Anlagenbauer, Ralph Wiechers.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Joachim Lang, sekundierte: „Das Gesetzespaket in den USA enthält mit verbesserten Abschreibungsregelungen und Verschärfungen für grenzüberschreitend tätige Unternehmen erhebliche Anreize, Konzernfunktionen und Investitionen in die USA zu verlagern“, sagte er. Der Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen sagte: „Der Steuerwettbewerb wird fulminant angeheizt.“ Deutschland hat also wieder eine Standortdebatte. Für mögliche Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD wird das nicht nur dem CDU-Wirtschaftsflügel Auftrieb geben.
Aber was ist dran am Vorwurf, die USA würden einen Steuerwettlauf initiieren? Der US-Ökonom Dean Baker, Gründer des Center for Economic and Policy Research, eine Denkfabrik in Washington D.C., findet den Vorwurf ungerechtfertigt: „Ihr habt in der EU doch selbst ein Problem mit Niedrigsteuern. Irland hat einen Unternehmenssteuersatz von 12,5 Prozent, und ihr macht nichts dagegen.“ Er warnt davor, der üblichen Standortverlagerungsrhetorik der Industrie zu folgen. „Unsere Unternehmen und eure Unternehmen machen doch alle das Gleiche. Sie erfinden ein Problem, um besser behandelt zu werden“, sagt er.
Auch in der EU fallen die Steuersätze
Tatsächlich ist der Steuersenkungswettlauf in Europa längst im Gang. Belgien, Frankreich, Niederlande, Großbritannien, Norwegen Luxemburg, Schweden, sie alle wollen Unternehmensteuern in den nächsten Jahren senken, wie in einem aktuellen Report des Tax Justice Network zu lesen ist. Die USA sind keine Ausnahme. Im Schnitt liegen die Unternehmenssteuern in der EU bei 22 Prozent, in den USA jetzt bei 21 Prozent.
Die Frage ist ohnehin nicht, wie hoch die Steuersätze auf dem Papier sind, sondern wie viele Steuern tatsächlich gezahlt werden – und da liegen die USA schon heute, je nach Zahlen bei 22 bis 27 Prozent, für große Unternehmen oft unter 20 Prozent. ExxonMobil zahlte zwischen 2008 und 2015 im Schnitt 13,6 Prozent, GE bekam sogar noch Geld vom Staat, statt Steuern zu zahlen – nachzulesen hier.
Dean Baker, Ökonom
In Deutschland zahlen Multinationale ebenfalls weniger als auf dem Papier. Die Angaben schwanken, aber selbst der Industrieverband BDI kommt mit 26 Prozent auf eine niedrigere Steuerquote als der nominelle Satz. Eine tatsächliche Senkung der Unternehmenssteuern in Deutschland wie zuletzt 2008 dürfe momentan politisch kaum durchsetzbar sein.
Die Debatte, die bereits jetzt von den Wirtschaftsverbänden angestoßen wird, ist deshalb eine andere: Der Fokus liegt darauf, vermeintlich lästige und überflüssige Regeln abzuschaffen – zum Beispiel solche, die verhindern sollen, dass Gewinne ins Ausland verlagert werden. Dabei sind diese in den letzten Jahren mit vielen Mühen eingeführt worden.
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