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SPD-Spitze stellt Wahlprogramm vorTanz um die Steuerfrage

Die grobe Richtung der Sozialdemokraten ist klar: „kleine und mittlere Einkommen entlasten“. Abgesehen davon bleiben sie erst einmal vage.

Programm: Die SPD ist noch auf der Suche nach ein paar Details Foto: ap

Berlin taz | Stellen Sie sich vor, Sie bekämen Ihr neues Auto geliefert. Der Händler streichelt über den glänzenden Lack und erklärt Ihnen beiläufig, leider, leider sei der Motor in der Fabrik nicht rechtzeitig zusammengebaut worden. Er fehle noch, werde aber nachgeliefert. So ähnlich klingt die SPD gerade bei ihrem Entwurf für ein Regierungsprogramm.

Einstimmig beschloss die SPD-Spitze am Montag einen Entwurf, der der Basis Ende Juni auf dem Parteitag in Dortmund vorgelegt werden soll. Doch wichtige Teile zur Renten- und Steuerpolitik fehlen noch – das räumte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley am Montag im Willy-Brandt-Haus ein. Nur die grobe Richtung ist bei den Finanzen klar: Das Programm werde eine Entlastung „für kleine und mittlere Einkommen“, vorsehen, versprach Barley. „Diese Entlastungen werden über Steuern laufen, aber nicht notwendigerweise nur über Steuern.“

Steuerpolitik, das klingt langweilig und dröge, ist aber wichtig. Hier entscheidet sich, wie viel Geld der Staat ausgeben kann – und ob sich die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die die SPD gern kritisiert, verringern lässt. CDU, CSU und FDP überbieten sich gerade mit Steuersenkungsideen. Angela Merkel verspricht den BürgerInnen Entlastungen in Höhe von 15 Milliarden Euro, die CSU will mehr, die FDP setzt noch einen drauf und fordert 30 Milliarden.

Die SPD steigt in diesen Wettbewerb um Zahlen nicht ein. Und dahintersteckt, wie so oft bei der SPD, eine Mischung aus Kalkül und Chaos. SPD-Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel leitet die interne Arbeitsgruppe, die sich mit Steuerpolitik befasst. Er betonte zuletzt mehrfach, dass die SPD Investitionen in Bildung und Infrastruktur den Vorrang vor Steuerentlastungen gebe.

Aus der Sicht von Normal- und Niedrigverdienern ist das eine gute Nachricht. Denn viele Menschen in Deutschland zahlen so wenig Steuern, dass sich Senkungen bei ihnen im Portemonnaie faktisch nicht auswirken. Für sie wären kostenfreie Kitas, die die SPD perspektivisch ermöglichen will, eine handfeste Erleichterung im Alltag.

Topverdiener mit Gehältern von 250.000 Euro und mehr sollen stärker zur Kasse gebeten werden

Noch einen Unterschied gibt es zwischen Union, FDP und SPD. Während Erstere die Steuersenkungen aus den Rekord­überschüssen des Staats bezahlen wollen, machen sich die Sozialdemokraten Gedanken über eine Gegenfinanzierung. Topverdiener mit Gehältern von 250.000 Euro und mehr sollen im Gegenzug stärker zur Kasse gebeten werden. Sie zahlen auf obere Gehaltsanteile die sogenannte Reichensteuer von 45 Prozent. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann bezeichnete das im Magazin Focus als Schonraum. „Da geht noch was.“ Das betreffe in Deutschland kaum 100.000 Menschen.

Doch auch die SPD ist bestimmten Steuersenkungen nicht abgeneigt. So werde es beim Spitzensteuersatz „sicherlich auch eine Korrektur geben“, kündigte Barley an. Jener greift in Deutschland vergleichsweise früh. Wer als Single 54.000 Euro im Jahr verdient, rutscht bereits mit einem kleinen Gehaltsanteil in den Spitzensteuersatz. Davon sind auch viele SPD-Milieus betroffen. Facharbeiter in der Autoindustrie verdienen zum Beispiel oft noch mehr. Hier wäre denkbar, den Spitzensteuersatz erst bei höheren Gehältern greifen zu lassen.

Das Kapitel „Es ist Zeit für gerechte Steuern und Abgaben“ ist in dem nun vom Vorstand abgesegneten Entwurf sehr offen formuliert. Eine wolkige Formulierung reiht sich an die nächste. Für mehr soziale Stabilität wolle die SPD die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verringern, stellt die SPD zum Beispiel fest. Menschen mit hohen Einkommen und Vermögen sollten einen „angemessenen Beitrag“ leisten. Wie das passieren soll, verschweigt sie aber.

Reizwort „Vermögensteuer“ fehlt

Zwar ist von einer „umfassenden Erbschaftsteuerreform mit hohen Freibeträgen“ die Rede. Aber welche Erben mehr berappen sollen, wie heikle Punkte umschifft werden, etwa die präzise Unterscheidung von Privat- und Betriebsvermögen, all das sagt die SPD nicht. Das Reizwort „Vermögensteuer“ fehlt komplett. Diese Steuer, die sich viele SPD-Linke wünschen, wurde von mächtigen Wirtschaftsverbänden in der Vergangenheit hart bekämpft. Das bekamen SPD und Grüne im Bundestagswahlkampf 2013 zu spüren.

Hinter der Vagheit stecken strategische Überlegungen. Ein zu früh kommunizierter detailreicher Plan sei vom politischen Gegner leicht diffamierbar, heißt es im Willy-Brandt-Haus. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dürfe der Union nicht zu früh Angriffsfläche bieten. Außerdem sei wichtig, ab jetzt regelmäßig inhaltliche Aufschläge zu liefern – insofern sei ein nachgereichtes Steuerkonzept sinnvoll. Vor der NRW-Wahl hatte sich Schulz im Bund mit Initiativen zurück­gehalten, weil ihn die wahlkämpfende NRW-Spitzenfrau Hannelore Kraft darum geben hatte.

Gleichzeitig wirkt die SPD einigermaßen verpeilt – und vertuscht handwerkliche Fehler. So platzierte vor gut einer Woche Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) eigene Ideen für ein Steuerkonzept. Er warb öffentlich für eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags – und kündigte im Gegenzug höhere Steuern für Besserverdiener an. Weils Zahlenwerk passte so gar nicht zu dem von Schulz gewünschten Tenor, der Fokus der SPD liege auf Investitionen in Kitas und Straßen.

Die spannende Frage ist nun, ob die SPD ihr Steuerkonzept rechtzeitig vor dem Programmparteitag präsentiert, der Ende Juni in Dortmund stattfindet. Die Delegierten über ein Programm abstimmen zu lassen, das in einem entscheidenden Kapitel wolkig bleibt, wäre zumindest eine fragwürdige Strategie.

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11 Kommentare

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  • Zugegeben - nicht besonders sexy, aber hat eine der Parteien auch den Schuldenabbau auf dem Zettel?

     

    Gebe wirklich nur ungern die Spaßbremse, aber beim derzeitigen Wettbewerb "wer bastelt das schönste Steuergeschenk" wird mir ganz schwindlig. Oder übel. Je nach dem.

    • @JensF:

      Wie kann man bei der derzeitigen Schuldenlast überhaupt auf den Gedanke kommen, Unsummen an noch nicht einmal erwirtschafteten Geld verteilen zu wollen, als gäbe es kein morgen mehr?

       

      ODER GIBT ES ETWA KEIN MORGEN MEHR? Ist es wg. Trump, Erdowahn oder Saudi-Arabien? Bitte, das müsst ihr uns vor der Wahl sagen.

      • @JensF:

        Es gibt ein Morgen. Und für das Morgen muss man investieren. Das ist bis jetzt der Kern der SPD Vorschläge. Wer nicht investiert, lebt von der Substanz und hat morgen nichts mehr.

    • @JensF:

      Schuldenabbau kommt nun mal nicht so gut im Wahlkampf an. Und die SPD versucht solche Themen auszuweichen.

  • Vor der Wahl kommen die großen sozialen Versprechungen aus der SPD und danach kommt die Wirklichkeit.

  • Und jetzt hörte ich Sxchwesig im radio. Da soll es Steuererleichterungen für den Mittelstand geben. Von wegen Steuererleichterungen für untere und mittlere Einkommen, die die große Koalition über all die Jahre nur al Wahlkampfthema kannte. Eine schlichte Wählertäuschung, davon überhaupt zureden.

     

    Aber Steuererleichterungen sollen jetzt Personaleinstellungen bringen? Da zeigt sich wie wenig die SPD wirklich oder angeblich von Betriebswirtscahft versteht. Eine Firma investiert in Personal, wenn sie dadurch mehr gefragte Waren oder Dienstleistungen absetzen kann. Bei gesättigtem Markt werden Firmen niemals einstellen und dadurch ihre Gewinne schmälern.

     

    Nein. Da gab es doch schon in der Vergangenheit Umfragen bei Firmen, die auch für künftige unerwartete Einsparungen geltend dürften: Dann wird nämlich in Rationalisierung investiert. Und dort vor allem beim Personal. Oder wenn ich es im üblichen Euphemismus ausdrücke: Dadurch entstehen immer wettbewerbsfähigere Stellen bei sinkendem Personalanteil.

     

    Wo entstehen neue Stellen? Vor allen Dingen in den Branchen, die gerade noch wachsen. Deutschland soll doch überdurchscnittlilch vom Klimawandel über sogenannte grüne Technoogien profitieren. Sagt auch das Handelsblatt und nicht nur die Grünen.

     

    Aber diese Wachstumsbranchen sollten dann gezielt gefördert werden, so dass schnell dort neue Arbeitsplätze entstehen. Die Gießkanne der Steuerelerchterungen für den ganzen Mittelstand lässt nur weiter die Schere zwischen arm und reich aufgehen.

     

    Und wo kommt so plötzlich das Geld in der großen Koalition auf einmal ausgerechnet wieder im Wahlkampf her??? Da lässt sich langfristig gar nichts von förden - es sei denn es gibt mal wieder höhere Steuern für kleinere und mittleere Einkommen, um die Steuererleichterungen für den Mittelstand zu finanzieren.

  • "Angela Merkel verspricht den BürgerInnen Entlastungen in Höhe von 15 Milliarden Euro, die CSU will mehr, die FDP setzt noch einen drauf und fordert 30 Milliarden."

     

    Das sind alles Versprechungen für bestimmte (spendenfreudige) Bürger. Überhaut ist die Aussage, wir entlasten um XX € wolkig, weil nichts darüber gesagt wird, wer das Geld bekommt. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass die Leute gemeint sind, die schon im Geld schwimmen...

  • Geknebelt vom Seeheimer Kreis hat die SPD den Blick für die Wirklichkeit verloren: Mit wahnsinnig irrealen Geldmengen erdrückt die Finanzwirtschaft reale Märkte und Staaten. Die Antwort der SPD auf diese Kathastrophe in ihrem Wahlprogramm: Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen. Ha-ha, der Witz ist sowas von unlustig! Oder hat die SPD noch Hoffnung nach ihrem Tod an den Wahlurnen in den Steuersenkungshimmel zu kommen. Man weiß ja nie bei den Genossen der Reichen!

  • Als alter Ex-Soze frage ich mich tagtäglich, WAS IN GOTTES NAMEN mich seinerzeit in diese Parte getrieben hat.

    Ich kann es nicht mehr eindeutig beantworten - war es Brandt?

    Was ich allerdings GENAU BEANTWORTEN kann IST, WER und/oder schlimmer WAS mich aus dieser Partei vertrieben hat und zu einem bekennenden Wähler der Partei Die Linke gemacht hat.

    Es ist dieses elende Lavieren der Führung dieser Partei, auch noch unter Aufgabe des letzten Fünkchens Selbstachtung, der Teilhabe an der Macht, zu welchen Kosten auch immer, JEDES NOCH SO KLEINE sozialdemokratische Ideal zu opfern.

    Sicherlich kann ich der CDU und deren dem Neoliberalismus und dem Bellizismus huldigenden Apologeten keinen auch noch so winzigen Splitter an Achtung entgegenbringen, aber das, was sich die "Sozial"demokraten um Schulz, Gabriel, Oppermann oder den anderen "Ehrenmännern und "Damen" dieser Partei seit der Kanzlerschaft Schröders an VERLOGENHEIT leisten, erweckt in mir einen kaum zu unterdrückenden Brechreiz und ist mit dem Wort VERACHTUNG noch viel zu milde umschrieben.

    Man kann ja schon fast nur noch hoffen, dass es für Schwarz-Gelb im Herbst dieses Jahres langen wird, damit eine Partei wie die sPD sich nicht noch weiter prostituieren(!!!) muss, um weiter an einen Zipfel der Macht im Lande lutschen zu dürfen, statt in der Opposition wieder zu sich selbst und den ehemaligen Idealen zurückzufinden zu können.

    Und selbst wenn es ACHT Jahre in der Opposition dauern sollte - alles ist besser, als dieses derzeitig stattfindende elendige, entwürdigende Trauerspiel namens sPD!

    MfG

    biggerB

  • "Wer als Single 54.000 Euro im Jahr verdient, rutscht bereits..."

     

    Ach Gottchen die armen, müssen wir für sie sammeln?