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Kommentar Ergebnisse des G20-GipfelsChaos draußen, Chaos drinnen

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Der G20-Gipfel war ein Fehlschlag. Hinter den Randalen verschwand das Wichtigste: wie die Staaten bei allen drängenden Themen versagen.

Für den Klimaschutz ist Donald Trump genau zur falschen Zeit Präsident geworden Foto: ap

J ahrelang hatte sich A68 auf diesen Termin vorbereitet, dann kam er doch drei Tage zu spät. Wäre der gigantische Eisberg schon am letzten Wochenende vom Larsen-C-Eisfeld in der Antarktis abgebrochen, vielleicht hätte er die mediale Katastrophe des G20-Gipfels von Hamburg noch verhindert.

Denn seit einer Woche sind alle Zeitungen und Talkshows voll von den Randalierern, die im Schanzenviertel Feuer legten. Aber niemand spricht von der mageren Bilanz der Chaoten, die in der Elbphilharmonie Beethovens „Freude, schöner Götterfunken“ hörten.

„Philharmonie“ ist die Liebe zur Harmonie. Die aber fehlte nicht nur im Schanzen-, sondern auch im Chancenviertel: Die Staats- und Regierungschefs der G20 haben während ihres Treffens keinen einzigen Fortschritt dahin gehend erreicht, dass die Welt besser oder sicherer würde. Weder beim Klimaschutz noch bei der Armutsbekämpfung, noch der verbesserten Bildung, noch dem Kampf gegen Seuchen, noch der Gleichstellung von Frauen hat Hamburg wirklich Spuren hinterlassen.

In den Debatten über freien Handel, ein sicheres Weltfinanzsystem, die Bekämpfung der Steuerflucht oder des Terrorismus gab es nichts Neues. Da galt es schon als Fortschritt, dass es keinen Rückschritt gab.

Das ist nicht nur eine Bankrotterklärung der Politik. Sondern bei manchen Themen schlicht falsch. Sicher gibt es Bereiche, wo Beschlüsse der G20 zweitrangig sind. Aber bei anderen Themen hat Nichthandeln schwere Konsequenzen. Wer die akute Hungersnot in Ostafrika nicht jetzt bekämpft, verurteilt Hunderttausende von Menschen zum Tod.

Die entscheidenden Jahre für den Klimaschutz

Wer nicht sofort in Bildung und Gesundheit investiert, schafft in vielen Ländern die nächste verlorene Generation. Und wer nicht sofort drastische Maßnahmen gegen den Klimawandel beschließt, wird bald noch viele Eisberge wie A86 abbrechen sehen.

Da kommt US-Präsident Donald Trump genau zur falschen Zeit. Zehn Jahre früher oder später hätte er kaum großen Schaden anrichten können. Doch genau in seine Amtszeit bis 2020 fallen die entscheidenden Jahre des globalen Klimaschutzes: Jetzt müssen die weltweiten CO2-Emissionen ihren Höhepunkt erreichen und schnell fallen, jetzt müssen die Investitionen in saubere Technik beschlossen werden, jetzt müssen technische und finanzielle Hilfen für die armen Länder konkret werden.

All das müssen die G19 umso dringender umsetzen, je ignoranter und gefährlicher die Politik aus Washington wird. Aber dafür bräuchte es mehr als Freude über die Selbstverständlichkeit, dass das Pariser Abkommen zum Klimaschutz gilt.

Zur miesen Bilanz von Hamburg gehört auch die Randale. Diskussionen über die Gewalt von Autonomen und Polizei sind berechtigt, drängen aber eine ehrliche Gipfelbilanz völlig in den Hintergrund. Wer meint, mit Krawallen stoße er eine Debatte über globalen Kapitalismus, über Flüchtlingspolitik und Klimawandel an, handelt falsch und lebt in einer Traumwelt.

Die Riots sind systemstabilisierend

Die Wohlstands-Riots in Hamburg haben mit den dringend nötigen Veränderungen auf der Welt nichts zu tun. Im Gegenteil, sie verstellen den Blick darauf, was die G20 in Hamburg hätten tun müssen. Sie sind in diesem Sinne systemstabilisierend, nicht etwa Teil einer ersehnten Revolution.

Für echte Veränderungen braucht es kluge Köpfe, Kompromisse und breiten Widerstand der Zivilgesellschaft. Der simulierte Bürgerkrieg verhindert genau das. Die nötigen Revolutionen kommen nicht durch brennende Autos im Schanzenviertel, sondern durch technischen und sozialen Fortschritt in den Industrie- und Schwellenländern, durch saubere Technik, weniger Korruption, mehr Transparenz, bessere Bildung, Hilfe durch Kapital(!)flüsse.

An diesen Aufgaben ist der G20-Gipfel wieder einmal grandios gescheitert. Wer beklagt oder sich freut, dass „Hamburg brennt“, sollte nicht vergessen: Der Rest der Welt steht noch viel mehr in Flammen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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7 Kommentare

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  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Wir können jetzt alles gebrauchen aber bitte keine Klimaziele. Wir brauchen marktkonforme Demokratie. Nichts was in irgendeiner Weise die Märkte beunruhigen könnte.

    Wir brauchen bedingungsloses Wachstum.

     

    Stellen wir uns einmal vor, Politik würde uns reglementieren wie oft wir in den Urlaub zu fliegen haben, dass nur einmal in der Woche Fleisch gegessen werden darf, autofreie Wochentage, Obst-und Gemüse saisonal-regional. Konsumgüter/Kleidung wird künftig deutlich teurer weil in Deutschland produziert wird.

    Hehe Lustig. Sehr gut. Wir hätten flächendeckend Revolution in Deutschland, nicht nur in Hamburg Altona und Schanze.

  • Die Empörung über einiger Randalierender ist mehrfach heuchlerisch. Krawalle in Caracas werden anders bewertet als jene in Hamburg, der Dieselskandal verursachte Tausende Todesopfer, Todes-Drohnen, die über Ramstein gesteuert werden, zerbomben Hochzeiten. Und der Klimawandel?

    Da scheint mir der Sachschaden in Hamburg eher eine Randnotiz ... https://senfundpfeffer.wordpress.com/2017/07/13/hamburg-ist-nicht-caracas/

  • 3G
    39756 (Profil gelöscht)

    Klimaschutz geht so:

    1) Plastikartikel nicht mehr kaufen.

    2) Radfahren statt Auto

    3) Atomstrom nicht kaufen

    4)Klimaanlage geht gar nicht

    5)Wegwerfartikel nicht mehr kaufen

    6)Nur lokales Obst, Gemüse und sonstige Nahrungsmittel kaufen

    7) Keine Aktien kaufen

    8) Unkaut ausziehen und nicht "wegsprúhen"

    und so weiter.

    Reden oder mit dem Auto auf ne demo fahren hilft wenig oder garnicht. Auch in der Oper rumhängen- wo die gelangweilten Chefs die Zeit absitzen mussten, fórdert die Sache nicht....

    Der Verzicht auf eine Anzahl von "Wohlstandsgütern und Dienstleistungen" ist eigentlich gar nicht so schwer- bloss ungewohnt.

    Das Geschick der Welt in den Händen von wenigen Menschen zu lassen, die obwohl gewählt, gar nicht die Zeit, das Fachwissen und den Mut, gegen die Multinationalen Konzerne anszustehen haben, ist weder machbar noch richtig. Alle Veränderung kann nur von deutlichen Mehrheiten von Menschen ausgehen, die auch gewillt sind, selbst etwas dazu zu leisten im Tag für Tag. Wir brauchen keine Revolutionen. WIr brauchen Bewusstsein und Konsequenz. Und gleiches Recht und gleiche Pflicht fuer alle.

    • @39756 (Profil gelöscht):

      Mit Einkommen auf Hartz-IV-Niveau oder gar darunter ist solch ein "Verzicht" allerdings nicht ohne weiteres möglich...

       

      In unserer Welt kann es relativ viel Geld kosten, auf etwas zu verzichten. Paradox.

      • 3G
        39756 (Profil gelöscht)
        @Existencielle:

        Ja klar. Paar Sachen kann aber jeder machen und wer wenig hat, kauft sowieso nich soviel Zeug und Aktien auch nicht.

        Wo ich wohn sind schon Tornados und Starkregenphänomene. Klimawandel ist sehr wirklich...

  • ---"Für echte Veränderungen braucht es kluge Köpfe, Kompromisse und breiten Widerstand der Zivilgesellschaft. Der simulierte Bürgerkrieg verhindert genau das. Die nötigen Revolutionen kommen nicht durch brennende Autos im Schanzenviertel, sondern durch technischen und sozialen Fortschritt in den Industrie- und Schwellenländern, durch saubere Technik, weniger Korruption, mehr Transparenz, bessere Bildung, Hilfe durch Kapital(!)flüsse."---

    ...und unabhängige, integre Medien, die über das "Wesentliche" so eines Mamuttreffens berichtet und nicht tagelang den Fokus auf die Randerscheinungen und Kollateralschäden dieser neoliberalen Machtdemonstration lenkt. Die Informationspolitik um diese 300Mio teure, sinnfreie Veranstaltung ist nicht nur erbärmlich, sondern zeichnet deutlich die Verkommenheit und undemokratischen Ziele von Politik und Medien unserer Systeme! Wer es bis heute noch nicht begriffen hat, wir leben schon lange im Totalitarismus. Vorratsspeicherung, Kommunikationsüberwachung, Flug-und Reisedatenerfassung, Erhebung von Bewegungsprofilen, SWIFT, Verletzung/Abschaffung des Post-und Bankgeheimnisses....etc. sprechen eine deutliche Sprache.

     

    Schafe, blickt auf!

  • Jau. "Das Chaos vor der Chinesischen Mauer

    Ist mindestens so groß wie das hinter der

    Chinesischen Mauer!" by Harry Mulisch.

    Was wieder mal bewiesen wurde.