Inklusive Bildung: Ini will einen Rettungsschirm
Erste Gespräche zwischen der Volksinitiative „Gute Inklusion“ mit Hamburgs SPD und Grünen stehen an. Eine zentrale Frage: Wie viele Kinder haben eigentlich Förderbedarf?
Kommt es zu einer Einigung, wäre die Volksinitiative gestoppt. Erst vor einem Jahr hatte es auf diesem Weg eine Verständigung mit der Initiative „Guter Ganztag“ gegeben. Doch bei der Inklusion wird das vermutlich nicht einfach. Denn hier geht es um einen jahrelangen Streit.
Die Initiative fordert vom Senat, endlich anzuerkennen, dass sieben Prozent der Kinder einen Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache, emotionale Entwicklung – kurz LSE – haben. Zur Zeit geht Schulsenator Ties Rabe (SPD) von rund vier Prozent aus. Diese Differenz führt nach Rechnung der Initiative dazu, dass Förderressourcen gestreckt werden und pro LSE-Kind in der Woche nur 1,9 Lehrerstunden ankommen. „Das reicht hinten und vorne nicht“, sagte Sylvia Wehde, Vertrauensfrau der Initiative und Mutter eines Kindes mit LSE-Förderbedarf. „Unsere Forderung: Es müssen so viele Lehrerstellen bereitgestellt werden, dass pro Schüler mit LSE drei Lehrerstunden zur Verfügung stehen.“ Das wäre das Minimum und immer noch halb so viel wie ehemals in den Integrativen Regelklassen (IR).
20 Jahre lang ging es gut
Hamburg hatte vor der flächendeckenden Inklusion mehr als 20 Jahre sehr erfolgreich arbeitende Integrationsschulen, in der stetig eine Doppelbesetzung gewährleistet war, davon berichtet der pensionierte Lehrer Martin Reichert. Ohne so eine zweite Kraft in der Klasse sei es nicht möglich, auf schwierige Schüler einzugehen, die den Unterricht stören. Noch im Wahlkampf 2011 versprach die SPD, dieses Modell auf die ganze Stadt zu übertragen, doch hinterher schien das zu teuer.
Der damalige SPD-Senat schaffte 2012 die Integrationsschulen ab, verteilte die Stellen um und führte ein anderes Modell ein. Reichert spricht von „Wortbruch“. Man müsse hier mehr Geld in die Hand nehmen. Nötig sei nun ein „Rettungsschirm für die Inklusion“.
Es gab beim Sammeln der Unterschriften für die Volksinitiative „viel Rückenwind“, sagte Reichert. „Die Eltern sagen, Inklusion finden wir toll, aber nicht unter diesen Bedingungen.“
So einen Vergleich zum Beginn ihrer Schulzeit zog auch Oberstufenschülerin Hanna Schweizer. „Früher waren jederzeit zwei Lehrkräfte in der Klasse. Damit war gewährleistet, dass jeder bekommt, was er braucht“, sagt Schweizer. Heute müssten leistungsstarke Schüler in den Stunden ohne Doppelbesetzung einspringen, um anderen zu helfen.
Inklusion in Kinderschuhen
Die zweite Forderung bezieht sich auf die Gruppe der Kinder mit körperlicher oder geistiger Behinderung. Hier steckt die Inklusion „noch in den Kinderschuhen“, das habe sogar Schulsenator Rabe mal eingeräumt. Sprich: Die allermeisten Eltern geben ihre Kinder noch auf spezielle Sonderschulen.
„Hier stimmen die Rahmenbedingungen nicht“, kritisiert die Initiative. Deshalb sollten behinderte Kinder an Regelschulen den gleichen Anspruch auf Therapie und Pflege haben wie an den Sonderschulen. Nötig sei die feste Einstellung entsprechenden Personals sowie acht Quadratmeter pro Kind im Musterflächenprogramm. Und es soll einen „Masterplan“ für barrierefreie Schulen für zehn Jahre mit jährlich zehn Millionen Euro geben. Außerdem soll auch die Personalzuweisung für behinderte Kinder um ein Drittel erhöht werden, um durchgehende Doppelbesetzung und „multiprofessionelle Teamarbeit“ zu ermöglichen.
Senator Rabe: „Kein Wortbruch“
Ties Rabe erklärte am Dienstagabend im Schulausschuss, die SPD habe keinen Wortbruch begangen, die Partei habe lediglich versprochen, die Integrationsschulen als „Vorbild“ zu nehmen. Vom heutigen Modell würden alle Klassen profitieren und nicht nur ein kleiner Teil. Gleichwohl signalisierte auch Rabe zumindest Gesprächsbereitschaft. Etwa über „Poollösungen“ für die nötigen Physiotherapeuten. Und bei den LSE-Ressourcen zum Beispiel sei immer viel „Gerechne“ dabei, so Rabe. „Wir können gerne reden, ob das reicht.“ Das morgige Treffen sei zunächst mal „nur zum Kennenlernen“, sagt die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Man wolle schauen, ob man miteinander reden kann.
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