piwik no script img

Konsens zum Umgang mit dem WolfSchutz für Wölfe und Schäfer

Erstmals formulieren Landwirte und Umweltschützer gemeinsame Grundsätze. Für den Umgang mit dem Raubtier ist Geld nötig.

Wölfin Lena im Wildpark Eekholt Foto: dpa

Berlin taz | Landwirte, Tierschützer, Jäger und Ökologen haben erstmals einen breiten Konsens zum Umgang mit dem Wolf gefunden. Wölfe abzuschießen soll nur das letzte Mittel sein, wenn sie zu gefährlich werden. Vor allem mehr Hirtenhunde und bessere Zäune sollen die Herden der Bauern und Schäfer schützen.

Unterzeichnet haben die am Donnerstag veröffentlichte Erklärung unter anderem der Bundesverband der Berufsschäfer, die Umweltverbände BUND, Nabu, WWF, der Deutsche Grünlandverband, Tierschutzbund und der Ökologische Jagdverband.

Nicht dabei ist der Deutsche Bauernverband. Der größten Landwirte-Vertretung reicht es nicht, einzelne Problemwölfe zu erlegen. In Regionen, die man nicht sicher einzäunen könne, „müsse durch eine konsequente Bestandsregulierung eine Wiederansiedlung des Wolfes ausgeschlossen werden“, fordert der Verband. Selbst Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth sprach sich unlängst in der taz dafür aus, wenn nötig „komplette Rudel“ abzuschießen. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ist Anhänger einer „Bestandsregulierung“.

Die Debatte über die Wölfe bekommt allmählich bundespolitische Bedeutung. Nach der Einwanderung der ersten Tiere ab dem Jahr 2000 waren anfangs nur die östlichen Bundesländer Brandenburg und Sachsen betroffen. Nun leben Rudel unter anderem auch in Niedersachsen. Von dort schaffte es ein einzelnes Exemplar kürzlich bis zum Schluchsee in Baden-Württemberg, wo es illegal erschossen wurde.

Neuer Bedarf und neue Probleme

Die UnterzeichnerInnen der „Eckpunkte für ein konfliktarmes Miteinander“ wollen deshalb jetzt einen „Brückenschlag zwischen Naturschützern und Landwirten“ erreichen, sagte Diana Pretzell vom WWF. Ihnen geht es darum, die Interessen des Artenschutzes und der Weidetierhaltung zu vereinbaren. Die Verbände „erkennen den Schutzstatus des Wolfes im geltenden Recht an“. Gleichzeitig müssten die „wirtschaftlichen Benachteiligungen von Weidetierhaltern in Wolfsgebieten angemessen aufgefangen werden“, heißt es.

Ein Kernpunkt ist der Schutz der Herden durch Hirtenhunde. Weil man diese früher in Deutschland nicht brauchte, wurden sie nicht gezüchtet und trainiert. Nun entstehen neuer Bedarf und neue Probleme. So müssen die Halter laut Tierschutz-Verordnung beispielsweise für jeden Hund eine wärmegedämmte Hütte hinstellen. Hirten, die mit Schafherden unterwegs sind, fällt das schwer. Also fordern die Verbände, den „Herdenschutz möglichst unbürokratisch“ zu gestalten. Sie verlangen eine Ausnahme für Hirtenhunde in der Tierschutzverordnung.

Auch um Geld geht es. Denn Hirtenhunde und Elektrozäune sind nicht umsonst. Die Landwirte-Verbände hätten gern mehr öffentliche Förderung und großzügigeren Schadenersatz, wenn Weidetiere von Wölfen gerissen werden. Nabu-Chef Olaf Tschimpke forderte, in der europäischen Agrarpolitik die Möglichkeit für entsprechende Zahlungen zu schaffen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Vielleicht sollten sich die Wolf-Beführworter einmal ansehen, wie so ein Wolfsrisslein vor Ort aussieht.



    Danach könnte man das ganz besonnen den wirklichen "Vorteilen" gegenüberstellen. Denn das ist doch zu blöd, daß dieses imaginäre Wohl, das der Wolf uns bringt überhaupt nirgends angesprochen werden kann. Aus meiner Sicht eine Schande für den Leumund der Umweltverbände, die die Haltung von Tieren im Freien damit um einiges unwahrscheinlicher machen. Dabei ist das jetzt schon absehbar, daß zur Bestands-Stabilisierung viele mehr Wölfe abgeschossen werden als je zuvor. Insofern also- ein rein zum Spass veranstaltetes Gemetzel.

  • Zur Klarstellung:

    Die Schafe, die der Wolf holt, sind bereits vom Steuerzahler bezahlt.

     

    Schafe sind nur deshalb draussen, weil für sie "landwirtschaftliche Betriebsprämie" anfällt. Sonst wären sie doch genauso im Stall wie Schweine und Geflügel.

     

    Deshalb das zufriedene Grinsen bei Schäfern+NABU. Jeder Wolfsriss ist Bargeld. Und bisschen Eigenwerbung und Opfergejammer ist gratis dabei.

  • Cost of doing business: gefördert wird vor allem die Massentierhaltung und die intensive Ausbeutung der Böden. Naturgerechte Bewirtschaftung ist teuer, arbeitsintensiv und muß gerecht gefördert werden. Die Bestandskorrekturen sollten vor allem bei den konservativen Beutejägern greifen, wenns geht per Abwahl. Dannn könnte sich der Schäufele- und Bratwurstgreifer aus Franken ganz seinem Bauch widmen.

  • Es ist absurd, daß die Öffentlichkeit den Schäfern und Bauern ihre Zäune und Hütehunde bezahlen soll. Das ist doch einfach the cost of doing business!

     

    Aber darauf wird es hinauslaufen - wenn man nur laut genug jault und mit Schießen droht, bekommt man Subventionen.

     

    Ärgerlich.

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @kditd:

      Cost of doing business?

      Sie könnten aber argumentieren, dass der Wolf (insb Problemwölfe) auch jagdbar und dies wesentlich billiger für den Landwirt wäre. Wenn die Gesellschaft entscheidet, der Wolf soll besonders geschützt werden, so muss eben auch jemand für die dadurch entstandenen Kosten aufkommen.

    • @kditd:

      "Cost of doing business" - wissen Sie, was ihre Lebensmittel kosten würden, wenn sie den richtigen Preis samt aller Produktionskosten zahlen müssten?

       

      Und Landschaftspflege wird so oder so in der Regel aus öffentlichen Mitteln finanziert.

       

      Es geht in diesem Business seit Jahrzehnten immer um mehr bzw. höhere "Förderung".

      • @Hanne:

        "wissen Sie, was ihre Lebensmittel kosten würden, wenn sie den richtigen Preis samt aller Produktionskosten zahlen müssten?"

         

        Aber wir bezahlen sie doch letztendlich über Steuermittel, halt nur ohne Wahlfreiheit.