piwik no script img

Start in die Berliner TheatersaisonDie Volksbühne ist noch eine Baustelle

Der umstrittene Intendant Chris Dercon stellt die neue Bühne im Tempelhof-Hangar fünf vor – und hofft auf Anerkennung durch die Berliner.

Seine erste Kulisse: Chris Dercon auf der Baustelle der Volksbühnen-Bühne in Tempelhof Foto: dpa

Pressekonferenzen verlaufen in der Regel so: Eine mehr oder weniger wichtige Person (oder auch mehrere) erzählt etwas; danach fragen Journalisten sie nach den wirklich spannenden Dingen. Bei Chris Dercon, dem neuen Intendanten der Volksbühne, läuft das am Montag etwas anders: Er erzählt, aber niemand will danach etwas fragen. Schweigen. Suchende Blicke in die große Runde der Journalisten, ob sich doch noch eine Hand hebt. Ist in Sachen Dercon und Volksbühne, dem großen Theaterstreit der letzten zwei Jahre, inzwischen etwa alles klar? Ist alles ausgesprochen und der verfahrenen Situation nichts mehr hinzuzufügen?

Es bleibt offen, warum Dercon überhaupt die ihm mehrheitlich nicht besonders wohlgesinnte Presse eingeladen hat. Sicher, am kommenden Sonntag beginnt die neue Spielzeit; endlich kann der neue Intendant, der vor zwei Jahren berufen wurde und seitdem permanent wegen der inhaltlichen Ausrichtung des Theaters in der Kritik steht, zeigen, worum es ihm inhaltlich wirklich geht. Dercon startet nicht im Stammhaus am Rosa-Luxemburg-Platz, sondern bespielt erst mal den Hangar 5 des einstigen Flughafens Tempelhof. Aber die Bühne und vor allem die Tribüne sind noch im Rohbaustadium, als Dercon und Francis Kéré, der Architekt der Zuschauertribüne, am Montag den neuen Spielort vorstellen.

Der Auftritt des Intendanten bei dem „Baustellentermin“ (O-Ton Dercon) wirkt wie der zaghafte Versuch einer Charmeoffensive. In die Stadt hinein wolle seine Volksbühne wirken, sagt er, und herausfinden, wofür das Wort „Volk“ im Namen tatsächlich stehe. Eine Annäherung an die Berliner soll die Satelliten-Spielstätte also sein, „flexibel und radikal einfach“. Einst war sie gar als „Utopie“ geplant gewesen, nun nennt sie Dercon salopp einfach „das Ding“.

Eigentlich sollte das Projekt größer ausfallen und Platz für bis zu 1.000 Zuschauer bieten. Das sei in der Kürze der Zeit nicht zu machen gewesen, berichtet Kéré: Erst Ende Mai habe man die Zusage über 500.000 Euro Lotto-Mittel bekommen. In dieser Zeit in einem denkmalgeschützten Gebäude ein Theater mit 400 Sitzplätzen einzurichten, sei doch eine Leistung, betonen beide mehrfach – und hoffen auf Anerkennung in der vom BER-Debakel geplagten Stadt.

Kurzer Ausflug des Theaters

Der Ausflug der Volksbühne auf den Flughafen bleibt erst mal eine kurze Episode: Um dort einen der rund 4.000 Quadratmeter großen Hangars dauerhaft zu bespielen, reiche die Basisförderung der Volksbühne durch das Land nicht aus, sagt Dercon. Man brauche zusätzliche Gelder, um die er sich bemühen wolle. Aber nach einem Monat werde die Bühne erst mal in den Depots der Volksbühne verschwinden – falls jemand sie nutzen möchte, darf er gerne anfragen, versichert Dercon. Noch ein Versuch der Annäherung.

Hat die Bühne gestaltet: Architekt Francis Kéré Foto: dpa

Bis Donnerstag soll die Tribüne fertig und mit Holz und Tuch verkleidet sein. Am kommenden Sonntag wird dann zur Eröffnung das einstige Flugvorfeld zehn Stunden lang mit einer Tanzperformance des Choreografen Boris Charmatz bespielt – bei freiem Eintritt und Möglichkeiten zum Mitmachen. „Da beginnt das Spektakel“, freut sich Dercon. Der neue Theaterraum im Hangar 5 feiert am 14. September Premiere, ebenfalls mit einem Tanzstück von Charmatz.

Am Ende der Pressekonferenz am Montag stellt doch noch jemand eine Frage. Wie Dercon sich so fühle – als meist gescholtener Theatermacher der Stadt, den selbst sein Chef, Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei), lieber schnell wieder losgeworden wäre? „Sehr gut. Ich fühle mich sehr wohl“, so Dercon. Mehr sei dazu aber auch nicht zu sagen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!