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Urteil zu Hartz IV und WohnungskostenSchlechter wohnen

Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Klage einer Frau ab. Diese klagte auf die vollständige Übernahme ihrer Unterkunftskosten.

Wie teuer und wie groß darf eine Wohnung für Hartz-IV-Bezieher sein? Foto: dpa

Freiburg taz | Hartz IV-Empfänger haben keinen Anspruch auf unbegrenzte Übernahme von Wohnungskosten. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Die Regeln im Sozialgesetzbuch II genügten den Anforderungen des Grundgesetzes.

Hartz IV-Bezieher bekommen vom Jobcenter neben dem eigentlichen Regelbedarf in Höhe von derzeit 409 Euro auch ihre Unterkunftskosten ersetzt, soweit diese „angemessen“ sind. Sind die Kosten zu hoch, müssen sich die Betroffenen eine günstigere Wohnung suchen. Solange sie keine finden, bekommt er aber ihre tatsächlich anfallenden Wohnkosten ersetzt.

Geklagt hatte eine Frau aus Freiburg, die allein in einer Wohnung mit einer Fläche von 77 Quadratmetern wohnte. Im Jahr 2011 betrug ihre Gesamtmiete inklusive Heizung 706 Euro pro Monat. Das Jobcenter wollte aber nur 461 Euro als „angemessen“ erstatten. Im Laufe des Klageverfahrens wurde der Betrag noch um 50 Euro erhöht, einen Anspruch auf vollständige Kostenübernahme lehnten die Sozialgerichte jedoch ab.

Auch beim Bundesverfassungsgericht hatte die Frau keinen Erfolg. Das Grundgesetz gewährleiste nur ein ein menschenwürdiges Existenzminimum. Wenn die Rechtsprechung auf das „untere Preissegment“ im Wohnungsmarkt abstelle, sei dies nicht zu beanstanden.

Welche Kosten sind „angemessen“?

Daneben kritisierte die Frau auch, dass der Gesetzgeber nicht konkret definiert habe, welche Kosten der Unterkunft „angemessen“ seien. Auch das Sozialgericht Mainz hat in zwei Vorlagebeschlüssen bemängelt, dass das Gesetz nicht bestimmt genug sei.

Diese Kritik wies das Bundesverfassungsgericht ebenfalls ab und verwies auf die Vielfalt der Lebenssituationen. Für die Angemessenheit komme es nicht nur auf die konkrete Lage des Leistungsempfängers an, sondern auch auf die Verhältnisse am örtlichen Wohnungsmarkt und darauf, welche verlässlichen Informationen über Miethöhen verfügbar sind.

Gesetz und Rechtsprechung gäben genügend Anhaltspunkte, wie die angemessenen Kosten der Unterkunft zu ermitteln sind, betonten die Verfassungsrichter. So könnten die Bundesländer die Landkreise und kreisfreien Städte ermächtigen, die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung in einer Satzung näher zu bestimmen. Von dieser Möglichkeit haben bisher aber nur Schleswig-Holstein und Hessen Gebrauch gemacht. Wenn keine Satzung vorliegt, verlange das Bundessozialgericht, dass die Kommunen in einem „schlüssigen Konzept“ berechnen, was vor Ort „angemessen“ ist.

Wenn kein „schlüssiges Konzept“ vorliege, dann dürfe sich die Kommune auch an der staatlichen Wohngeldtabelle orientieren, die allerdings nicht die aktuellen Kosten wiedergibt.; wobei die Tabellenhöchstwerte um einen Sicherheitszuschlag von 10 Prozent zu erhöhen sind. Mehr Präzision könne nicht verlangt werden.

Az.: 1 BvR 617/14 und 1 BvL 2/15

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14 Kommentare

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  • 6G
    64457 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich wäre dem ja zuzustimmen, wenn das Problem der Machbarkeit nicht wäre. Das Urteil hat verheerende Auswirkung auf die Mobilitätsbereitschaft von Erwerbslosen: Zieht man für einen befristeten Job um, braucht man am Arbeitsort eine H4-sichere Wohnung, denn es ist ja nicht klar, ob man nach Ende des Jobs innerhalb eines Jahres was neues findet. Dann steht Umzug an, aber es gibt keine bezahlbare Wohnung. Also ist jede Jobannahme außerhalb des Wohnortes ein potenzielles Obdachlosigkeitsrisiko.

  • ...na da passt die Erkenntnis, dass immer mehr Menschen Wohnungslos sind doch wie die Faust auf's Auge der Hartz-IV Opfer....

  • Weltweit ist das Wohnungsproblem bekannt:

    Es ist eine große Umverteilung des Vermögens hin zu denen, die schon reich sind:

    http://www.resilience.org/stories/2017-11-14/its-time-to-call-the-housing-crisis-what-it-is/

  • Die diskriminierte Minderheit der Immobilienmillionäre:

    https://www.amazon.de/Reich-werden-Immobilien-Rainer-Zitelmann/dp/3809214485

    http://www.zitelmanns-finanzkolumnen.de/paradise-papersgeneralverdacht-gegen-reiche-auf-einmal-ok/

     

    Ausbeutung, das Abschöpfen des Mehrwerts, findet zu einem Teil über die Mieten statt. Ob diese nun direkt von Lohnabhängigen gezahlt werden, oder vom Staat aus Steuergeldern.

  • Irgendwo muss man eine Grenze setzen und das ist bei dem zustehenden Wohnraum erforderlich, da mit Kosten. Ausnahmen bestätigen aber die Regel. Sollte die Miete unter einer Vergleichsmiete angemessener Größe liegen oder keine andere Sozialwohnung in der Umgebung angeboten werden können, dann sollten die Kosten eben übernommen werden.

     

    Nun haben wir aber leider aktuell das Problem, dass es Sozialwohnungen in angemessener Zahl nicht gibt und die Wenigen auch noch an Migranten vergeben werden. Es kann nicht sein, dass Illegale (Jemand der über ein Drittland eingereist ist und kein positiven Asylbescheid hat) eine Wohnung bekommt, aber ein Bürger hinten anstehen muss.

    • @haraldarc:

      Was bitte sollen "die Ausländer" jetzt schon wieder damit zu tun haben? Das Problem ist nicht, dass es keine Wohnung gibt, sondern dass sie trotz Arbeitslosigkeit in einem 77qm Palast wohnen will und ich (41qm, Vollzeit) soll ihr diesen Luxus bezahlen. Geht's noch?

      • @Franz Georg:

        ja, das sollst du, denn du hast wohl den sinn nicht ganz verstanden!

        dann gib der armen frau doch eine andere wohnung, wenn du ihr diese 70qm, nicht bezahlen willst und genau da ist doch der hund begraben, dass es eben in dieser gegend, denn ich lebe auch dort, KEINE WOHNUNGEN GIBT, weil ganz deutschland hier runter, in´s dreiländereck und an die schweizer grenze, ziehen will, wegen arbeit in der schweiz..

        es gibt kaum wohnungsbesichtigungstermine, die man nicht " massenabfertigung, im schichtdienst ", nennen könnte und die immobilienmakler sind derart verwöhnt, von zuschriften und nachfragen, aus dem gesamten bundesgebiet, dass sie nicht mal auf mails, oder briefe antworten.

        ich hatte kürzlich 6 monate lang inseriert und nicht 1 angebot bekommen. jede woche, ein sparangebot, unserer hisigen zeitung, von 9€, die immer vom konto abgebucht wurden, aber vergebens.

        natürlich trifft es derart extrem, für andere gegenden deutschlands, nicht zu und aktuell habe ich morgen, nach über 1 jahr, internet-inseraten, die erste resonanz, ebenfalls mit einer 70qm wohnung, nachdem ich derzeit, in der notwohnung, der stadt rheinfelden untergebracht bin und wenn´s nach dir ginge und deinen hass, auf sozialhilfeempfänger, dann gute nacht... :( ich würde dir empfehlen, deinen frust, da unterzubringen, wo er hingehört und nicht die zunehmende artmut, in deutschland noch mit füssen zu treten :(

      • @Franz Georg:

        DAS ist der Punkt

  • Der Rechtsweg in Deutschland ist nun ausgeschöpft. Die Dame sollte auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem EU Gericht klagen.

     

    Ja, es ist unsicher, ob man gewinnt. Ja, es ist mit Kosten verbunden.

     

    Der Weg, den man bestreitet, ist ein wichtiger Weg für dieses Land. Man kämpft für das eigene Wohl und für die Menschen, die selbst auch betroffen sind.

     

    Selbst wenn man verliert, wie bei diesem Fall vor dem Bundesverfassungsgericht, dann darf man sich nicht hängen lassen. Man hat trotzdem eine Wirkung erreicht, durch die öffentliche Wahrnehmung dieser Angelegenheit.

     

    Der Kampf für die Gerechtigkeit kann schwer und schmerzhaft sein. Aber ohne Schwierigkeiten wäre unser Leben doch gar nicht so interessant, nicht?

     

    Warum hat die Frau trotzdem Recht?

     

    Sie will ihre Wohnung, ihr Lebensumfeld aufrecht erhalten.

     

    Panama und sonstige Papers sind nur Peanuts! Das was wirklich abgeht, auch in sehr vielen Unternehmen unseres Landes; die Dimensionen sind einfach unvorstellbar! Nur sehr wenige Menschen gelangen an solche Informationen. Einzelne Menschen werden bestraft. HARTZ IV Empfänger werden als Sündenböcke dargestellt. Aber das was unser Land wirklich kaputt macht, geschieht in sehr vielen Unternehmen!

    • @Stefan Mustermann:

      Das Problem liegt im Gesetz, nicht beim BVerfG. Hätte das BVerfG zugunsten der Klägerin entschieden, hätte es gleichzeitig die Mietsteigerung beschleunigt und damit noch mehr Menschen zu Aufstockern gemacht.

       

      Ein erheblicher Teil der Unterkunftskosten kommt allein den Vermieterinnen zugute. Sie sind die großen Hartz-IV-Bezieher der Nation. Ohne diese Transferleistung über die Leistungsempfänger als Katalysator könnten die heutigen Mieten nicht abgerufen werden. Das Mietniveau würde sinken.

       

      Beratungshilfe beim Anwalt wird wirtschaftlich allein vom Anwalt getragen. Prozesskostenhilfe wird zumindest überwiegend von der Anwaltschaft getragen. Es werden also Private für die Erbringung von Sozialleistungen herangezogen. Weshalb nicht dasselbe Modell bei Vermieterinnen ab x Wohneinheiten einführen?

      • @teh:

        Durch die Mieten wird auch unheimlich viel Geld aus den ärmeren Gegenden abgezogen. Viele Wohnungen hier (Sachsen) gehören Hamburgern und Münchnern. Das Geld fließt also nur so aus Sachsen heraus. Im Grund bezuschusst unsere Stadt die wohlhabenden Hamburger.

  • In Freiburg liegt der Mietpreis für derartige Wohnunge bei gut 10€ pro Quadratmeter. Bei solchen Preisen können sich auch Menschen die vollzeit arbeiten oftmals keine 77m² leisten und es kann nicht angehen das Leistungsbezieher besser leben als diejenigen die für sie aufkommen.

  • "Geklagt hatte eine Frau aus Freiburg, die allein in einer Wohnung mit einer Fläche von 77 Quadratmetern wohnte."

     

    Ich wohne in einer 2-er WG mit 65qm. Vor meiner Trennung habe ich mit Frau und Kind in einer 70qm Wohnung zusammen gelebt. 77qm für eine einzelne Person sind purer Luxus und eine kleine Familie mit Kindern sollte da auf jeden Fall bevorzugt werden.

  • Ein überzeugendes Urteil. Die Erwartung, dass die Kosten einer allein bewohnten 77 qm - Wohnung vom Geld anderer (= der Steuerzahler) finanziert werden, ist schon bemerkenswert. Gut, dass das BVerfG dem einen Riegel vorgeschoben hat.