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Kita mit militärischer UnterstützungSpielen in der Fregattengruppe

Die Bundeswehr setzt bei ihrer Attraktivitätsoffensive auf persönlichen Kontakt – und macht dabei auch vor Kindern keinen Halt

Der tut nix. Der will nur spielen. Foto: Elmschrat (wikimedia)

Die Soldaten strecken den Daumen in die Höhe. Ihre T-Shirts ziert die deutsche Flagge, sie lächeln in die Kamera. „Fregatte Hamburg zum Arbeitseinsatz in der Paten KiTa St. Pauli“, schreibt ein Marinesoldat unter das Foto. Und weiter: „Solche Patenschaften sind wertvoll, gerade nach den Unruhen des G20 Treffens. Unsere Abwechslung war nötig und tat allen gut!“

Seit zwölf Jahren gibt es eine Patenschaft der Fregatte Hamburg für die evangelischen Kita St. Pauli-Nord. Von Eltern und Träger weitgehend ignoriert, nutzt die Bundeswehr diese Kooperation seit Jahren als Werbefläche für ihre Attraktivitätsoffensive – getarnt als soziales Engagement im Kindergarten. Ein Teil der Elternschaft der Hamburger Kita wünscht sich eine reflektierte Auseinandersetzung mit der Patenschaft, die Kitaleitung hingegen schweigt zum Thema.

Mindestens einmal jährlich kommen Offiziere in die Kita – in ihrer Freizeit aber auch in ihrer regulären Arbeitszeit. Sie erledigen handwerkliche Aufgaben im Auftrag der Kitaleiterin, schreibt ein Sprecher des Marinekommandos. Auf Nachfrage der taz bestätigt die Marine auch „kleinere Geschenke“, welche die Kinder erhalten – bezahlt aus privaten Spenden der SoldatInnen. Geschenke seien unter anderem Mützen, Halstücher und Handtücher, versehen mit dem Fregatten-Logo.

Einige der „Geschenke“ liegen der taz vor. Ein besonderes Stück ist ein dunkelblauer Pullover. Auf dem Rücken ist unter den Namen der Kita ein Bild der Fregatte gedruckt. „In keinem anderen Bereich würde jemand auf die Idee kommen, Kindern so etwas zu schenken“, sagt Renke Brahms, Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche und Mitglied im Beirat der evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr. „Die Bundeswehr hat Interesse daran, den Soldaten-Beruf als einen normalen Beruf darzustellen. Das ist er aber nicht. Im Zweifel müssen Soldaten die Waffe gegen andere Menschen erheben.“ Dass die Kinder hier schon für einen späteren Militärdienst angeworben werden sollen, glaubt er aber nicht. Vielmehr gehe es der Bundeswehr um eine Attraktivitätssteigerung auf lokaler Ebene.

Auch der Friedensforscher Thomas Mickan glaubt an eine Werbeabsicht hinter der der Patenschaft: „Adressaten solcher Aktionen sind natürlich auch die Eltern und die ganze Familie“, sagt er.

Geregelt sind die Patenschaften durch eine interne Dienstvorschrift der Bundeswehr. Darin heiße es, sie stünden „für ein von Vertrauen und Verständnis bestimmtes Verhältnis der Bevölkerung zur Bundeswehr. Dabei ist der unmittelbare und persönliche Kontakt ein entscheidender Faktor“, so der Marinesprecher.

Der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Hamburg-Ost, an den die Kita in St. Pauli angebunden ist, sieht solche Patenschaften durchaus kritisch: „Weil sie aus der Perspektive der Bundeswehr nicht uneigennützig sind“. Dennoch tut sie nichts dagegen. Die Kita-Leitungen müssen beim Träger nur einmal das Einverständnis einholen. In St. Pauli-Nord war das vor zwölf Jahren, Evaluierungen oder regelmäßigen Austausch zu dem Thema gebe es nicht, auf lokaler Ebene kann jeder wurschteln, wie er will.

„Mir ist wichtig, dass kritische Sichtweisen erlaubt sind“, sagt die Mutter. Sie sei keine Bundeswehrgegnerin, bemängelt jedoch den unkritisch hingenommenen Lobbyismus in der Kita. „Den Kindern soll keine friedliche, heile Soldatenwelt vorgespielt werden“. Immerhin sei die Fregatte Hamburg ein mit Waffen ausgestattetes Schiff, gewappnet für das militärische Gefecht. Ob und wie umfassend das Thema mit den Kindern bearbeitet wird, bleibt unklar. Die Kitaleiterin wollte sich bis heute nicht zu dem Thema äußern.

Was aber klar ist: Die Kinder aus St. Pauli haben besagtes Armeeschiff sogar besichtigt, wie der Marinesprecher bestätigte. „Eine klare Grenzüberschreitung“, sagt der Friedensbeauftragte Brahms. Man könne aber durchaus über Patenschaften nachdenken, beispielsweise wenn ein Kind SoldatInnen als Eltern hat. Dies sei allerdings eine pädagogische Herausforderung. Voraussetzung müsse ein Konzept unter friedensethischen Fragestellungen sein, das kontinuierlich überprüft würde.

Paul Frey, Geschäftsführer der Kita Koppelkinder in St. Georg, sieht das anders. Wenn überhaupt Kooperation, müsste es zumindest eine realistische Darstellung des SoldatInnen-Berufs geben. Diese sei für Kinder im Kitaalter. Frey bezweifelt, dass eine objektive Darstellung der Bundeswehr überhaupt möglich ist. „Schauen Sie sich doch die aktuellen Werbekampagnen der Bundeswehr an. Sie vermitteln ausschließlich Abenteuer und Kameradschaft“, sagt er.

Kritik an der Bundeswehr für offensive Werbekampagnen und Vorträgen von SoldatInnen an Schulen ist nicht neu. Dass sich die Bundeswehr auch in großem Umfang in Kinder- und Jugendeinrichtungen engagiert, hat eine kleine Anfrage der Linken erstmals Anfang 2016 offenbart. Im Gegensatz zu den offiziellen Kampagnen, sind diese lokalen Engagements nicht durch das Verteidigungsministerium initiiert. Wie das ungeklärt diese Fragen in der Praxis sind, zeigt die Kita in St. Pauli-Nord.

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5 Kommentare

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  • Bei der Arbeit mit Kindern sollte eine Eignung festgestellt werden, wie das auch im Ehrenamt üblich ist. Auch ist eine pädagogische Betreuung sicherlich notwendig. Aufklärung über den Beruf "Soldat" ist eine Gesellschaftliche und damit nicht nur bei den Eltern zu suchen. Wenn die Bundeswehr ehrenamtliche Arbeit leisten möchte ist das aus mehreren Perspektiven sinnvoll und wer da nur den bösen Mörder sieht vergisst dabei das wir alle als Bürger in unseren Land in mehreren Rollen agieren müssen. Emotional zu diskutieren ist meiner Meinung nach unwissenschaftlich. Symbole haben eine Funktion, sie dienen der Vereinfachung komplexer Zusammenhänge. Fregatten auf Handtücher etc. die den Kindern überlassen werden sind deshalb meiner Meinung nach völlig deplaziert. Ich bin auch für eine Abschaffung von Uniformen im Inland ausserhalb eines militärischen Einsatzes, der das Tragen von Uniformen rechtfertigt und auch gegen Uniformen bei der Arbeit mit Kindern. Symbolgetränkte Geschenke misfallen mir persönlich, eine Gefahr geht davon allerding nur aus wenn es sich um angewiesene Werbung handelt und gleichzeitig ein versagen auf erzieherischer Seite vorliegt. Da von ausgrenzung betroffene Menschen allerdings eine geringere Resilienz besitzen, sind diese anfälliger gegenüber werbung, weshalb in manchen Arbeitsbereichen begründet werden kann auf Symboliken zu verzichten.

  • Wenn ich mir so einen Quatsch durchlese, frage ich mich ob wir als Soldaten wirklich "Staatsbürger in Uniform sind" nur weil wir im Ernstfall den Arsch für unser Land hinhalten dürfen, dürfen wir keine Freunde oder Patenschaften haben oder was soll dieser Artikel bewirken? Auf der Mecklenburg Vorpommern haben wir vor Jahren auch die DMSG übers Schiff gerollt dafür haben wir Rampen Gebaut damit die Rollstühle über die Süllkanten geschoben werden konnten. Waren das auch Werbemaßnahmen für neue Rekruten? Die Bundeswehr versucht wie jeder andere Arbeitgeber Personal zu werben das ist logisch und unbedingt Notwendig, aber den Soldaten der Fregatte Hamburg zu unterstellen das hier Werbung hinter den Besuch des Schiffes steckt geht zu weit! Diese gegenseitigen Besuche haben mit dem Hintergrund des besseren kennenlernens stattgefunden! Es ist sehr wichtig in der Bevölkerung ein positiven Rückenhalt zu wissen und es schadet sicherlich nicht wenn die nächsten Generationen wissen das Soldaten nicht nur "Mörder" sind oder "Bestien" welche den "Krieg" lieben oder so einen Quatsch! Auch wir haben Familien und auch Kinder und wir wollten den Kindern nur eine Freude machen! Dafür brauchen wir auch keine oberste Führung, wir können auch ohne Befehl freundlich sein! Schade das immer alles in den Dreck gezogen werden muß!

    Ich hoffe das diese Patenschaft nicht durch solch dumme Äußerungen zerstört wird!

  • Marthe Ruddat kann es wahrscheinlich auf Grund ihres offensichtlich noch sehr jugendlichen Alters einfach nicht wissen, aber die von ihr verteufelten Patenschaften gibt es seit vielen Jahrzehnten - und haben wahrlich nichts mit aktuellen Werbeoffensiven für mehr "Nachwuchs" zu tun. Es wäre auch schwierig, beides miteinander zu verknüpfen, geht die Betreuung von Paten eben nicht "von oben" aus, sondern von den verschiedenen Besatzungen, Einheiten und Dienststellen. Was das bringt? Zum Beispiel in 40 Jahren mehr als 700.000 Euro für wohltätige Zwecke in Flensburg allein durch Erbsensuppenverkauf und viele schöne Stunden für die Kinder der Matthias-Leithoff-Schule in Lübeck durch Besatzungsangehörige der Fregatten mit dem Namen "Lübeck" - ebenfalls seit 40 Jahren. Und das, um dort Nachwuchs zu werben? Wohl kaum. Die Leithoff-Schule mit ihrer fantastischen Arbeit kümmert sich um Kinder mit Handicaps oder chronischen Krankheiten. Nur mal als Beispiele für Patenschaften, die gar nicht so weit weg sind von Hamburg. Hätte man wissen können als Autorin, erst recht als friedensbewegter evangelischer Beauftragter. Ist nicht mal schwierig zu recherchieren; es steht sogar in seriösen Quellen "im Netz" ...

  • Aus dem Artikel spricht ein hohes Maß an und Kenntnis Bezug auf die Bedeutung und den Charakter dieser Patenschaften. In ihnen kommt eine gewachsene und vertrauensvolle Verbindung der Schiffe und Boote zu ihren Patengemeinden oder Part and Städten zum Ausdruck. In nahezu allen Fällen wird dies auch mit einem gemeinnützigen Engagement für Kinderheime oder wie in diesem Fall Kindergärten verbunden. Hier eine Werber Absicht zu unterstellen ist, wenn man einmal bei einem solchen Besuch dabei war, schlicht lächerlich. Darüber nous ist die Bundeswehr ein Teil der Deutschen Gesellschaft und Eine Kooperation mit der Bundeswehr als kritisch zu betrachten ist eben so widersinnig wie eine Kooperation mit einer Feuerwehr oder dem Roten Kreuz als gefährlich zu betrachten.

  • Was soll denn die Aufregung?

    Soldaten sind wie Polizisten, Feuerwehrmenschen und Pflegepersonal. Sie machen eine Job von dem die meisten anderen sagen: "DAS könnt ich nicht." Sie machen schlicht die "Scheiße" weg, die die Folge von gesellschaftlichen Entwicklungen und Problemen ist. Natürlich muss man gewisse Einsätze der BW kritisch sehen, aber ich finde die negativen Seiten des Soldatentums müssen Eltern ihren Kindern näher bringen.