: Keine Extrawurst für den Konsul
Konsulatsbeamte verfolgen Gerichtsprozesse gegen Staatsbürger ihres Landes im Ausland – als ganz normale Zuschauer. Dagegen kann man sich als Betroffener kaum wehren
Eine Botschaft ist die diplomatische Vertretung eines Landes in einem anderen Land.
Ein Konsulat ist die Vertretung der staatlichen Verwaltung eines Landes im Ausland.
In mehr als 200 Ländern unterhält Deutschland Auslandsvertretungen. Sie bilden gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt den Auswärtigen Dienst.
Die Auslandsvertretungen sind dauerhaft eingerichtet und durch das Völkerrecht gesichert.
Von Milena Pieper
Der Prozess gegen Konstantin P. vor dem Amtsgericht Hamburg war auch für das russische Konsulat von Interesse. Am 8. Juli, dem zweiten Tag des G20-Gipfels in Hamburg, soll der junge Russe zwei Flaschen auf Polizisten geworfen haben, so der Vorwurf. P. kam in Untersuchungshaft. Weil er die Unterstützung durch das Konsulat ablehnte, wollten seine Verteidiger die Vertretung Russlands von der Verhandlung ausschließen lassen.
Sie gingen davon aus, dass der russische Konsul persönlich im Saal war. Und den wollten sie vom öffentlichen Prozess ausgeschlossen wissen: „Natürlich gibt es da die Befürchtung, dass Repression vom russischen Staat ausgeht“, sagt Alexander Kienzle, einer der beiden Verteidiger. Das Gericht aber lehnte den Antrag ab. Aus Sicht des Amtsgerichts gebe es „keinerlei Anhaltspunkte, die eine Zustimmung gerechtfertigt hätten“.
Der Fall wirft zwei Fragen auf: Wann können Zuschauer einer öffentlichen Verhandlung verwiesen werden? Und welche Rechte haben Konsulatsbeamte bei Gerichtsprozessen? „Ausschließen kann die Prozessleitung Zuschauer, die für den Prozess noch als Zeugen in Betracht kommen“, erklärt das Amtsgericht Hamburg. Und auch wenn jemand die Verhandlung stört oder deren Fortgang behindert, kann er oder sie des Saals verwiesen werden. Doch es gebe keine Rechtsgrundlage, die Konsulatsbeamte in solchen Fällen bevorzuge. Ihre Rechte sind in einem konsularischen Übereinkommen geregelt.
Konstantin P. ist inzwischen wieder frei, ein Urteil gibt es jedoch noch nicht. Er wollte von Anfang an nicht durch das Konsulat seines Heimatlandes betreut werden – informiert wurde es trotzdem über die Festnahme. Der Grund ist eine Vereinbarung zwischen Deutschland und Russland: Verträge, die dazu verpflichten, die Auslandsvertretung auch ohne oder gegen den Willen des Betroffenen zu unterrichten, gebe es derzeit mit über 30 Staaten, heißt es im Auswärtigen Amt. Die Regelung soll Unsicherheiten und Zweifelsfälle vermeiden, in denen der Staat eine Auslandsvertretung mit Verweis auf einen angeblichen Willen des Inhaftierten nicht informiert.
Die Regelung gehe nicht über die reine Mitteilung hinaus, sagt ein Gerichtssprecher vom Amtsgericht Hamburg. Auch das Konsulat muss sich über öffentlich zugängliche Quellen über das Verfahren informieren. Das gilt auch für den russischen Konsul, der Auskunft zu Konstantin P.s Anklageschrift erhalten wollte.
Auch für den Fall der Verhaftung eines durch das Konsulat betreuten Bürgers im Ausland gibt es ein festes Prozedere. Das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen verpflichtet jedes Land dazu, das entsprechende Konsulat zu benachrichtigen – wenn der oder die Festgenommene das verlangt.
Die Unterstützung durch Konsularbeamte für Inhaftierte gilt auch für deutsche StaatsbürgerInnen, die im Ausland festgenommen werden. Die Behörden des Gastlandes sind durch das Wiener Übereinkommen verpflichtet, die deutsche Auslandsvertretung zu informieren, wenn der oder die Verhaftete das verlangt. Außerdem darf der Konsularbeamte deutsche StaatsbürgerInnen im Gefängnis besuchen und mit ihnen korrespondieren.
Der Konsul hilft etwa bei der Auswahl eines Anwalts und prüft die Betreuung des Verhafteten. Auf Wunsch informiert er Angehörige oder kümmert sich um Geldüberweisungen, so das Auswärtige Amt. Einfluss auf das Strafverfahren und den Prozess an sich können die Botschaften und Konsulate nicht nehmen.
Komplizierter wird es mit der konsularischen Hilfe im Ausland, wenn der oder die Verhaftete nicht nur die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, sondern auch jene des Gastlandes – so wie beispielsweise der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel. Die Behörden des Reiselandes betrachten den oder die Verhaftete dann als Zugehörige ihres Landes. Eine Unterstützung durch das Konsulat sei dann – wenn überhaupt – nur eingeschränkt möglich, erklärt das Auswärtige Amt.
Grundsätzlich können Konsularbeamte an den Gerichtsprozessen deutscher StaatsbürgerInnen etwa in der Türkei teilnehmen. Darüber, wer in den Gerichtssaal darf, entscheide jedoch immer das jeweilige Gericht. Und im Fall der Türkei sei es häufig so, dass MitarbeiterInnen der Auslandvertretungen und der Presse nach Anwälten und Familienangehörigen als letztes zugelassen werden.
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