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Stilllegung der Atomfabrik GronauDer Ausstieg wäre gratis zu haben

Eine Studie des Umweltministeriums ergibt, dass die Regierung Atomfabriken stilllegen darf. Auch in Gronau und Lingen. Aber wer will das?

UAA Gronau bleibt (wohl leider erst mal) Foto: dpa

Bochum taz | Mit Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftkraftwerke 2022 darf die Bundesregierung auch die Produktion von Atombrennstoff beenden. Das ist das Ergebnis von zwei Rechtsgutachten im Auftrag von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Ein Aus für Deutschlands Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau und der Atom-Brennelementefabrik in Lingen sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungskonform“, so Jurist Wolfgang Ewer von der Uni Kiel. Mit internationalen Verträgen sei sogar eine „entschädigungslose Beendigung der Urananreicherung“ vereinbar, „soweit sie ein Risiko für Menschen und Umwelt darstellt“, analysiert Sabine Konrad, Partnerin der Kanzlei McDermott Will & Emery.

Aktuell verfügen die Atomfabriken an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen über unbefristete Betriebsgenehmigungen. Sie können rund 10 Prozent des weltweiten Bedarfs an Atombrennstoff decken und etwa 35 große AKWs vollständig versorgen.

Beliefert werden Risiko-Kraftwerke wie die Reaktoren im belgischen Doel und Tihange, in deren Druckbehältern Tausende Haarrisse entdeckt wurden. Auch die störanfälligen französischen Meiler Cattenom und Fessenheim laufen mit Uran aus Gronau und Lingen – und das könnte nach geltender Rechtslage noch Jahrzehnte so bleiben, auch wenn das letzte deutsche AKW längst abgeschaltet ist.

Atomkraftgegner fordern seit Jahren ein schnelles Ende der Brennstoffproduktion – schließlich sei die UAA nicht einmal gegen Flugzeugabstürze geschützt. Auch die Umweltministerkonferenz hat sich 2016 für die Stilllegung der Anlagen starkgemacht. Doch bei den Berliner Jamaika-Sondierungen war das bisher kein Thema. „Wir können uns ja noch nicht einmal beim Kohleausstieg einigen“, ist vonseiten der Grünen zu hören.

NRW sträubt sich

Bei Koalitionsverhandlungen aber dürfte über die Brennstoffproduktion gestritten werden – auch wenn selbst Grüne die Gutachten als vergiftetes Geschenk der scheidenden Umweltministerin betrachten: „Warum haben wir von Frau Hendricks in den letzten vier Jahren nichts gehört, geschweige denn konkreten Einsatz erlebt, die Anlagen zu schließen?“, ärgert sich nicht nur der energiepolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer.

In NRW haben die Sozialdemokraten bisher gewarnt, eine Stilllegung sei höchstens mit Entschädigungszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe machbar. Auch Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat klargemacht, das ein Aus für die UAA nicht auf seiner Agenda steht. Und aus dem FDP-geführten NRW-Wirtschaftsministerium heißt es nur, man begrüße „die Vorlage der Gutachten“ und werde „die Expertise sorgfältig auswerten“.

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1 Kommentar

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  • Wie wäre es den Menschen, die Kapitalerträge aus den Urananreicherungsanlagen zogen, anstatt den Entschädigungszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe die jeweiligen Betriebsgelände im Austausch mit ihren bisherigen Wohnsitzen anzubieten?