Kommentar Sicherheitslage Afghanistan: Keine Deutschen unter den Opfern
Nach dem Anschlag in Kabul wurde zwar ein Abschiebeflug ausgesetzt. Doch die Bundesregierung hat ihre Skrupellosigkeit zu oft deutlich gezeigt.
I m Kabuler Stadtteil Wazir Akbar Khan knallte es am Mittwochmorgen sehr laut. Mindestens achtzig Menschen wurden getötet, über dreihundert weitere verletzt. In der Umgebung des Anschlagortes befinden sich Restaurants, Schulen und ein Krankenhaus. Ein Großteil der westlichen Medienberichterstattung thematisierte dies kaum. Stattdessen wurde immer wieder die Nähe zur deutschen Botschaft betont, obwohl diese einige hundert Meter weiter weg liegt.
Doch der mediale Fokus lag wieder einmal nur auf westlichen Institutionen. „Unsere Mitarbeiter sind sicher“, verkündeten alle möglichen EU- und NATO-Stellen mittels Twitter. Schön, dass alle in Sicherheit sind, afghanische Zivilisten sind es allerdings nicht. Dies ist nicht verwunderlich, da Kabul, wie der Rest Afghanistans, kein sicherer Ort ist. An dieser Realität ändert sich in absehbarer Zeit nichts, auch wenn europäische Politiker Gegenteiliges behaupten und afghanische Geflüchtete weiterhin abschieben wollen.
Die Urheber des jüngsten Massenmordes in Kabul sind bisher unbekannt. Fakt ist, dass die Explosion zu den heftigsten gehört, die die Stadt in den letzten Jahren erlebt hat. Zum gleichen Zeitpunkt sind am selben Tag abgeschobene Geflüchtete aus Schweden und Österreich in der Hauptstadt gelandet. Wer garantiert deren Sicherheit vor Ort? Ist überhaupt bekannt, ob abgeschobene Afghanen am Mittwoch in Kabul getötet wurden? Diese Fragen werden nur ungern gestellt und kaum beantwortet.
Eine für Mittwoch geplante Sammelabschiebung aus Deutschland wurde nach dem Anschlag verschoben – aus „organisatorischen Gründen“. Auf viele afghanische Geflüchtete in Deutschland wartet dennoch eine ungewisse Zukunft. In den letzten Wochen und Monaten hat die Bundesregierung ihre Skrupellosigkeit immer wieder deutlich gemacht, indem sie eine Abschiebung nach der anderen durchführte. Spätestens jetzt muss dies ein Ende finden.
So „sicher“ ist Afghanistan
Doch wird es das? Bereits im vergangenen November wurde das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif, einer weiteren, vermeintlich sicheren Stadt, von einem Selbstmordattentäter angegriffen. Die Opfer waren ausschließlich Afghanen. „Keine Deutschen unter den Opfern. Sie können weitergehen“, scheint die Haltung geworden zu sein. Sowohl medial als auch politisch.
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