Bundesregierung zum Fall Deniz Yücel: Scharfe Worte, weiße T-Shirts
Merkel und Mitglieder des Bundestags mahnen die Türkei vor dem EU-Gipfel abermals zur Freilassung Deniz Yücels. Die Grünen schreiben sich #FreeDeniz auf die Brust.
Ein türkischer Richter hatte die Untersuchungshaft des Welt-Korrespondenten Ende Februar in Istanbul angeordnet. Zuvor war Yücel bereits fast zwei Wochen in Polizeigewahrsam. Der Haftrichter hatte Zeitungsberichte Yücels als Belege für den Vorwurf der Terrorpropaganda und Aufwiegelung angeführt. Es handelte sich laut Welt um Texte zum versuchten Militärputsch vom 15. Juli 2016 und zur Politik der türkischen Regierung gegenüber den Kurden in Syrien und dem Irak sowie der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Yücel besitzt die türkische und deutsche Staatsbürgerschaft. Er hatte sich am 14. Februar freiwillig der Polizei gestellt.
Merkel wies in ihrer Regierungserklärung darauf hin, es liege nicht im Interesse der Bundesrepublik, dass sich die Türkei weiter von Deutschland entferne. Deutschland habe komplizierte, aber vielfältige Verbindungen mit der Türkei. Wahlkampfauftritte von türkischen Politikern seien weiter möglich, sofern sie genehmigt werden könnten, sagte Merkel.
Die Nazi-Vergleiche von türkischen Politikern seien traurig, hob Merkel hervor. „Zu rechtfertigen ist das überhaupt gar nicht.“ Solche Vergleiche führten grundsätzlich ins Elend, weil sie Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlosten. „Diese Vergleiche der Bundesrepublik Deutschland mit dem Nationalsozialismus müssen aufhören“, forderte Merkel. Sie seien der engen Beziehungen nicht würdig. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte kürzlich den deutschen Behörden „Nazi-Methoden“ vorgeworfen, nachdem mehrere Kommunen Auftritte türkischer Minister abgesagt hatten.
Grüne setzten Zeichen im Bundestag
Vor der Regierungserklärung kritisierte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Türkei deutlich. Sie entwickle sich zunehmend zu einem autokratischen Staat, der sich immer weiter von Europa entferne. In diesen turbulenten Zeiten könne sich jeder ein eigenes Bild machen, wo Meinungsfreiheit praktiziert werde, sagte Lammert. Wer Deutschland öffentlich verdächtige, Nazi-Methoden anzuwenden, disqualifiziere sich selbst.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann bezeichnete die Situation in der Türkei als „bestürzend“: „Jeder, der eine andere Meinung hat, muss Angst haben, verhaftet zu werden.“ Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken, fordert die sofortige Freilassung Yücels.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir erklärte, die beste Antwort auf die Nazi-Vergleiche gäben die deutschen Lehrer im Geschichtsunterricht, die den Kindern das Narrativ „Nie wieder Auschwitz“ beibrächten. „Wenn türkische Politiker hier auftreten, dann erwarte ich eine positive Geste, beispielsweise dass Deniz Yücel freigelassen gehört“, forderte Özdemir.
Abgeordnete der Grünen haben indes im Plenum des Bundestags für die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel demonstriert. Drei Parlamentarier um den Berliner Abgeordneten Özcan Mutlu standen nach Merkels Regierungserklärung am Donnerstag von ihren Plätzen auf – und trugen weiße T-Shirts mit der Forderung „#Free Deniz“. Lammert forderte sie auf, gemäß der Hausordnung mit den T-Shirts den Saal zu verlassen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen