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Besetzte VolksbühneDer Oranienplatz der Kultur

Der Senat ist sich angeblich einig, die Besetzung des landeseigenen Theaters zu beenden. Nicht ganz einig ist man sich aber offenbar, wie viel Druck man ausüben will.

Die landeseigene Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ist seit Freitag besetzt Foto: David Baltzer

Der Regierungschef und Exkultursenator war nicht nur not amused, sondern schaute zudem den aktuellen Kultursenator auffordernd an und drängte um Aufklärung in Sachen Volksbühne. So hieß es zumindest aus dem Kreis jener, die am Dienstag Michael Müller (SPD) und Klaus Lederer (Linkspartei) in der Senatssitzung erlebten. An deren Ende stand zwar die später vor die Presse getragene Zusicherung, die Besetzung müsse ein Ende haben. Über den Weg dahin und das Tempo dabei ist man sich aber offenbar uneins.

Vor die Journalisten traten nach der Kabinettssitzung dann aber weder Müller noch Lederer, sondern Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die – nachdem sie von millionenschwerer Wirtschaftsförderung berichtet hatte – auf Nachfrage verlautbarte: „Das Ziel haben wir alle, dass das ein Ende haben muss.“ Einen konkreten Termin mochte sie jedoch nicht nennen. Auf die Frage, ob die Volksbühne nun der Oranienplatz der Kultur werde – um die Räumung des über ein Jahr von Flüchtlingen besetzten Platzes zerbrach fast die damalige rot-schwarze Koalition –, sagte Pop: „Eine deeskalierende Lösung ist immer die bessere.“ Man setze auf „Deeskalation statt Konfrontation“, hieß es zuvor schon von der Kulturverwaltung.

Die Besetzung der Volksbühne hatte am Freitagabend begonnen, treibende Kraft ist eine Gruppe namens „Staub zu Glitzer“. Die Aktion richtet sich nach deren Angaben weniger gegen den neuen, schon vor Amtsantritt stark kritisierten Intendanten Chris Dercon, sondern gegen Gentrifizierung und die aktuelle Stadtentwicklungspolitik im Allgemeinen. Tenor: Jeder solle in der Volksbühne künstlerisch tätig sein können, von einer „kollektiven Intendanz“ ist die Rede. Lederer hatte mit wenig Verzug via Face­book daran erinnert, dass die Bühne von Steuergeldern lebt und die Intendanz demokratisch legitimiert sei. Wirtschaftssenatorin Pop verwies am Dienstag darauf, es gebe in der Stadt viele andere Dialogräume.

Unter den Besetzern sind angeblich auch diverse Studierende, die zu Jahresbeginn schon Räume an der Humboldt-Universität besetzten, aus Protest gegen die Entlassung des Stadtsoziologen mit Stasi-Vergangenheit, Andrej Holm. Anders als damals, als die Räume nach Abzug der Besetzer renovierungsbedürftig waren, mühen sich die Volksbühnen-Besetzer intensiv, Beschädigungen zu vermeiden. Ungeklärt bleibt am Dienstag, warum es keine Proben gibt, obwohl die Besetzer sie nach eigener Aussage nicht behindern wollen.

Vor Ort hieß es am Dienstagnachmittag von Besetzern, man habe eine Duldung bis zum 9. November erhalten – einen Tag später steht auf der Bühne das erste Stück von Intendant Dercon an. In der Senatsverwaltung für Kultur wusste man davon nichts. „Das ist absurd“, sagte Lederers Sprecher Daniel Bartsch, „wir sind im Gespräch, aber Daten haben dabei keine Rolle gespielt.“ Vielleicht ein Missverständnis, denn am späteren Nachmittag gibt die Pressestelle Dercons bekannt, Intendanz und Senat werden in einer weiteren Verhandlungsrunde den Besetzern das Angebot machen, den Grünen Salon und den Pavillon „für die Durchführung ihrer künstlerischen Angebote und zur Diskussion ihrer wichtigen stadtpolitischen Anliegen“ zu nutzen.

Dercon selbst hatte darauf gedrängt, dass die Politik „jetzt dringend ihrer Verantwortung nachkommt und handelt“. Wer mochte, konnte daraus ein Hin- und Herschieben der Verantwortung für eine Räumung durch die Polizei sehen – eine solche Aktion bindet sich weder ein linker Senator noch ein ohnehin schon weitgehend unbeliebter Kunstmanager ohne Not ans Bein. Für Robbin Juhnke, den kulturpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, ist die Sache immerhin klar: Lederer müsse „den Besetzer-Klamauk am Rosa-Luxemburg-Platz beenden“, die Volksbühne sei kein rechtsfreier Raum. Viel anders klang das am Oranienplatz auch nicht.

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