Homophobie im Sport: Sexuell verdruckste Zone
Fußball ist eine der letzten Bastionen der Hetero-Normativität: Sich outen ist für Profis fast unmöglich, „schwul“ gilt noch als Schimpfwort
Es kann also nicht die reine Prominenz sein, die das gesteigerte Interesse an der sexuellen Orientierung von Fußballprofis ausmacht. Was also prädestiniert den Fußball besonders dazu, zur Bühne von Geschlechtsrollenstereotypen zu werden – ob sie nun mit verschämter Neugier oder offenen Homophobie ausgelebt werden?
„Die Forschung hat sich bislang wenig mit Homosexualität und Homophobie im (Fußball-)Sport beschäftigt“, laute die Ausgangsdiagnose der Forschungsinitiative „Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie“, in der die Universität Vechta und die Magnus-Hirschfeld-Stiftung zusammenarbeiten, um in diesem Themenfeld verlässliche Erkenntnisse zu gewinnen.
Unbestritten in der öffentlichen Diskussion ist, dass Homophobie im Fußballumfeld nicht entsteht, sondern hier besondere Bedingungen für seine Aktivierung findet. Wer einmal als Schiedsrichter ein Jugendspiel geleitet hat und in die wutverzerrten Gesichter von Müttern und Vätern geguckt hat, mit denen man vor dem Spiel noch ganz zivilisiert gesprochen hat, hat eine Ahnung davon, wie viel Hass dieser Sport freisetzen kann. Ähnliche Beobachtungen lassen sich jedes Wochenende in den Stadionkurven machen: Menschen auf der Suche nach einem Zauberwort, dass das Gegenüber auf die erdenklich verletzendste Art erniedrigen könnte.
Dass dieses Wort im Fußball oft „schwul“ heißt, wird hauptsächlich damit begründet, dass im Fußball als Kampfsport das traditionelle Männlichkeitsbild besonders verankert ist. Homosexuelle verstoßen demnach gegen die Normen des Männlichen, das eindeutig heterosexuell konnotiert ist. Um nicht als homosexuell zu gelten, bemühen sich Fußballer demnach, so heterosexuell wie möglich aufzutreten – ob sie es sind oder nicht.
Heutige Fußballprofis nehmen reihenweise gelbe Karten in Kauf, um ihren athletischen Körper nach einem Torerfolg, trikotlos am Zaun hängend, den Fans entgegenzustrecken. Laut Corny Littmann, dem offen schwulen Ex-Präsidenten des FC St. Pauli, verhalten sich gerade homosexuelle Spieler aus der Angst heraus, enttarnt zu werden, besonders kämpferisch. „Wer wissen will, wer schwul ist, sollte auf die Spieler schauen, die die meisten Gelben Karten kriegen“, schrieb Littmann.
Die von Klaus Theweleit in seinem Buch „Tor zu Welt – Fußball als Realitätsmodell“ noch 2006 angedeutete Hoffnung, die Akzeptanz des metrosexuellen Auftretens von David Beckham, der bekannt hatte, gern die Unterwäsche seiner Frau zu tragen, deute auf einen neuen Umgang mit Sexualitätsformen hin, die in der Pop-Welt des Sports auch die Wahl einer schwulen Option ermöglichen könnte, hat sich bislang nicht erfüllt.
Die im Fußball vorhandene Nähe zu anderen Körpern, auf dem Platz, in der Kurve und in der Kabine, aktiviert auch im besonderen Maße die Angst vor den eigenen homosexuellen Anteilen – die dann auf verbaler Ebene homophob umgeleitet werden, gleichzeitig aber auf körperlicher Ebene im Spielerknäuel wie im Freudentaumel die wenigen unverfänglichen Ausdrucksformen findet. Genauso paradox ist es, dass einerseits Homosexualität immer noch als Tabubruch gilt, die homophobe Beschimpfung aber ebenfalls, weil sie im Licht der offiziellen, die „Vielfalt“ bejahenden Positionen der Fußballverbände als rückständig erscheint.
Dieses Phänomen im Kontext der Veränderungen von Rollenbildern, Fußballgeschäft und Fankultur zu erklären, wäre die Aufgabe. Ihre Erfüllung steht noch aus.
Mehr Geschichten und Interviews über Homophobie und Toleranz im Sport lesen Sie in der Nord-Ausgabe der taz.am wochenende oder hier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!