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Und was sagen die Parteien?

Positionen Das Thema der Wohnsitzwahl sorgt für Zoff zwischen Rot-Grün

Ein Flüchtlings-Ghetto in Niedersachsen, das will keiner. Trotzdem gehen die Meinungen beim Thema Wohnsitzauflage bei den Parteien weit auseinander. So weit, dass es sogar zum Krach innerhalb der rot-grünen Koalition kam – und das öffentlichkeitswirksam kurz vor der Wahl.

Die SPD zieht die Bremse

Es sei alles ausdiskutiert gewesen, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in der Pressekonferenz, in der er die negative Wohnsitzauflage verkündete. Er habe nun eine Entscheidung getroffen: Kein Asylbewerber, der noch Geld vom Staat erhält, soll mehr nach Salzgitter ziehen. Die Stadt, die auch unter hoher Arbeitslosigkeit leidet, wäre sonst überfordert. Auch für Delmenhorst und Wilhelmshaven wird die Auflage geprüft. Das Zuzugsverbot soll Ende 2018 evaluiert werden. Einer positiven Wohnsitzauflage, bei der Geflüchteten vorgeschrieben würde, wo sie leben müssen, stand die SPD bisher kritisch gegenüber. Er halte es „nicht unbedingt für zumutbar, Menschen, die aus dem Bürgerkrieg kommen, zu verweigern, zu ihrer Verwandtschaft zu ziehen“, sagte der SPD-Abgeordnete Bernd Lynack noch im Mai.

Grüne wollen Freiheit

Für die Grünen war das Thema mitnichten ausdiskutiert. Der Abgeordnete Belit Onay sagte offen, dass er sauer über das Vorgehen Weils war. „Dagegen haben wir als Grüne massiv protestiert.“ Eine Wohnsitzauflage hindere die Geflüchteten „an dem Zugang zu guter Bildung und Arbeit“, steht auch im Wahlprogramm. Geflüchtete sollen ihren Wohnort also selbst wählen dürfen. „Wenn bestimmte Menschen nicht in bestimmten Ortschaften leben dürfen, ist das stigmatisierend“, sagt Onay. Die Geflüchteten würden mit Problemen in Verbindung gebracht. „Das hinterlässt Spuren – in der Debatte und bei den Menschen.“

Die Linke macht sich Sorgen

Das Innenministerium habe mit der Wohnsitzauflage einen Präzedenzfall geschaffen, sagt die Spitzenkandidatin der Linken, Anja Stoeck. Sie befürchtet, dass in Zukunft auch andere Städte keine weiteren Geflüchteten mehr aufnehmen wollen. Zudem sei die Wohnsitzauflage eine Ungleichbehandlung von Menschen. „Keiner anderen Gruppe würde man verbieten, in eine bestimmte Stadt zu ziehen“, sagt Stoeck. Vielmehr sollte auch in anderen niedersächsischen Städten mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden.

Die CDU will noch mehr

Seit Monaten fordern die Christdemokraten eine Wohnsitzauflage für ganz Niedersachsen. „Die Flüchtlinge sammeln sich in großen Städten mit vorhandenen ‚Communities‘ an“, heißt es in einem Antrag. Das behindere das „Erlernen der Sprache und damit die Integration“. Eine Wohnsitzauflage sei daher „im Interesse der Flüchtlinge“.

Liberale geben lieber Geld

Der FDP-Spitzenkandidat in Niedersachen, Stefan Birkner, hält die negative Wohnsitzauflage für „das falsche Instrument“. Eine Flüchtlingsobergrenze für einzelne Kommunen drehe nicht den Zuzug der vergangenen Jahre zurück. „Die Integrationsherausforderung für Salzgitter bleibt gleich“, sagte Birkner. Hinzu komme, dass das Problem nur in andere Städte verlagert werde. Sinnvoller sei es, die Kommunen finanziell stärker zu unterstützen. „Sprachkurse sollten verstärkt durch die Arbeitsagenturen angeboten und Integrationskosten durch das Land finanziert werden.“ rea

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