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Absprachen der deutschen AutoindustrieStraffreiheit für den Ersten

Laut Insidern soll Daimler seine Selbstanzeige „deutlich früher“ bei den Behörden eingereicht haben als VW. Der Autobauer könnte somit ohne Strafe davonkommen.

Alles sauber bei Daimler? Foto: dpa

München afp | In der Debatte über ein mögliches Kartell der großen deutschen Autobauer hat sich Daimler Berichten zufolge früher an die Wettbewerbsbehörden gewandt als Volkswagen. Wie die Süddeutsche Zeitung sowie NDR und WDR berichteten, stammt die Selbstanzeige von VW vom Juli 2016, die von Daimler wurde nach Angaben von Insidern aber „deutlich früher“ eingereicht.

Dem Spiegel zufolge sollen sich Volkswagen mit seinen Töchtern Audi und Porsche sowie Daimler und BMW seit den 90er Jahren in geheimen Arbeitsgruppen über ihre Fahrzeuge abgesprochen haben. Sowohl das Bundeskartellamt als auch die EU-Kommission erhielten entsprechende Informationen. Die EU-Behörde übernahm deren Bewertung.

Bei der Kommission gibt es eine Kronzeugenregelung. Um die Strafe zu hundert Prozent erlassen zu bekommen, muss ein betroffenes Unternehmen das erste sein, das die Kommission über ein unentdecktes Kartell informiert. Darauf könnte nun Daimler hoffen. Für alle weiteren kooperierenden Kartellmitglieder gibt es Rabatte, im Fall von VW wären es bis zu 50 Prozent, sollte der Konzern der zweite gewesen sein, der sich an die Behörden wendet und dazu noch einen „bedeutenden Zusatzwert“ liefert.

2011 war ein Lkw-Kartell aufgeflogen, auch Daimler bekam eine satte Strafe aufgebrummt. Der Hersteller MAN hingegen profitierte zu hundert Prozent von der Kronzeugenregelung. Nach dem Auffliegen des Kartells 2011 entwickelte Daimler ein neues Kartellrechtstraining. Außerdem soll sich der Autobauer in den vergangenen Jahren bereits zum Teil aus den mutmaßlichen Abspracherunden zurückgezogen haben.

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11 Kommentare

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  • Spiegelartikel vom 22.01.1996:

    "Fünf deutsche Autohersteller machen gemeinsame Sache: bei der Reinigung von Abgas.

    Erwin Teufel zeigte sich doppelt verzückt. „Froh und glücklich“ erklärte sich der baden-württembergische Ministerpräsident vergangenen Freitag über ein neues Forschungsprojekt, für das die Stuttgarter Landesregierung der deutschen Autoindustrie auch etwas Taschengeld überweisen wird: 7,5 Millionen Mark. Dafür soll sauber getüftelt werden.

    Audi, BMW, Mercedes, Porsche und VW wollen sich künftig gemeinsam für die Reinhaltung der Luft einsetzen. Im Porsche-Entwicklungszentrum Weissach bei Stuttgart eröffneten sie das neue Abgaszentrum der Automobilindustrie (ADA). Ein Dutzend Ingenieure, abgesandt von den fünf Herstellern, ersinnen dort nun unter Geschäftsführer Wulf Sebbeße, 55, die „vorwettbewerbliche Vorausentwicklung von Abgasreinigungssystemen“.

    Die erste vereinte Grundlagenforschung in der Geschichte der deutschen Autoindustrie soll die Investitionen verteilen, die nötig sind, um künftige strengere Abgasnormen zu erfüllen, etwa die ULEV-Kriterien (Ultra Low Emission Vehicle) im smoggeplagten Kalifornien…" usw.

    Damals hat Politik gejubelt, die Presse postiv berichtet und heute ist das ein Verbrechersyndikat???

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Egone:

      ...tja, und was wurde daraus?

      Hat anscheinend nicht funktioniert, das "Abgasreinigungssystem".

    • @Egone:

      Haben Sie dafür auch einen Quellenbeleg?

  • Könnte man diese Kronzeugenregelung nicht als Taktik einsetzen, um die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen?

     

    Kartell gründen, alle Konkurrenten mit dazuladen, dann es schnell als erstes anzeigen, selbst strafffrei aus der Geschichte rauskommen und den anderen die Zunge rausstrecken.

    • @Bajramaj:

      Wäre eine Idee. Aber die Strafe wird anhand des Schadens bemessen. Und der Schaden dürfte sehr gering sein, wenn man das Kartell gleich auffliegen lässt. Aber eventuell können Sie die Idee weiterentwickeln und sich für teures Geld als Berater anbieten ;)

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...und da ist sie wieder, diese Sehnsucht nach den USA.

  • Wie Du mir so ich Dir...aber alle beschei... VW schon im Juli 2016 (!!!) und Daimler WEIT früher!?!? Warum ist in dieser Zeit dann nichts passiert? Warum keine grosse Untersuchung bei allen anderen Mitmachern?

    Die Politik macht sich wieder zum Handlanger der Industrie. Sofort weit vor Juli 2016 hätte das Kartenhaus zusammenbrechen müssen, so wurden die Kunden und Bürger WEIT mehr als ein weiteres Jahr mit Kenntnis der Politik betrogen und geschädigt. BRAVO!

    Wer DIE wählt ist selber schuld.

    • @Mitch Miller:

      Na ja, das prüft aber die Staatsanwaltschaft und nicht die Politik. Ein wenig Gewaltenteilung gibt es schon noch.

       

      Ich bin bei Ihnen, ein Jahr ist sehr lang für eine Untersuchung, aber es muss ja versucht werden, einen Beweis zu finden. Denn auch wenn alle meinen, dass die Sache schon bewiesen ist, bislang ist es nur eine Vermutung, dass es ein Kartell gab (wenn auch einiges dafür spricht). Eventuell hat der Spiegel, die Möglichkeit des Nachweises mit seinem Vorpreschen und Bekanntmachen zerstört.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Strolch:

        ...und warum dann die Selbstanzeige?!

        • @81331 (Profil gelöscht):

          Die Selbstanzeige belastet zunächst nur den, der sich anzeigt. Das andere mitgemacht haben, muss erst noch bewiesen werden. Evtl. haben ja auch nur VW und Daimler ein Kartell gebildet und BMW hat wutentbrannt den Raum verlassen, als der Vorschlag das erste Mal an sie herangetragen wurde und BMW ist nichts vorzuwerfen. Eine zweite Möglichkeit wäre, dass die Absprachen gerade noch im Rahmen der Gesetze zulässig waren; da die Grenzen aber fließend sind vorsorglich eine Selbstanzeige gestellt wurde. Ermittlungen sind schon noch nötig...

  • Auch da Erster! Was für ein Glück! Und diese Zuverlässigkeit!

    MbG.