piwik no script img

Der ewige Karl Lagerfeld

Der Modeschöpfer und sein Flüchtlings-Fauxpas

Von Alexander Diehl

Man kann natürlich finden, wer einen Modeschöpfer nach Flüchtlingspolitik fragt, darf sich dann auch nicht wundern. Da kann man ja gleich Rockmusiker zur Lage in Nahost anhören. Andererseits: Als Karl Lagerfeld neulich im französischen Fernsehen darüber sprach, tat er das möglicherweise mehr als Deutscher, der in Paris lebt, befragt nach der Politik der deutschen Kanzlerin.

Was er dann sagte, brachte dem 79- bis 84-Jährigen (je nachdem, welcher der kursierenden Angaben man glauben möchte) dann durchaus Ärger ein: „Ich werde Ihnen etwas Schreckliches erzählen“, so Lagerfeld am 11. November in der Talkshow „Salut les Terriens“: „Wir können nicht, auch wenn Jahrzehnte dazwischenliegen, Millionen von Juden töten und später dann Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen.“

Bei der französischen Rundfunkaufsicht CSA gingen Hunderte Beschwerden ein, aber der gebürtige Hamburger mit der ewigen Sonnenbrille erhielt auch Beifall, so stießen etwa zahlreiche Facebook-Nutzer ins erwartbare Horn: Endlich sage mal jemand, was die Mainstream­medien totschwiegen, und überhaupt möge diese Merkel doch keiner mehr, nicht mal mehr ihre eigene Partei usw. usf.

Nun ist die Trope, dass der muslimische Migrant per se antisemitisch sei, so neu nicht. Auch der Zentralrat der Juden bekundete nach 2015 Sorgen über ein Mehr an Judenfeindschaft im Land. Bloß hat, wer nur vom Muslim an sich zu sprechen versteht, dem Antisemiten, den er da vorgeblich entlarvt, ja nichts voraus. Der eine schwelgt im Ressentiment so begeistert wie der andere.

Und aus einem deutschem Mund hat es eben immer auch etwas von Erleichterung, das Allerschlimmste endlich mal anderen ankreiden zu können – angesichts des bösen Ali waren Opas Kriegserlebnisse doch nur halb so wild.

Die vielleicht dümmste Reaktion kam vom Fernsehsender RTL, dessen angebliches Promi-Magazin „Exclusiv“ Lagerfelds Aussage damit zu begründen suchte, dass der Mann mit Chanel ja für ein Unternehmen „fest in jüdischer Hand“ arbeite. Willkommen, jüdische Weltverschwörung, in Hamburg und der Elbphilharmonie, wo Lagerfeld am Mittwoch eine Modenschau abhält: Im Großen Saal werden seine „Métiers d’Art“-Entwürfe für Chanel gezeigt, was die bekanntlich ja auch treu zu Israel (!) stehende Welt am Freitag schon mal mit einer Stil-Beilage vorbereitete.

Und wer nun schon weiß, dass er die Sause in der Elphi nicht wird wahrnehmen können, weil ja Plätze frei bleiben müssen für Vanessa Paradis, Pharell oder Beyoncé: Schon am Montag eröffnet ein Lagerfeld’scher „Accessoires-Pop-Up Shop“ im örtlichen Alsterhaus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen