: „Die alten Stahlzäune kommen weg“
„Ab in die Wildnis“ lautet das Motto von Julia Kalisch, Leiterin der Gartenabteilung des Tierparks. Mit der Umgestaltung zum Geo-Zoo hat die Gartentruppe längst begonnen – wenn auch in kleinen Schritten
Interview Plutonia Plarre
taz: Frau Kalisch, seit zwei Jahren leiten Sie im Tierpark die Gartenabteilung. Was haben Sie vorgefunden?
Julia Kalisch:Der Baumbestand war viele Jahre gar nicht oder nur notdürftig gepflegt worden. Es gab ein kleines gärtnerisches Team, das eigentlich nur für die Pflege des Parks zuständig war. Müll sammeln, in der Erde kratzen, die Pflege der Monokulturen – mehr war nicht möglich. Es gab praktisch keine Maschinen.
Sie haben die Gartentruppe dann neu aufgestellt.
Es gibt jetzt 27 feste Gärtnerinnen und Gärtner. Alle, inklusive Saisonkräfte, arbeiten in Teams. Es gibt feste Bereiche: Pflege und Unterhaltung des Parks, Baumpflege, Innenraumbegrünung und Gartenlandschaftsbau-Neubau. Letztere geben dem Tierpark sein neues Gesicht. Sie marschieren von Tieranlage zu Tieranlage, reißen alte Zäune ab, bauen neue aus Naturmaterialien. Bei allen Arbeiten ist der Immersionseffekt sehr wichtig.
Wie bitte?
Das ist ein typisches Zoowort.(lacht). Übersetzt heißt das: Dinge, die sich innerhalb der Gehege befinden, werden außerhalb der Anlage, also da wo der Besucher steht, gestalterisch fortgesetzt.
Haben Sie ein Beispiel?
Als Erstes haben wir die Pekari-Anlage umgebaut.
Das sind die Nabelschweine.
Vorher war das eine platte Anlage, mit den typischen grün gestrichenen Stahlzäunen davor. Die Zäune haben wir komplett entfernt, einen Graben gezogen und Kiefernstämme als Stützen eingefügt. Wir haben Berge, Täler und Pflanzinseln in der Anlage eingebracht und ein Flussbett. Das haben wir optisch in den Besucherbereich verlängert. Elektrozäune, die kaum wahrnehmbar sind, bilden die Begrenzung. Im Besucherbereich haben wir den Asphalt aufgeschnitten und Holzgeländer – Reste aus eigenen Baumfällungen – angebracht.
Julia Kalisch
35 Jahre alt, ist Gartenbauingenieurin. Seit 2015 leitet sie die Gartenabteilung des Tierparks Friedrichsfelde.
Was ist die Idee dahinter?
Unser Motto ist: Ab in die Wildnis. Es geht darum, die Natur in die Anlagen zu holen. Wir wollen die Tiere nicht wie in einem Parkhaus präsentieren. Wo immer es geht, kommen die alten grünen Stahlzäune weg. Bei Gehegen, wo das aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist, kaschieren wir sie. Bei den Tüpfelhyänen haben wir das mit Rindenmatten und Bambusmaterial getan. Davor haben wir einen zweiten Zaun in afrikanischem Stil aus Robinien und Seilen gebaut.
Wie weit sind Sie inzwischen?
Wir haben die Katta-Anlage umgebaut. Wir haben den ganzen Waldspielplatz bepflanzt. Wenn man durch den Eingang Bärenschaufenster reinkommt, haben wir links und rechts von den Wisenten Inseln herausgestemmt und im nordamerikanischen Stil bepflanzt. Insgesamt sind 18 Anlagen umgebaut worden. Mein Gefühl ist, wir sind megaweit, aber ich habe auch den Tunnelblick. Tatsächlich ist es nur ein Bruchteil. 160 Hektar Fläche, das ist schon eine Menge.
Nehmen die Besucher die Veränderungen wahr?
Auf alle Fälle. Immer mehr junge Leute kommen, auch wahnsinnig viele Familien, gerade auch seit dem Umbau der Spielplätze im letzten Jahr. Das war ein regelrechter Boom. Wir mussten sogar die Reinigungsintervalle aufstocken, weil der Wasserspielplatz so übervölkert war. Wir sind froh, aber so einen Ansturm hatten wir nicht erwartet.
Was hat der Sturm „Xavier“ für Sie und Ihre Leute bedeutet?
Der Herbst ist immer eine sehr schwere Zeit, weil wir gegen riesige Blättermassen an kämpfen. Im Tierpark gibt es über 11.000 Bäume, mit einem Stammumfang von über 80 Zentimetern. „Xavier“ hat uns circa 40 Großbäume und 170 Kronenbrüche gekostet.
Gibt es noch Bäume von 1821 aus der Zeit von Peter Lenné?
Einige sind noch erhalten. Es gibt noch einen alten Eichen- und Buchenbestand, an der Eisbäranlage stehen alte Birken. Unsere ältesten Bäume sind die Eichen am Bärenschaufenster. Man geht davon aus, dass sie über 300 Jahre alt sind. Eine ist als Naturdenkmal ausgewiesen.
Auch an der Savannenzone sind Ihre Leute beteiligt.
Den ersten Teil haben wir mit den Hyänen und Wildhunden schon angefangen. Um es klar zu sagen: Wir werden immer eine Parkanlage bleiben. Darin gestalten wir nach Kontinenten. Das heißt: Sie gehen durch den Park, vor Ihnen öffnet sich eine große Insel, dann kommt wieder Park, dann die nächste Insel. So geht es von Afrika nach Asien und so weiter.
Haben Sie ein Lieblingsprojekt?
In der Zoolandschaft ist es so, dass sich viele Anlagen doppeln. Gehen Sie mal nach Karlsruhe, dann sehen Sie das gleiche wie in Leipzig. Wir machen jede Anlage anders, das ist das Tolle. Wir haben auch Gartendesigner in die Projekte geholt. Aber dadurch, dass wir eine eigene Truppe haben, können wir das Gefühl „Ab in die Wildnis“ viel individueller einbringen.
Sind Sie manchmal fassungslos über Ihre Vorgänger?
Und ob (lacht). Gerade beim Alfred-Brehm-Haus ist das so. Die Erde in der Tropenhalle ist so salzhaltig, dass sich die Pflanzen nicht entwickeln können.
Was ist der Grund?
Im Tierpark wurde eine Kompostwirtschaft betrieben. Tierkacke, Blätter, Erde – alles wurde vermischt und als super Dung überall eingebracht, auch in den Häusern. Wir müssen die Erde erneuern. Außerdem bekommen die Pflanzen viel zu wenig Licht. Das liegt daran, dass 2013 ein spezielles Sicherheitsglas installiert wurde. Sonnenstrahlung kommt da überhaupt nicht durch.
Was könnte man tun?
Eine Lösung war künstliches Pflanzenlicht. Aber das würde so aussehen, als ob wir eine Riesenhanfplantage betreiben. Die schwierige Aufgabe ist also, südamerikanische Pflanzen zu importieren, die tropisch aussehen und bei einer Beleuchtungsstärke unter 1.000 Lux gut gedeihen.
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