piwik no script img

Kolumne Nach GeburtWir können auch anders!

Wenn Erdoğan, Trump und Co. uns verarschen wollen, sollten wir die Meister der Verwirrung vorschicken: Zwei- und Dreijährige an die Macht!

Donald Trump im Gespräch mit einer Dreijährigen (nicht im Bild) Foto: reuters

V or einem halben Jahr schrieb ich an dieser Stelle: „Kinder an die Macht? Am Arsch.“ Ich berichtete davon, wie herrschsüchtig und despotisch Kinder seien und dass ich von denen nicht regiert werden wollte und dass ich hoffte, die Erde – sollten wir Alten sie tatsächlich nur von unseren Kindern geliehen haben – nie zurückgeben zu müssen.

Das waren Fake News. Entschuldigung.

Crooked Kruse. So sad. Lock him up!

Denn nach der Kolumne kam Trump. Und kurz danach meine Elternzeit. Und Erdoğan drehte und dreht immer mehr am Rad. Der eine will Strafzölle und Mauern und keine Entwicklungshilfe und Frauen untenrum anfassen und den Menschen ihre Krankenversicherung wegnehmen und ach, was weiß ich. Und der andere will Allmacht und hält alle anderen, die sich ihm in den Weg stellen, für Faschisten oder PKK-Agenten. Und beide lügen der Weltöffentlichkeit ins Gesicht.

Wie soll man mit solchen ­Leuten reden? Wer kann all den Lügen und Dreistigkeiten die Stirn bieten?

Kinder. Am besten zwischen zwei und drei Jahren alt. Ich weiß das. Ein Beispiel:

Ich: „Ich hätt gern Tomaten.“

Tochter eins: „Wir haben keine Tomaten.“

Ich: „Aber da sind doch Tomaten.“

Tochter eins: „Nein.“

Ich: „Aber sie liegen doch hier direkt vor mir in Ihrer Auslage. Ich sehe sie!“

Tochter eins greift zu, nimmt die Tomaten, dreht sich in ihrem kleinen Kaufmannsladen um, legt sie nach hinten und sagt ganz ernst: „Wir haben keine Tomaten.“

Alternative Fakten schaffen, das können die Kleinen.

Erwachsene dagegen reden so wie deutsche Außenminister: „Elisabeth, ich finde das wirklich nicht so gut, dass Du erst deine Schippe angefeilt und dann dem Frederik durchs Gesicht gezogen hast. Find ich wirklich nicht so toll.“

Liebe Eltern, das verstehen Kinder nicht. Es ist ihnen doch scheißegal, was Mama oder Papa gefällt.

Genauso wie es narzisstische Pseudoführer nicht verstehen, wenn man ihnen sagt, dass es echt voll gut wäre, wenn sie doch bitte die Meinungsfreiheit achteten, Journalisten freiließen, Rechte von Minderheiten respektierten, keine Lügen mehr verbreiteten und sich doch endlich benähmen. Bitte.

Unsere Machtlosigkeit ist ihre Befriedigung.

Stupid adults. So weak. Lousy people.

Und genau diese Befriedigung werden ihnen kleine Kinder nicht verschaffen. Sie sind die Meister des Postfaktischen. Während Erdi, Donald und Co. mit den Konventionen brechen, haben Minimenschen die Konventionen noch gar nicht verinnerlicht. Sie sind quasi präfaktisch.

Und Nein sagen können Zweijährige auch ganz hervorragend. Es ist der Klassiker in ihrem Ich-mach-mir-die-Welt-wie-sie-mir-gefällt-Programm: Egal ob Tomaten, Zähne putzen, schlafen, essen, Treppen laufen, „Hast du gekackt?“, anziehen, ausziehen, ruhig sein oder: Stimmen Sie dem verfassungsändernden ­Gesetz Nummer 6771 zu? – „Nein.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ach Herr Jürn Kruse - mal wieder am Start.

     

    Ok. Der Tomatenfall. Sorry - aber -

    Jenseits Ihrem Postfaktischgehuber -

    Mal - Ganz - Einfach!

    Virtuelle Welt vs (Ihre) sog. Reale Welt.( Die Sie - wie für mich nicht anders erwartbar - als die Verbindliche nehmen - klar! &

    That's wrong - That's the fault!)

     

    1. Stufe -

    Tochter 2-3 entdeckt ein gleichaltriges Kind in der Ecke der Sandkiste.

    Modell - Griesgrämig-bullige Kröte!

    Auf Entbieten der Tageszeit -

    Schippe durchs Gesicht! Heul - aber!

    2. Stufe - Interessantes Kind!!!

    Sarah-Emma - aha Mutter Engländerin!

    3. Stufe

    Kl. Holztruhe dient der Tochter als Kaufladen!

    "Ja - Frau Meier - 2 Pfund Kartoffeln!" "Ich heiße…!"

    "Jaja - aber Frau Meier hier sind Ihre Kartoffeln!" "Wo sind denn die …?"

    "Ja hier doch…" "Wo denn…"!;))

    & riterdando mucho

    kurz - ca 2 bis 3 Wochen & dann -

    Aha-Effekt! = Pott&Löffel!

    (Vater im Nebenzimmer konnte bis dato vor Lachen seine Refi-Akte nicht bearbeiten!;)

     

    Nu. Wer den Film Vitus kennt ist im Vorteil! https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vitus_(Film)

    D.h. Zusammenprall von

    Virtuelle Welt vs sog. Reale Welt! Oder anglo-amerik. Erziehung - vs

    KindlichePhantasiewelt/kindorientierte Erziehung!

     

    kurz - "Und genau diese Befriedigung werden ihnen kleine Kinder nicht verschaffen. Sie sind die Meister des Postfaktischen. …"

    Genau das - halte ich mit Verlaub -

    Für ausgemachten Stuß!

    Hab ich mit zwei Runden kids nicht erlebt & erlebe ich derzeit mit 2&1 Enkeln nicht. Punkt.

    • @Lowandorder:

      Mal anders gewendet!

       

      Mutter Kliniksärztin - Vater Landarzt vor Ort.

      Frühstück. - Anlaß? - egal.

      "Kannst da das bitte machen?!"

      "Ich wünsche!" - "Wir sind hier nicht beim Sams! - Ich will - daß du das jetzt machst!" - "Ich wünsche!"

      (Opa prustet los;) - "Ok - kannst du das bitte machen!" "Ja - ok!"

       

      Klar. Kids sind regelmäßig - weil unverstellter - die besseren Blitzschachspieler & auf Eishockeykufen unterwegs - die ständig & mühelos die Ebenen wechseln/können!

      Deshalb. Der Goncourt-Preisträger vor 2/3Jahren sagte - "Eigentlich möchte ich hier gar keine Rede halten! Ich unterhalte mich vorrangig mit Kindern. Erwachsene sind mir zu verstellt in der Denke!" Jau. Stimmt.

       

      Meine Tochter:"Is schon ein wenig Streß für mich - wenn du da bist!"

      "Klar - du kommst nach Behandlung krebskranker kids & 45min Fahrt hier an - oder haste vor dir! Ich - schau mal vorbei & bin nicht ins stereotype System eingebunden - also "Kunststück" - klar doch! &

      Der Vater - hat 'n paar Minuten zu Fuß.

      Du - hast den schwierigsten Part dabei! - & - Sei dir sicher -

      Das. Wissen die Backen aber auch!"

  • Zweijährige sind oft noch unkorrumpiert. Aber sie sind doch Menschen und also nicht unkorrumpierbar. Weshalb die meisten Dreijährigen, die entsprechende Erziehung vorausgesetzt, so weit entwickelt sind, dass ich auch von ihnen nicht mehr regiert werden möchte.

     

    "Stimmen Sie dem verfassungsändernden Gesetz Nummer 6771 zu?" – "Nein" – "Warum nicht? Sie wissen doch gar nicht, was da steht?" – "Egal. Ich will eben nicht." – "Aber ich gebe Ihnen ein Überraschungsei dafür." – "Na gut, gib her."