piwik no script img

Linkspartei nach der WahlSehnsucht nach dem Osten

Wie populistisch soll's denn sein? Der Richtungsstreit, wie WählerInnen erreicht werden können, wird die Partei weiter begleiten.

Die beiden linken Führungsduos suchen den Ausgleich Foto: dpa

Berlin taz | Es sind oft kleine Dinge, die große Veränderungen anzeigen. Bei der Linkspartei war es in der Wahlnacht nicht nur die Tatsache, dass es ein funktionierendes WLAN-Netz gab. Es waren auch die vielen jungen Leute, die zur Wahlparty kamen, fast verschwunden waren dagegen die Männer und Frauen mit Schiebermütze und Dederonbeutel. Die Linkspartei verändert sich, das machte die Bundestagswahl noch einmal deutlich.

„Wir haben deutlich Mitglieder gewonnen“, sagt Spitzenkandidat Dietmar Bartsch der taz. „Das ist unsere Chance.“ Diejenigen, die sich über Jahre engagiert hätten, wolle man natürlich halten. „Aber Fakt ist auch: Eine Periode wird zu Ende gehen, und wir müssen den Neuaufbruch gestalten.“

Die Linkspartei kommt zehn Jahre nach ihrer Gründung langsam in die Pubertät. Mit 9,2 Prozent ist der Partei bei der Bundestagswahl kein überwältigendes, aber ein respektables Ergebnis gelungen. Absolut konnte sie sogar über eine halbe Million Stimmen dazugewinnen.

Und diese Zugewinne verdankt sie dem Westen. Hier wächst die Partei auf 7,2 Prozent und schafft es in allen Bundesländern über die Fünfprozenthürde. Vor allem von der SPD kann die Linkspartei Wähler ziehen – rund 430.000 sind es im Saldo. Im Gegenzug wandern rund 400.000 Wähler von der Linken zu den Rechten – jeder zehnte ehemalige Linken-Wähler wählte am Sonntag die AfD. Relativ gesehen verliert die Linke damit am stärksten von allen Parteien an die AfD.

Fokus auf ländlichen Raum

Das wird besonders deutlich im Osten. Hier wird die Linkspartei überall von der AfD auf den dritten Platz verwiesen. Die Wahl in den einstigen Hochburgen wird zur Zitterpartie, darüber kann auch der Gewinn eines fünften Direktmandats in Leipzig nicht hinwegtäuschen.

Die Analyse des Ostens beginnt schon vor der Verkündung des offiziellen Wahlergebnisses. „Wir regieren in drei Ländern, übernehmen Verantwortung. Das mit der klaren Oppositionshaltung im Bund zu vereinbaren, ist schwierig“, meint Bartsch in der Wahlnacht zur taz. Am Tag danach sagt der Fraktionschef in der Bundespressekonferenz, dass man in Ostdeutschland nachjustieren müsse, der ländliche Raum wieder stärker in den Fokus gehöre.

Relativ gesehen verliert die Linke von allen Parteien am stärksten an die AfD

Sein Stellvertreter Jan Korte, der über die Landesliste Sachsen-Anhalts erneut in den Bundestag kommt, verlangt von seiner Partei eine Gesamtanstrengung. Man müsse sich wieder richtig um den Osten kümmern. „Wir müssen die Linke auf dem Lande und in den kleinen Städten wieder erlebbar machen. Dann schreiben wir eben einen Antrag weniger und sind stattdessen mit der Hüpfburg vor Ort“, sagt Korte der taz. Im Wahlkampf musste er zur Kenntnis nehmen, dass die AfD im Wahlkampf an jeder Ecke stand und ihre Plakate überall hingen. Die gesellschaftliche Verankerung der Linkspartei schwinde dagegen – mangels Personal.

Wagenknecht polarisiert

Bartschs Ko-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht bietet dagegen eine andere Antwort an. Wegen ihrer Äußerungen in der Flüchtlingsfrage war sie parteiintern scharf zurechtgewiesen worden, im Wahlkampf hatte sie das Thema tapfer vermieden. Doch noch in der Wahlnacht kommt sie erneut darauf zu sprechen. Vielleicht habe es sich ihre Partei in der Flüchtlingsfrage zu einfach gemacht und dieses Feld der AfD überlassen, sagt sie.

Hat es sich die Linke mit ihrer Forderung nach grenzenloser Solidarität zu einfach gemacht? Die beiden Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger halten dagegen: „Es wäre ein Fehler, Positionen über Bord zu werfen“, sagt Riexinger am Montag in der Bundespressekonferenz. Plötzlich ist da eine atmosphärische Verschiebung im Raum – das Führungsquartett der Linken teilt sich: auf der einen Seite die Doppelspitze und Bartsch, auf der anderen Seite Wagenknecht.

Der Parteivorstand wird später die Position der beiden Vorsitzenden erneut bestätigen. Außerdem wird der Beschluss des Vorstands zum Umgang mit der AfD ohne Gegenstimme bekräftigt: Das Ziel ist die politische Isolation. In der Fraktion, die wohl weiterhin Bartsch und Wagenknecht gemeinsam führen werden, wird sich das politische Gewicht verschieben, da die ostdeutschen Landesverbände schwächer als bisher vertreten sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • "Wie populistisch soll's denn sein? "

     

    So populistisch wie irgend möglich. Ausgangs- und Angelpunkt ist jeweils das Volk, "Demos" auf Griechisch, "populus" auf Lateinisch. Sowas nennt sich dann Demokratie.

  • Ja alles was links ist wurde in der BTW abgewählt.

    Darfs noch ein bisschen mehr dissen sein, die taz folgt den Grünen zur CDU?

  • 3G
    38071 (Profil gelöscht)

    Wir regieren in drei Ländern...

     

    und genau dort ist dann auch von linker Politik nie etwas tzu sehen. In den Kommunen sieht es ähnlich aus. Die Linke hat die ausserparlamentarische Arbeit nahezu komplett eingestellt... und warum? Weil überall nur nooch apparatschiks am Ruder sind.

  • Was bitte schön soll denn der Untertitel:

     

    "Wie populistisch soll's denn sein? Der Richtungsstreit, wie WählerInnen erreicht werden können, wird die Partei weiter begleiten."

     

    Falls es schon Populismus ist, sich zu fragen, wie man Wähler erreichen kann, dann ist JEDE Partei populistisch. Ich glaube, der Begriff Populismus wird nicht an einer objektiven Sache festgemacht, sondern daran, ob der/die jeweilige Journalist*in die Partei gerade mag oder nicht.

    • @Jalella:

      Das sehe ich genau so. Dieser Begriff wird inflationär verwendet. Populist ist dabei immer der, dessen Meinung man nicht teilt. Im übrigen wird über Sahra Wagenknecht in der taz meiner Meinung nach seit Jahren nicht objektiv berichtet.

      • 3G
        38071 (Profil gelöscht)
        @Nikolai Nikitin:

        Da unterscheidet sich die TAZ nicht vom Neuen Deutschland. Das abgebliche Parteiorgan der Linken feuert seit 2 Jahren aus allen Rohren gegen Wagenknecht und ich halte jede wette, dass Höhn, der nun auch im Bundestag sitzt, bald zum Angriff blasen wird.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Sehr geehrte Frau Lehman,

    genau diese Äußerung von Ihnen:

    "Wie populistisch soll's denn sein? "

    zeigt, dass immer noch nichts verstanden wurde. Wenn wir die Probleme der Flüchtlingskrise weiterhin verschweigen droht der AfD ein weiterer enormer Zuwachs.

    Was Sie auch über Sarah Wagenknecht schreiben, ist diffamierend und naiv.

    Es wird Zeit endlich darüber zu reden. Viel zu lange wurde das nicht getan.

    Das Ergebnis war zu sehen und wird uns braundumpfbackmäßig weiterhin begleiten.

    DAS MÖCHTE ICH NICHT. Deshalb ist es Zeit das Thema auf den Tisch zu bringen und nach Lösungen zu suchen.

    BITTE, macht das endlich!

    • @39167 (Profil gelöscht):

      Liebe Gabriela!

      Ich kann Ihnen nur Recht geben. Es macht keinen Sinn, ist sogar sehr kontraproduktiv und verantwortungslos weiterhin den Kopf in den Sand zu stecken und zu ignorieren dass die Aufnahme von so vielen Flüchtlingen auch soziale und interkulturelle Probleme mit sich bringt, welche der Lösung bedürfen.

      Selbstverständlich ist es ein Gebot der Menschlichkeit, Menschen die in akuter Not und/oder Lebensgefahr sind aufzunehmen und in Schutz zu nehmen. Nur bedarf dies auch einer strukturellen, logistischen, medizinischen und psychosozialen Unterfütterung.

      Traumatisierung durch Krieg, Flucht und Vertreibung geht an den Fliehenden nicht spurlos vorbei, sondern verändert und prägt Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen nicht immer zum Vorteil. Sowas vergeht nicht einfach wie ein Regenguss. Das sollten wir eigentlich in Deutschland von Seiten unserer Eltern-oder Großeltern-Generationen hautnah genug erfahren haben um das zu wissen.

      Es ist einfach ignorant und einfältig jedesmal die Populismus-Keule rauszuziehen, wenn jemand auf die sich im Alltag abspielenden psychosozialen Probleme versucht aufmerksam zu machen. Auf diese Weise kann man vielleicht seinen kleinbürgerlichen Elfenbeinturm verteidigen, aber hilfreich ist dies nur für die die in dieser abgehobenen Blase leben.