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ARD findet Deniz-Solidarität „nicht fernsehgemäß“

Pressefreiheit Der NDR will einen offenen Brief im Ersten präsentieren – und wird ausgebremst

Zu den Kennzeichen der Solidaritätsaktionen für den seit Mitte Februar in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel gehört, dass Akteure aus unterschiedlichsten politischen Richtungen gemeinsam mobilisieren. Medienpartner des „Auf die Presse!“-­Solidaritätskonzerts, das am Mittwochabend am Brandenburger Tor an Yücel und andere inhaftierte Journalisten erinnert, sind neben der taz unter anderem die Jungle World und die Bild-Zeitung.

Wenn zwischen der linken Wochenzeitung aus Kreuzberg und den Linkenfressern vom Boulevard Welten liegen, liegen zwischen den ARD-Landesrundfunkanstalten Galaxien. So muss man wohl eine Entscheidung interpretieren, die die Intendanten des Senderverbunds Anfang April bei einem Treffen in Frankfurt fällten. Zur Debatte stand, am vergangenen Mittwoch zum Internationalen Tag der Pressefreiheit in der ARD einen offenen Brief pro Yücel zu präsentieren. Die Intendanten konnten sich allerdings nicht einigen, die Idee, für die man ursprünglich auch bei Verlagen werben wollte, umzusetzen.

Vorgesehen war, dass Intendanten im ARD-Programm jeweils Teile des offenen Briefs in Videobotschaften präsentieren. Der Brief sollte auch die Solidarität mit allen anderen inhaftierten Journalisten zum Ausdruck bringen. Gewicht hatte in der Diskussion offenbar die Meinung des ARD-Chefredakteurs Rainald Becker, der an der Sitzung teilnahm. Er habe den „nicht sehr fernsehgemäßen Ansatz“ der vom NDR vorgebrachten Idee kritisiert, sagte er am Mittwochmittag gegenüber der taz. Einen offenen Brief „bildlich umzusetzen“ sei im Fernsehen schwierig.

Die Anti-Soli-Fraktion unter den Intendanten brachte bei der Sitzung in Frankfurt auch einen vielzitierten Ausspruch des früheren „Tagesthemen“-Moderators Hanns Joachim („Hajo“) Friedrichs ins Spiel. In Sachen angemessenen Umgangs mit Nachrichten über Katastrophen, etwa Erdbeben, gab er 1995 in einem Spiegel-Interview die Devise aus: „Distanz halten, sich nicht gemeinmachen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“ Dieses Zitat wird selten vollständig wiedergegeben. Dass Friedrichs in demselben Gespräch die „grüne Botschaft“ seiner Naturfilmreihe „Wunderbare Welt“ und damit seinen eigenen journalistischen Einsatz für eine gute Sache betonte, fällt meist ohnehin unter den Tisch.

Mit Hajo gegen eine Pro-Deniz-Aktion? Die Redensart, dass Friedrichs nun „im Grab rotiert“, drängt sich auf. Bedenkt man aber, wie oft die Äußerung aus dem Spiegel-Gespräch schon gegen die Intention des Urhebers aufgegriffen wurde, befindet er sich ohnehin längst in Dauerrotation. Becker betont, das Friedrichs-Zitat hätten andere in die Runde geworfen, nicht er.

Der ARD-Chefredakteur sagt allerdings auch: „Ich bin gegen Kampagnen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“ Der offene Brief pro Yücel wäre allerdings ein Statement für die Menschenrechte gewesen. Ist da der Begriff „Kampagne“ angebracht? Dass die Aktion nicht zustande gekommen ist, konterkariert nun die programmlichen Bemühungen der ARD anlässlich des Tags der Pressefreiheit. Ob Morgen- oder Mittagsmagazin: Zahlreiche Beiträge widmeten sich diesem Thema.

Unklar ist bisher, welche Intendanten im Detail gegen die Initiative waren. Mitglieder der Fraktion, die sich für die Aktion aussprachen, wollten sich gegenüber der taz nicht äußern. Becker sagt, er sei bei der abschließenden Diskussion nicht mehr dabei gewesen. Die Größe der Kontragruppe ist aber zweitrangig. Dass die ARD nicht einmal in der Lage ist, sich auf etwas Selbstverständliches zu einigen und Flagge zu zeigen, wenn es um Menschenrechtsverletzungen an einem Jour­nalisten aus Deutschland geht, ist allemal besorgniserregend. Wie die ­Intendanten agieren, wenn wirklich einmal ein kontroverses Thema auf der Agenda steht, mag man sich gar nicht vorstellen. René Martens

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