Energie – und damit Geld – einsparen: Hand anlegen fürs Klima
Christian Habermann ist freiwilliger Energie- und Abfallberater. Nach Feierabend erklärt er BerlinerInnen, wie Mülltrennen wirklich funktioniert.
Als Christian Habermann um 16.30 Uhr vor der Wohnung in einer Seitenstraße des Kurfürstendamms steht, hat er schon einen vollen Arbeitstag hinter sich. Der 39-Jährige ist selbstständiger Berater in der Finanzbranche. Einen Doktortitel hat er auch. „Jetzt bin ich aber einfach nur Christian“, sagt er noch im Hausflur. Denn hier geht es heute nicht um Finanzanlagen, sondern um Abfallvermeidung und Energiesparmöglichkeiten.
Habermann hat sich im Sommer 2016 über das Projekt „Haushaltsnahe Abfallberatung“ des BUND Berlin zum Energie- und Abfallberater ausbilden lassen. Fast 20 Haushalte hat er seitdem besucht und beraten. Die Beratungen sind kostenlos und dauern etwa zwei bis drei Stunden. Danach weiß man, was zu tun ist, um Geld zu sparen und die Umwelt zu schützen. Gefördert wird das Projekt aus dem Fonds „Trenntstadt Berlin“, der auf Initiative der BSR, ALBA, Berlin Recycling und der Stiftung Naturschutz Berlin gegründet wurde.
Die Wohnungstür öffnen an diesem Tag Elsa Röhr und Jonny Jung. Das junge Paar wohnt seit etwas über einem Jahr in der geschmackvoll eingerichteten Mietwohnung. Viele Pflanzen, warmes Licht, ein kleines Gewächshaus im Küchenfenster, Nudeln und Mehl in Glasgefäßen. In einem Repair Café, in dem man gemeinschaftlich Altgeräte reparieren kann, hatten sie von dem Projekt gehört – und Habermann daraufhin zu sich eingeladen.
Die beiden sind im Bereich Umwelt sozusagen vorbelastet, kennen sich schon gut aus. Elsa Röhr studiert Technischen Umweltschutz und schreibt gerade ihre Abschlussarbeit über Kompostierung. In der Küche steht ein Eimer mit Erde und Würmern. Damit simuliert sie einen Kompost, um entstehende Emissionen zu messen. Ihr Freund Jung hat vor seinem Studium eine Ausbildung zum Energieelektroniker absolviert, jetzt arbeitet er in einem kleinen Berliner Wirtschaftsbetrieb. „Ihr seid ja schon echt gut!“, stellt dann auch der Energieberater Habermann fest, nachdem er sich in der Wohnung einen ersten Eindruck verschafft hat: Kühlschrank, Boiler, Abfalltrennung, Licht, Heizung und Elektrogeräte.
Eine letzte Glühlampe
Das Paar bezieht Ökostrom. Den Warmwasserboiler drehen sie nur höher, wenn Freunde zu Besuch sind und mehr geduscht wird. Nur noch eine letzte Glühlampe hängt über dem Esstisch – „für die Gemütlichkeit“, sagt Jung –, die anderen mussten Energiespar- und LED-Lampen weichen. Auch die Mülltonnen in der Küche sind fein säuberlich beschriftet.
Geld zu sparen sei für sie nur der positive Nebeneffekt einer solchen Beratung, sagt die 24-jährige Elsa Röhr. Es gehe ihnen vor allem um die Umwelt, denn vielleicht gebe es ja noch das ein oder andere, an das sie noch nicht gedacht hätten. Und finden wird Habermann mit Sicherheit etwas – das war bisher immer so.
Für viele Haushalte wäre so eine Energieberatung das Zünglein an der Waage, wenn es um ein schwarzes Plus oder rotes Minus auf dem Konto geht. Anfang des Jahres gab die Bundesregierung auf Anfrage der Linken bekannt, dass jährlich etwa 330.000 Haushalten der Strom abgedreht werde, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen könnten. Das dürfen die Betreiber schon ab einer Schuldenhöhe von 100 Euro machen, wenn auf vorher angekündigte Zahlungsfristen nicht reagiert wurde.
Besonders sozial Schwache sind von Energiearmut betroffen, da die Stromkosten nicht durch die Sozialleistungen abgedeckt werden. Sie müssen somit oft einen hohen Anteil ihres Budgets für Energiekosten aufbringen. Eine Änderung der Regelleistungen steht nicht zur Debatte, und die Stromkosten steigen seit zehn Jahren kontinuierlich. Eine Haushaltsberatung kann somit schnell Abhilfe schaffen.
Mindestens 100 Euro Einsparpotenzial
„Ich hatte noch keinen Haushalt, in dem wir nicht mindestens 100 Euro Einsparpotenzial pro Jahr hatten“, sagt Habermann, während er mit geschultem Blick die Küchenlampen untersucht. Wichtig sei vor allem, dass die Investitionskosten gering sind. Einen energieeffizienten Kühlschrank neu zu kaufen könnten sich viele nicht leisten. Besser sei beispielsweise die Umrüstung auf LED-Lampen und Steckerleisten, die bei den Hausbesuchen des BUND sogar verschenkt werden.
Im Schnitt bewege sich das Einsparpotenzial pro Haushalt um 320 Euro jährlich, erzählt Habermann mit ein bisschen Stolz. Werden die empfohlenen Maßnahmen dann tatsächlich umgesetzt, sparen die Haushalte durchschnittlich 1.100 Kilogramm CO2 – das entspricht einem Kleinwagen mit einer Laufleistung von 10.000 Kilometern pro Jahr. „Das Potenzial ist wirklich enorm“, freut sich Habermann.
Einige Dinge in der Wohnung des jungen Paars kann Habermann direkt angehen: Den Kühlschrank stellt er auf +7 Grad, das Gefrierfach auf –18 Grad. Für Drucker und Fernseher installiert er Steckerleisten, um den Stand-by-Betrieb zu vermeiden. Eine Zeitschaltuhr am Boiler könne außerdem Wunder bewirken. „Das Wasser muss ja hier nicht heiß drinstehen, wenn es nicht gebraucht wird.“
Auch beim Kochen gibt es für das junge Paar noch Potenzial: Da der Herd mit Strom betrieben wird, mache es zum Kochen Sinn, einen Wasserkocher zu benutzen, der vorher mit kaltem Wasser gefüllt werde. Das sei am effizientesten, erklärt Christian Habermann. Wer aber mit Gas heizt, sollte das Wasser direkt und ohne Wasserkocher erhitzen. Gar nicht so einfach, sich richtig zu verhalten.
„Wer richtig trennt, spart Geld“
Weiter geht es beim Müll. Der Finanzfachmann kniet vor den Mülltonnen und greift mit hochgekrempelten Ärmeln in den Abfall. „Wir haben ihn extra nicht geleert“, sagt Elsa Röhr. Habermann macht das nichts aus, denn er sieht in dem Müll nicht nur Dreck, sondern auch Ressourcen. „Wer richtig trennt, spart Geld und schützt die Umwelt!“, sagt Habermann. Ziel müsse sein, die Restmüllmenge möglichst zu minimieren, da die anderen Rohstoffe gut weiterverarbeitet werden könnten.
Wichtig dabei: Penibilität. Schon ein einziger harter Fremdkörper – ein Stein oder eine Tonscherbe – in einem Glascontainer könne eine ganze Produktion Recyclingglas unbrauchbar machen. „Sollten wir unsere Joghurtgläser auswaschen?“, fragt Elsa Röhr. Nein, denn gewaschen würden sie sowieso, da sei die „private Vorwaschung“ unnötig verschwendete Energie, sagt Habermann.
Plastikmüll stopfen? Auch falsch. Die in den Joghurtbecher gestopfte Käseverpackung müsse energieaufwendig herausgelöst werden. Platz sparen zu wollen macht beim Müll also weniger Sinn, da dieser in riesigen Trommeln wieder „aufgelockert“ werden muss. Das Detailwissen des Fachmanns stößt hier offensichtlich auf großes Interesse.
Von den Mülltonnen geht es an den Computer: Habermann gibt die Daten des Haushaltes in ein Programm ein, das dann das Einsparpotenzial berechnet. Selbst dieser Vorzeigehaushalt könne jährlich noch 106 Euro sparen, wenn einmalig 28 Euro investiert würden. „Mit einer Zeitschaltuhr am Boiler wären wahrscheinlich sogar 200 Euro drin“, schätzt Habermann. Eine Menge Geld, eine Menge Umweltschutz.
Der soziale Aspekt
Viele derartige Tipps und Tricks vermittelt Habermann in jedem seiner Besuche. Ihn treibe vor allem der soziale Aspekt dieser Beratungen an. „Die Umwelt hat was davon, der Geldbeutel der Haushalte und ich auch, denn mir macht es Spaß, mit Menschen umzugehen“, sagt er.
Jeder Hausbesuch wird mit einer Ehrenamtspauschale von rund 25 Euro vergütet, mehr kann der BUND Berlin nicht zahlen. Mit An- und Abreise und der nachträglichen Auswertung kommen an die fünf Stunden pro Hausbesuch zusammen – das muss man wollen, reich wird man damit nicht. Doch das war Habermann schon klar, als er sich in 35 Theoriestunden und Praxisprüfungen beim BUND hat ausbilden lassen. Keiner der knapp 40 Aktiven in Berlin mache den Freizeitjob des Geldes wegen, glaubt Habermann.
Seit 2011 wurden 1.250 Haushaltsberatungen vom BUND durchgeführt. Wenn alle Haushalte anschließend die Empfehlungen umsetzen, erreicht das Projekt „Haushaltsnahe Abfallberatung“ eine Einsparung von etwa 51 Tonnen CO2 pro Jahr – so viel wie 25 Flüge von Berlin nach New York.
Auszug aus dem mehrseitigen Schwerpunktthema zu den Klimaschutzzielen von Rot-Rot-Grün in Berlin und der Wichtigkeit des Ehrenamtes. In der Printausgabe Ostern 2017.
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