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Urteil zum Protestcamp gegen G-20-GipfelKein polizeilicher Notstand

Ein Verwaltungsgericht hat gegen das allgemeine Demonstrationsverbot entschieden: Die Gipfelgegner dürfen im Stadtpark zelten.

Die Polizei ist gut vorbreitet: Die Gefangenensammelstelle ist schon errichtet Foto: dpa

HAMBURG taz | Die großflächige Demonstrationsverbotszone während des G-20-Gipfels in Hamburg bröckelt: Das Verwaltungsgericht hat den Teil der Allgemeinverfügung aufgehoben, der das Protestcamp „Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen“ im Hamburger Stadtpark verbietet.

Das Verbot einer friedlichen Versammlung setze einen polizeilichen Notstand voraus, sagte das Gericht. Die Polizei habe aber stets beteuert, mit 20.000 Polizisten auf den Gipfel bestens vorbereitet zu sein. „Das Gericht bestätigt, vom Camp geht keine Gefahr aus“, kommentierte Klägeranwalt Martin Klingner die Entscheidung. Die Polizei kündigte Beschwerde an.

Zwei weitere Eilanträge gegen die am 9. Juni vom Polizeipräsidenten Ralf Meyer erlassene Allgemeinverfügung, mit der in einem Radius von 38 Quadratkilometern während des Gipfels am 7. und 8. Juli Proteste untersagt werden, sind noch beim Verwaltungsgericht anhängig. So klagt das Bündnis „Grenzenlose Solidarität statt G 20“, der Veranstalter der Großdemonstration „G20 – not welcome“, auf die Freigabe des Heiligengeistfelds für die Abschlusskundgebung sowie das Künstlerwohnprojekt Gängeviertel, deren Kundgebung im Hof ihres Areal untersagt wurde. Die „blaue Zone“ des Demonstrationsverbots stelle für das Bündnis einen „nicht hinnehmbaren Angriff auf die Grundrechte“ dar, sagte Sprecher Yavuz Fersoglu.

Herausforderungen der Polizei dürften kein Vorwand sein, flächendeckend die Versammlungsfreiheit außer Kraft zu setzen. „Wenn die Innenbehörde einen solchen Gipfel nicht austragen kann, sollte sie ihn absagen, statt Hamburg zur demokratiefreien Zone zu machen“, sagte Fersoglu. „Wir sind zuversichtlich, dass das Gericht uns die Kundgebung auf dem Heiligengeistfeld ermöglichen wird.“

Das ist nicht abwegig. Auch der ehemalige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und Verfassungsrechtler Ulrich Karpen hält die Verweigerung des Platzes wegen der Nähe zum G-20-Tagungsort in den Messehallen für nicht haltbar. Das Bundesverfassungsgericht habe eindeutig entschieden, „Proteste gegen ein solches Polit-Event müssten in Hör- und Sichtweite stattfinden können und nicht in der Wüste“, sagte Karpen der taz.

Wenn die Innenbehörde einen solchen Gipfel nicht austragen kann, sollte sie ihn absagen, statt Hamburg zur demokratiefreien Zone zu machen

Yavuz Fersoglu, Bündnissprecher

Die Demoverbotszone wird von Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) mit der Notwendigkeit eines „Transfers-Korridors“ begründet, der die An- und Abreise der Staats- und Regierungschefs zu ihren Hotels und Tagungsstätten sichern solle. „Sonst kann ich die Sicherheit nicht gewährleisten“, sagte Grote. Bis zu 35 Delegationen in Kolonnen mit bis zu 40 Fahrzeugen müssten mehrfach durch die Stadt gelotst werden. Diese dürften nicht zum Stehen kommen, damit es keine unkalkulierbaren Reaktionen der Personenschützer gebe. Die blaue Zone zieht sich von der Innenstadt über die westliche innere City rund um das G-20-Tagungszentrum. Es erfasst die Regionen rund um die Außenalster, wo sich eine Vielzahl der Hotels der Regierungsdelegationen befinden, und geht bis nördlich zum Flughafen, auf dem die meisten Präsidentendelegationen eintreffen.

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5 Kommentare

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  • 3G
    33710 (Profil gelöscht)

    Bei der G20-Heimsuchung Hamburgs im kommenden Juli muss Scholz endlich wieder Erfolg beschieden sein. Durch seinen jetzigen Innensenator Andy Grote ließ er den Gegendemonstranten ankündigen: Wenn etwa die tonnenschwere Limousine von US-Präsident Donald Trump zum Stehen gezwungen werde, sei das für die US-Personenschützer vom Secret Service der Ernstfall. Sollte es zu einer erfolgreichen Blockade kommen, brächten sich die Teilnehmer damit in Gefahr, drohte Grote. Gemeint war: Trumps Agenten werden schießen, wenn sein Wagen aufgehalten wird. Es kann Tote geben. Und der Bürgermeister wäscht seine Hände in Unschuld. Er hat ja warnen lassen.

  • "Diese dürften nicht zum Stehen kommen, damit es keine unkalkulierbaren Reaktionen der Personenschützer gebe."

     

    Aber man darf eine Millionenstadt in Ausnahmezustand versetzen? Ist es wirklich nicht möglich so ein Treffen abzuhalten, ohne dass die Bevölkerung massiv belästigt wird?

  • Njorp!

     

    Wie sagte doch der Legende nach der

    Müller von Sanssouci zum preußischen König Friedrich II. ? Genau!

    "Es gibt noch ein Kammergericht in Berlin!"

    kurz - Dranbleiben!

    Die Wagenburgmentalität bar jeglicher

    Demokratischen Rückkontrolle -

    Spottet seit Jahren jeder Beschreibung &

    Hier wieder in besonderer Weise -

    Umfang&Inhalt!

    Seit dem Mülheim-Kärlich-Beschluß

    Karlsruhe ist klargestellt -

    Demonstrations&Meinungsfreiheit

    Sind die unverzichtbaren Grundsubstanzen des demokratischen

    sozialen Rechtsstaates dieser Republik nach dem Grundgesetz.

    Sie müssen Geltung haben können -

    Muß ihnen eingeräumt werden!

    Nochmals. Dranbleiben!

    Masseltov!

  • "„Wenn die Innenbehörde einen solchen Gipfel nicht austragen kann, sollte sie ihn absagen, statt Hamburg zur demokratiefreien Zone zu machen“, sagte Fersoglu."

     

    This! Absagen wäre das Beste für alle.

  • Wenn ein CDU Politiker eine linke Demonstration, die von der SPD verboten wurde, verteidigt...