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Lafontaine, die Linke und FlüchtlingeWarnung vor dem „Rechtskurs“

Prominente Linke widersprechen Lafontaines Kritik an der Flüchtlingspolitik. Der Kampf für Gerechtigkeit dürfe nicht gegen Arme geführt werden, sagt Gregor Gysi.

Das wäre „nicht mehr meine Partei“: Gregor Gysi widerspricht Lafontaine Foto: dpa

Berlin dpa | Wenige Tage nach der Bundestagswahl ist bei den Linken Streit über den künftigen Kurs vor allem in der Flüchtlingspolitik ausgebrochen. Parteichefin Katja Kipping wies Kritik des früheren Vorsitzenden Oskar Lafontaine zurück. „Wer in der Flüchtlingsfrage auf Rechtskurs geht, riskiert die Glaubwürdigkeit der Linken“, sagte Kipping

Lafontaine, der Mann von Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht, hatte auf Facebook das Abschneiden der Linken bei Arbeitslosen und Arbeitern bei der Bundestagswahl als enttäuschend bewertet. Ein Schlüssel sei die „verfehlte“ Flüchtlingspolitik der Linken sowie der anderen bisher im Bundestag vertretenen Parteien. „Eine linke Partei darf bei der Hilfe für Menschen in Not das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit nicht außer Kraft setzen“, so Lafontaine.

Nach Lafontaines Wortmeldung mahnte Kipping: „Es wäre verheerend, wenn die Linke in der Flüchtlingspolitik versuchen würde, die CSU des Ostens zu werden.“ Die Parteichefin betonte: „Wir verteidigen das Recht auf Asyl, brauchen einen nachhaltigen Kampf gegen die Fluchtursachen und wollen eine soziale Offensive, die allen zugutekommt, Einheimischen wie Geflüchteten.“

In einem Gastbeitrag für das Neue Deutschland antwortete auch Gregor Gysi, der frühere Partei-und Fraktionschef der Linksparte: “wenn man mehr soziale Gerechtigkeit will, darf man nicht gegen andere Arme, sondern muss man gegen ungerechtfertigten Reichtum kämpfen.“ Ein Kurswechsel würde „auch unser Ende als linke Partei“ bedeuten, so Gysi. „Beschlösse eine Mehrheit der Partei, was ich mir nicht vorstellen will und kann, eine solche Änderung ihrer Politik in der Flüchtlingsfrage, wäre es auf jeden Fall nicht mehr meine.“

Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich die Linke personell neu aufstellt. Erwartet wird, dass Wagenknecht und Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch bei einer Fraktionsklausur am 17. und 18. Oktober in Potsdam erneut an die Spitze der Abgeordneten gewählt werden. Ein Vorschlag für die Spitzenfunktionen kommt von der Parteispitze.

Zuletzt hatten Gerüchte die Runde gemacht, Kipping wolle selbst an die Fraktionsspitze. Die Parteichefin wies dies aber bereits zurück. Die Linke hatte bei der Wahl ihr Ergebnis um 0,6 Punkte auf 9,2 Prozent verbessert, nimmt als einstige Oppositionsführerin nun aber hinter SPD und AfD den dritten Platz in der Opposition ein.

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10 Kommentare

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  • "Der Kampf für Gerechtigkeit dürfe nicht gegen Arme geführt werden"

     

    Genau! Er soll bitte schön gegen die Leistungsträger der Gesellschaft geführt werden.

    • @IL WU:

      Nein, Sie sehen das falsch.

       

      Das Wohl von Arbeitslosen Menschen ist vom Wohl von Arbeitern unabhängig und dasselbe umgekehrt. Die Würde jedes Menschen in unserem Land ist unantastbar.

       

      Z.B. die AfD sieht das ganz anders.

  • Frau Kipping hat nichts verstanden. Die Regierung hat z.B die Krankenversicherung der Flüchtlinge einseitig auf die GKV abgeschoben ohne für einen Ausgleich zu sorgen. Damit zahlen nur die Versicherten der GKV bis zur Bemessungsgrenze. Das Gesetz der Sozialen Gerechtigkeit besagt, dass Gemeinschaftsaufgaben auch von allen Bevölkerungsteilen gemäß Leistungsfähigkeit erfolgt. Bei der jetzigen Regelung verdienen sich z.B. Vermieter und Sicherheitsdienste eine goldene Nase an der Flüchtlingen, halten sich aber beim Tragen der Lasten heraus.

     

    Was ist falsch an der Kritik dieser Zuständen, für die die Flüchtlinge nichts können, sondern nur die unfähige Regierung.

    • @Martin_25:

      Um H-IV-Sanktionen zu kippen braucht braucht DIE LINKE die Unterstützung von SPD (vorausgesetzt, die geht in die Opposition) um eine Verfassungsklage (Normenkontrolle) durchzusetzen.

       

      Es ist eine ungeprüfte Information, aber beim Bundesverfassungsgericht müsste eine Verfassungsbeschwerde von einer Privatperson (wohl gegen Kürzung des Existenzminimums beim HARTZ IV) postalisch eingegangen sein.

    • @Martin_25:

      Was für einen Ausgleich soll es bitte geben???

       

      Gesetzliche Krankenversicherung erzielte Milliardengewinn

      17.03.2017 -

      (verpd) Das System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat im vergangenen Jahr dank eines moderaten Kostenanstiegs und aufgrund einer steigenden Versichertenzahl einen Überschuss von rund 1,38 Milliarden Euro erzielt. Die Finanzreserven der Krankenkassen summierten sich dadurch auf 15,9 Milliarden Euro, wie das Bundesministerium für Gesundheit jüngst mitteilte. Einschließlich der im Gesundheitsfonds liegenden Reserven stiegen die Rücklagen auf zusammen 25 Milliarden Euro.

      https://www.geldtipps.de/geldanlage/vermoegensplanung-anlagestrategie/gesetzliche-krankenversicherung-erzielte-milliardengewinn

      • 8G
        82732 (Profil gelöscht)
        @Stefan Mustermann:

        Das ist ja nun eine Milchpersonenrechnung ...

         

        Wenn die GKV Überschüsse erzielt, weil die Beiträge der Versicherten nicht ganz verbraucht wurden, ist das ein Ding.

         

        Wenn der Staat -welche Beitragssätze zahlt der Staat je Migranten?- zusätzliche Versicherte in die GKV hängt,

        dann ist die Frage ob er -der Staat- für kostendeckende Beiträge sorgt bzw. die zahlt.

         

        Sind die Beiträge nicht im Schnitt kostendeckend, dann sponsern die übtigen GKV-Versicherten die Migranten.

        Und PKV-Versicherte ... zB Beamte ... tun das nicht.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @Martin_25:

      Ich gebe Ihnen schon wieder meine volle Zustimmung!

      Das will aber keiner hören von den politisch Verantwortlichen und dem grünen Beamtentum. Schliesslich müssen sie nix dazu beitragen.

      Wagt jemand dies anzusprechen, folgt die rechte Keule.

      Ich komme immer mehr zu der Auffassung, diese Ungerechtigkeit ist politisch gewollt und wird noch massiv unterstützt.

      Soll damit die Angst vor der rechten Grütze geschürt werden in der irrigen Annahme, man hätte diese im Griff?

  • Gregor Gysi - die Frau Kepetry der Linken. Auch er möchte sich medial inszenieren, berauscht vom Wahlkreisergebnis.

    Sein ND-Gastbeitrag geht etwa so: "Oskar und ich [...] Sahra und ich [...] Dietmar und ich".

    Gysi, die Ich-Maschine.

  • Es freut mich, dass Lafontaine und Gysi für die gleiche Sache einstehen.

     

    Die Hysterie, mit der die Äußerungen Lafontaines als gegen die Flüchtlinge gerichtet interpretiert werden, ist einfach nur kindisch.

     

    Wer nach der Wahl immer noch nicht verstanden hat, dass Ressentiments aus schlechter Behandlung - H-IV-Sanktionen, Druck auf die Löhne, reale und gerechtfertigte Angst vor Abstieg in Leiharbeit und das Zwangsregime von H-IV, und der Enttäuschung, über die dem gegenüberstehende bedingunglose Hilfbereitsschaft, die gut und wichtig ist (!), entstehen, der soll und darf sich nicht wundern, wenn die Rechte stärker wird.

     

    Das war für mich vor 2 Jahren klar und es ist frustrierend, recht gehabt zu haben.

  • Finds auch total cool, dass die Grünen in Fraktion, Vorstand und Bundesrat die Abschiebungen in den Krieg in Afghanistan stoppen und beenden.