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Unterhaltung vs. Ideologie

Das Filmunternehmen Ufa konkurrierte 1917 mit Hollywood, bevor es NS-Propaganda produzierte. Die Deutsche Kinemathek zeigt eine Ausstellung

Während der Dreharbeiten zu „Asphalt“ aus dem Jahr 1929 unter der Regie von Joe May: Erich Pommer (mit hellem Hut), daneben Joe May Foto: Deutsche Kinemathek

Von Helmut Merker

Die „Oberste Heeresleitung“ verbindet mit der Gründung der Universum-Film AG (Ufa) am 18. Dezember 1917 große Hoffnungen. Sie wollte das Filmunternehmen als Propaganda-Instrument im Krieg nutzen. Aber unter den Gründungsmitgliedern setzt sich schnell der größte Geldgeber durch, die Deutsche Bank – und damit das geschäftliche, nicht das militärische Interesse. Ein Produktionsleiter der Ufa schreibt: „Ich bin in erster Linie auf den Absatz im Ausland angewiesen. Wenn daher ein Film im allergeringsten nach Propaganda für die Hohenzollern, Preußen oder für Deutschland stinkt, so bin ich erschlagen und können wir uns alle begraben lassen.“

Mit aufwendigen Werken wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“, „Die Nibelungen“ oder „Faust“ und Stars wie Emil Jannings, Pola Negri und Conrad Veidt wähnt sich die Ufa in direkter Konkurrenz zu Hollywood. „Metropolis“ treibt diesen Ehrgeiz auf die Spitze, die Bilanzen zugleich aber in den Keller. Dann tritt Alfred Hugenberg, erzkonservativer „Medienzar“, auf den Plan: Er führt ab 1927 den Konzern und saniert ihn. Ein Menetekel für die liberale Presse, die fürchtet, dass nun alles „in die Hände eines einseitig rechts betonten Politikers übergeht“.

Neue Untersuchungen belegen allerdings, dass nun keinesfalls nationalistische Töne angeschlagen werden; vielmehr wird die Ufa zum Motor für die Tonfilmtechnik und entwickelt eine Welle komödiantischer Filmoperetten, unter maßgeblicher Beteiligung jüdischer Künstler. Schon in den Titeln klingen Optimismus und Ohrwürmer an: „Liebeswalzer“, „Der Kongress tanzt“, „Zwei Herzen und ein Schlag“. Auch aktuelle Probleme wie Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot werden nicht ausgespart, wenngleich von Darstellern wie Lilian Harvey, Willy Fritsch, Heinz Rühmann oder Hans Albers zu einem glücklichen Ende gebracht.

Über einen der bedeutendsten Filme, „Der Blaue Engel“, schreibt der „Völkische Beobachter“: „Bewusst jüdische Zersetzung und Beschmutzung deutschen Wesens und deutscher Erziehungswerte ist hier am Werke, in dem sich jüdischer Zynismus selten gemein offenbart.“ Auch nach 1933 hält die Ufa vorerst an ihrer Linie fest. Große Star-Filme mit Zarah Leander („Zu neuen Ufern“, „La Habanera“) oder Reinhold Schünzels „Amphitryon“ mit seinen parodistischen Anspielungen auf den Führerkult der Nazis zeigen: Hugenberg geht es vorrangig ums Geschäft mit spannender Unterhaltung, weniger um ideologische Gesinnung. Einzig „Hitlerjunge Quex“ erfüllt so etwas wie ein nationalsozialistisches Parteiprogramm.

Auch der ausdrückliche Befehl des Propagandaministers Joseph Goebbels’ im März 1933, alle Juden zu entlassen, trifft bei der Ufa zunächst nur die Mitarbeiter in exponierter Stellung, also Regisseure, Produzenten, Schauspieler. Man lässt ihnen hohe Abfindungen zukommen und hilft einigen bei der beruflichen Weiterarbeit im Ausland. Die Ufa ist „sicher kein Hort des Widerstands, aber auch keine Außenstelle des Propagandaministeriums“, schreibt Friedemann Beyer in „Linientreu und populär – Das Ufa-Imperium 1933–1945“. Das Buch ist anlässlich der am Freitag beginnenden Sonderausstellung „Die Ufa – Geschichte einer Marke“ zum 100-jährigen Jubiläum des Film­unternehmens erschienen.

Der große Einschnitt kommt 1937, als die Ufa verstaatlicht wird. Das ist das Ende der Ära Hugenberg. Die letzten jüdischen Mitarbeiter verlassen die Firma. Goebbels besetzt die führenden Positionen neu, ab 1942 sind sie dem Reichsfilmintendanten untergeordnet. Neben reinen Hetz- und Propaganda-Filmen wie „Jud Süß“ oder „Kolberg“ sollen „romantische Liebeskomödien, gewürzt mit Musikeinlagen den Deutschen den Krieg schmackhaft machen“. Typisch werden Fliegerfilme wie „Wunschkonzert“, „Zwei in einer großen Stadt“ oder „Die große Liebe“. Ihre Stars: Carl Raddatz, Ilse Werner, Grete Weiser, Zarah Leander, Viktor Staal.

Ihr Leitmotiv ist das junge Paar, das sich durch die Kriegswirren verliert und wiederfindet. Der Kernspruch der Männer von der Luftwaffe lautet: „Wer fliegt hat mehr vom Leben und der nicht fliegt, lebt länger.“ Dieser Filme zeigen aber nicht nur verwegene erfolgreiche Männer, die gern halbnackt am Strand oder in Schwimmbädern liegen – im prüden Hollywood war das nicht möglich –, sondern auch „moderne“, sportlich selbstbewusste junge Frauen. Die Filme sollen weiterhin ebenso populär wie linientreu sein. Der ideologische Auftrag war es vor allem, eine heile Welt zu zeigen. Der Eskapismus wurde auch im Kriegs­alltag bedient.

Die Ufa – Geschichte einer Marke, Deutsche Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, 24. 11. 2017 bis 22. 4. 2018

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