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Vatergefühle in Amman

FlüchtlingeDie Bundesrepublik unterstützt MigrantInnen in den syrischen Nachbarländern. In Jordanien inspiziert Außenminister Gabriel eines der Hilfsprojekte

Im Gespräch mit Flüchtlingen im Caritas-Gemeindezentrum in Amman in Jordanien: Außenminister Gabriel Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Aus Amman Tobias Schulze

Als Sigmar Gabriel zurück in seine Limousine steigen will, passt ihn Mohammed al-Domrani ab. Der Mann aus Damaskus hat ein Anliegen: Vor vier Jahren sei er mit seiner Frau nach Jordanien geflohen, zwei Söhne kamen hier auf die Welt, der Ältere mit Downsyndrom. Als Kellner verdiene al-Domrani in Amman rund 450 Euro im Monat, mehr als die Hälfte gehe für die Miete drauf. Wenn sein Sohn Medikamente brauche, sei das Geld schnell weg.

Die Lage ist schwierig, und so hofft der Familienvater, dass der Gast aus Deutschland etwas für ihn regeln kann. In einem Flüchtlingszentrum der Caritas treffen al-Domrani und Gabriel am Montag aufeinander. Für einen Tag ist der deutsche Außenminister in Jordanien. Der Wüstenstaat hatte gerade mal 6,5 Millionen Einwohner. Wegen des Krieges im Nachbarland leben derzeit aber zusätzlich bis zu 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge im Land.

„Man ist als Deutscher ein bisschen beschämt bei dem, was Sie hier leisten“, sagte Gabriel nach einem Gespräch mit dem jordanischen Außenminister. Das große, wohlhabende Deutschland habe manchmal das Gefühl, mit einer Million Flüchtlingen überfordert zu sein. Was sollten da die Jordanier sagen?

Tatsächlich hat das Land die Flüchtlinge zu Beginn sehr offen empfangen. Doch die Ungeduld in der Bevölkerung wächst. Flüchtlinge berichten vermehrt von Anfeindungen, und auch ihre wirtschaftliche Situation ist unsicher: Zur Versorgung der Flüchtlinge ist die jordanische Regierung auf internationale Hilfe angewiesen, Geld aus dem Ausland fließt aber unregelmäßig.

Immerhin: Die Bundesregierung sicherte vor Kurzem eine zusätzliche Milliarde Euro für die Syrer in der Region zu. Aus ihrer Sicht ist die Hilfe vor Ort im europäischen Interesse. Allein schon, um eine Situation wie 2015 zu vermeiden: Damals machten sich viele syrische Flüchtlinge auf den Weg in die EU, auch weil Hilfsorganisationen in der Region bei ihren Lebensmittelspenden sparen mussten.

„Wir Väter müssen zusammenhalten“

Außenminister Gabriel zum Flüchtling Al-Domrani

Für Mohammed al-Domrani war die Flucht übers Mittelmeer keine Option. Mit behindertem Kind wäre die Überfahrt auf einem Schlepperboot zu gefährlich gewesen. Nach Europa würde er trotzdem gerne übersiedeln – weil sein Sohn dort besser versorgt werden könnte. Die Familie hat sich um einen Platz im Resettlement-Programm beworben, über das EU-Länder freiwillig Flüchtlinge aufnehmen. Die Plätze sind knapp und al-Domrani hat nicht mal eine Eingangsbestätigung erhalten. Jetzt hofft er auf Gabriels Hilfe.

Ursprünglich war er allerdings aus einem anderen Grund ins Zentrum der Caritas gekommen. Seine Familie wollte eine der Geldkarten abholen, die die Hilfsorganisation hier ausgibt. Bedürftige Flüchtlinge erhalten über ein halbes Jahr umgerechnet 180 Euro pro Monat, mitfinanziert aus den deutschen Hilfsmitteln. Die Geldkarten sind nur eines der Projekte, die Deutschland in Jordanien finanziert. Die Bundesregierung unterstützt zudem eine Reihe von Sonderwirtschaftszonen, aus denen Unternehmen vereinfacht in die EU exportieren können, wenn sie syrische Flüchtlinge beschäftigen. Außerdem vergibt Deutschland Stipendien an syrische Studenten in Jordanien, damit diese lernen, wie sie ihr Land nach dem Krieg wieder aufbauen könnten.

Für al-Domrani kommt der Weg zurück nach Syrien nicht infrage. An Frieden in seiner Heimat glaubt er nicht mehr. Deswegen reicht er Sigmar Gabriel die Hand, als der nach seinem Rundgang ins Auto steigen will. Der Außenminister bleibt stehen. Woher sie kommen, wie die Kinder heißen, wie es ihnen in Jordanien geht, fragt er. Nach zwei Minuten gibt er al-Domrani schließlich einen Klaps auf die Schulter. „Wir Väter müssen zusammenhalten“, sagt er, dreht sich um und bespricht sich noch kurz mit seinen Mitarbeitern. Dann steigt er in den Wagen und rauscht davon.

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