Streitgespräch zum Protest gegen den G20-Gipfel: „Bitte keine Wildwest-Regeln“
G20-Gipfel-Koordinator Wolfgang Schmidt und Gegendemo-Anmelder Jan van Aken streiten über Polizeieinsätze, Demonstrationsrecht und freie Fahrt.
taz: Herr Schmidt, heißt G20-Gipfel zwei Tage Ausnahmezustand für alle Hamburger?
Wolfgang Schmidt: Hamburg wird sich nicht im Ausnahmezustand befinden. Das sollte man gar nicht erst heraufbeschwören. Die Polizei hat einen vernünftigen Plan, die Konferenz zu schützen. Die Einschränkungen durch die beiden Sicherheitszonen beschränken sich vor allem auf das engste Umfeld um das Messegelände und am 7. Juli um die Elbphilharmonie. Das logistische Problem sind die Zufahrtswege. Wir müssen gewährleisten, dass alle Staatschefs und Delegationen sicher von A nach B kommen – und wollen gerade nicht die ganze Stadt dafür absperren. Ein solches Treffen der Staats- und Regierungschefs muss in einem Land wie Deutschland stattfinden können, ohne das es geentert, blockiert und zerstört wird. Ich möchte nicht, dass am Ende die autoritären Autokraten anderer Länder triumphieren und sagen, nur ihr Umgang mit Protest stelle den reibungslosen Ablauf eines solchen Gipfels sicher.
Jan van Aken: Ich erwarte da mehr Rückgrat. Man muss den Staatschefs auch mal sagen dürfen: Wir sind ein Land mit einer demokratischen und recht lebendigen Protestkultur und es kann Blockaden geben. Dann kann es auch sein, dass eine Kolonne ein paar Minuten anhalten muss. Ihr brecht euch keinen Zacken aus der Krone, wenn ihr mal eine Viertelstunde warten müsst, das gehört zu einer lebendigen Demokratie.
46, der Staatsrat der Hamburger Senatskanzlei ist Leiter des Hamburger Koordinierungsstabes zum G20-Gipfel.
Schmidt: Es gehört für mich zu einer demokratischen Protestkultur, dass sich ein Staatsgast sicher in der Stadt bewegen kann. Diese Attitüde, wir auf der Straße zeigen den Staatsoberhäuptern mal, wer die Macht hat, finde ich falsch.
van Aken: Wenn die Alternative ist, dass die mitgebrachten Sicherheitstrupps in so einer Situation auch schießen – und davor hat Hamburgs Innensenator gewarnt – ist das nicht richtig. Nur weil wir einen Cowboy einladen, können wir hier keine Wildwest-Regeln einführen.
56, ist Hamburger Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag und hat die G20-Gegendemo am 8. Juli angemeldet.
Schmidt: Das hat niemand vor. Die Sicherheitsvorkehrungen für einen US-Präsidenten sind bekanntermaßen hoch und Stillstand seiner Fahrzeugkolonne bedeutet aus Sicht des Secret Service ein erhöhtes Anschlagspotenzial – das müssen wir bedenken und das wäre auch bei Obama so gewesen. Ein Staatsgast muss darauf vertrauen können, ungehindert von A nach B zu kommen. van Aken: Ungehindert von A nach B? Das erzählen Sie bitte mal den Pendlern, die an diesem Tag aufgrund der Straßensperrungen nicht rechtzeitig zur Arbeit kommen. Wenn das Demonstrationsrecht so extrem eingeschränkt wird, haben wir ein Problem.
Ein Problem gibt es auch bei der Frage, ob am 8. Juli die Kundgebung der Gegendemo auf dem Heiligengeistfeld, nahe des Gipfels, stattfinden darf.
Schmidt: Die zuständige Versammlungsbehörde diskutiert gerade die Möglichkeiten. Wenn sie eine Entscheidung getroffen hat, kann diese gerichtlich überprüft werden. Wir müssen berücksichtigen, dass auch An- und Abfahrtswege der Messe zu schützen sind – und die Gesundheit und Sicherheit der Demonstranten. Da muss geklärt sein, was passiert, wenn von hinten zu stark nachgedrückt wird. Das wird derzeit mit den Anmeldern diskutiert.
van Aken: Wir wollen auf jeden Fall auf das Heiligengeistfeld und ich bin sicher, dass die Stadt dieses Versammlungsverbot nicht durchsetzen kann, weil es kein einziges stichhaltiges Argument gibt. Es wäre deshalb klug vom Senat, es nicht auf eine juristische Klärung in letzter Minute ankommen zu lassen. Wir wollen unsere Demo planen und die Polizei soll ihre Sicherheitsmaßnahmen in Ruhe organisieren können.
Am Samstag erscheinen in der taz acht Sonderseiten über Sinn und Unsinn des G20-Gipfels.
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