Peter Kloeppel über TV-Nachrichten: „Ich sehe mich nicht als Feigenblatt“
Seit 25 Jahren ist Peter Kloeppel Chefmoderator von „RTL Aktuell“. Die Qualität beim Privatsender sei so hoch wie bei den Öffentlich-Rechtlichen, findet er.
taz.am wochenende: 25 Jahre „RTL Aktuell“ – da können Sie ja fast vom Krieg erzählen. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie nicht bloß Teil irgendeines Experiments sind, Herr Kloeppel?
Peter Kloeppel: Schon, als mich der Sender gefragt hat, ob ich das machen will. Damals hatten wir uns gleich auch ein neues Studiodesign angeschafft in Anlehnung an das US-Fernsehen – ein Zeichen, dass RTL in Nachrichten investiert. Wir haben dann sehr bald gemerkt, dass uns nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Politik akzeptieren. 1996 hat uns der Bundeskanzler erstmals ein Sommerinterview gegeben.
Helmut Kohl war der Durchbruch?
Das war immerhin ein Novum. ARD und ZDF hatten davor immer den Eindruck erweckt, dass sie das Nonplusultra sind, wenn es um Politik geht. Aber dann konnten wir zeigen: Wir müssen uns nicht verstecken.
Letztlich senden Sie seit 25 Jahren vor allem gegen die ZDF-„heute“. Wer hat am meisten vom anderen abgeschaut?
Wir sind mit der Zeit doch alle beweglicher geworden. Wir bei RTL betreiben intensiv Marktforschung. Von unseren ZuschauerInnen wissen wir, dass politische Ereignisse heute stärker in ihr Leben hineinwirken. Also erklären auch wir politische Entscheidungen häufiger und bleiben an Themen wie Terrorismus und Populismus dran. Sogar die „Tagesschau“ verändert sich und setzt mittlerweile auf den Teleprompter. Vor zehn Jahren wäre das noch undenkbar gewesen.
In der Abmoderation haben „Tagesschau“-Sprecher inzwischen sogar Beine.
Revolution!
Der Mann: Der Chefmoderator von „RTL Aktuell“ hat seinen Vertrag am Mittwoch um drei Jahre verlängert.
Die Sendung: „RTL Aktuell“ ist die Hauptnachrichtensendung des Senders und wird täglich ausgestrahlt.
Vielleicht hat sich „heute“ stärker an „RTL Aktuell“ angenähert als andersherum? Im Archiv finden sich jedenfalls Geschichten mit Titeln wie „Heute wird gekloeppelt“ zum Relaunch der ZDF-Nachrichten.
Als das ZDF in sein virtuelles Studio umgezogen ist, war die Aufregung groß. Wir haben aber damals schon gesagt: Das ist der richtige Schritt – und für uns schon lange nichts Neues. Solange die Nachrichten und nicht irgendwelche technischen Spielereien im Vordergrund stehen, ist das in Ordnung.
Für die Konkurrenz sind Sie der Mann aus Teflon. Das ZDF hatte versucht, Matthias Fornoff mit einer aufwendigen Kampagne als den „Mann von heute“ gegen Sie zu setzen. War das nicht niedlich?
Ehrlich gesagt habe ich mir darüber gar nicht so viele Gedanken gemacht. Ich kenne die Mechanismen natürlich gut: Wenn man neue ModeratorInnen etablieren möchte, fährt man auf, was man kann. Kampagnen in Print und Online gehören dazu. Ich hatte Fornoff alles Gute gewünscht. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Jetzt moderiert eben jemand anderes – die Hintergründe kenne ich nicht.
Er ist links, deutsch, ein Antifa – und zieht in den Krieg nach Syrien. Er hört die Raketen, schießt, will nicht nach Hause. Das Protokoll eines Kämpfers lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. April. Außerdem: Vor der Wahl in Frankreich wirkt Emmanuel Macron wie die letzte Hoffnung Europas. Wie links ist er? Und: Mathilde Franziska Anneke und Karl Marx kannten sich. Sie hat so radikal gedacht, geschrieben und gehandelt wie er. Warum erinnert sich niemand an sie? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Vor der vergangenen Bundestagswahl hatten Sie gleichzeitig mit WählerInnen und PolitikerInnen über die Wahlprogramme gesprochen. Legen Sie „An einem Tisch“ neu auf?
Mal sehen, wir sitzen noch an Konzepten. In diesem Jahr werden wir aber vor allem unsere täglichen Sendungen nutzen, um in verschiedenen kurzen Formaten Politisches stark nach vorne zu stellen. Wir erreichen so unsere ZuschauerInnen einfach besser: Wer jeden Tag Nachrichten sieht, bekommt in der Summe mehr mit, als wenn er sich nur eine einzelne Sendung zu den Wahlprogrammen ansieht. Meine Rolle wird aber auch dann sein, mich immer wieder aus dem Studio heraus zu begeben. Ich werde durchs Land fahren, wieder mit WählerInnen und PolitikerInnen reden. Das wird sicher heftig bis September.
Hat Martin Schulz eigentlich schon bei Ihnen vorgefühlt?
Wofür?!
Na, ob Sie gegebenenfalls den Seibert machen und Regierungssprecher werden. Ihrem früheren ZDF-Kollegen hat das Nachrichtenstudio ja dann auch gereicht.
(lacht) Er wird da vermutlich nicht an mich denken – und ich wäre auch nicht der richtige Mann dafür. Ich werde vermutlich mein ganzes Leben lang keinen Haken an den Journalismus machen. Dafür bereitet mir der Job einfach nach wie vor zu viel Spaß.
Auch RTL hat gerade jubiliert: Sie bleiben weitere drei Jahre dabei. Gab es nie das eine verlockende Angebot, das Sie zum Nachdenken gebracht hat?
Bislang tatsächlich nicht. Dass andere gewechselt sind, hat vielleicht auch damit zu tun, dass sie nicht so viele Möglichkeiten hatten. Ich kann bis heute bei RTL immer wieder Neues ausprobieren – von eigenen Formaten vor Bundestagswahlen über lange Reportagen bis hin zu historischen Dokumentationen.
Ihr Sender weiß wohl, wie er sein ewiges Feigenblatt bei Laune hält.
Ich sehe mich nicht als Feigenblatt. Und wenn Sie tatsächlich meinen, der Sender brauche mich, um anderes zu verdecken, vergessen Sie’s! Wir machen seit über dreißig Jahren erfolgreich Fernsehen. Dass da nicht jedem alles gefällt, das ist sicher auch bei den Öffentlich-Rechtlichen der Fall. Aber wie gesagt: Es gab hier immer die Chance, Neues ausprobieren. Deshalb hat es mich auch nie groß gejuckt nach dem Motto: „Mensch, jetzt muss ich dringend etwas völlig anderes machen.“ Und das wird auch so bleiben.
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