Gutes Geschäft trotz Niedrigzinsen: Allianz goes öko
Europas größter Versicherungskonzern trotzt nicht nur der Niedrigzinsphase, er expandiert sogar. Was das mit Fußball und Windparks zu tun hat.
Hamburg taz | Marokko hat sich zu einem wichtigen Drehkreuz entwickelt: für Flüchtlinge gen Norden, für die Allianz gen Süden. Der Versicherungskonzern startete vor wenigen Wochen sein Geschäft in Casablanca.
Das Land sei wichtig für die strategische Ausrichtung auf dem Kontinent, sagte Afrika-Chef Hicham Raissi. „Dass wir in Marokko investieren, verdeutlicht unser Vertrauen in das Wachstumspotenzial.“
Europas Nummer eins will zum „Maßstab“ werden und Geschäftskunden unterstützen, die in andere afrikanische Märkte expandieren. Auch andernorts beschreitet die Allianz ungewöhnliche Wege. In Deutschland startet in diesen Tagen ein Pilotprojekt mit dem Amateursportportal sporttotal.tv. Eine neuartige Videotechnik soll es den mehr als 90.000 Sportvereinen ermöglichen, ihre Wettkämpfe vollautomatisch auf Smartphone und Tablet zu übertragen.
Sport als lukrative Reklame-Plattform haben die Münchner durch ihre Kapitalbeteiligung am Fußballdauermeister Bayern München schätzen gelernt.
Ebenfalls ordentliche Renditen sollen „alternative Kapitalanlagen“ abwerfen, die klassische Anlagen wie Aktien, Kredite oder Kohle ablösen. Dabei arbeitet der Versicherer mit NGOs wie New Climate und Germanwatch zusammen. 101 Milliarden Euro mehr oder weniger grüne Investitionen standen Ende 2016 in ihrer Bilanz: Windparks und Wasserkraft, aber auch Beteiligungen an Raststätten und Einkaufszentren.
„Noch ist das Divestment nicht durch“
Hinter dem Begriff „grüner Vorzeigekonzern“ macht Markus Dufner vom Dachverband der kritischen Aktionäre trotzdem ein Fragezeichen. Nach wie vor finanziere die Allianz umstrittene Staudammprojekte. Heffa Schücking, Geschäftsführerin von Urgewald, lobt zwar den angekündigten Ausstieg aus der Kohle. „Aber das Divestment ist noch nicht durch.“ Und Policen würden weiterhin an Kohlefirmen verkauft.
Dabei arbeitet die Allianz hochprofitabel. Mitte Februar überraschte die Konzernmutter Allianz SE, die in mehr als 60 Ländern aktiv ist, mit einem 10-Milliarden-Euro-Gewinn. Dass ein Großteil davon aus Deutschland stammt, wird die am Donnerstag vorgestellte Bilanz der Kerngesellschaft in Unterföhring zeigen.
Geld kommt zu Geld
2015 hatte der frühere McKinsey-Berater Oliver Bäte seine neue Strategie vorgestellt. Inzwischen sagt er: „Die Allianz liefert.“ Die Kosten sinken. Damit schneidet der Konzern laut dem Branchendienst MAP-Report deutlich besser ab als alle großen Konkurrenten. Der Finanzstabilitätsrat der G-20-Staaten hält die Allianz für „systemrelevant“.
Sieger ziehen neue Kunden an. So boomt das Neugeschäft, und auch auf dem zweitwichtigsten Markt, den Vereinigten Staaten, läuft es. Entscheidend für die rekordverdächtigen Erträge ist das Kapitalanlageergebnis. 25,7 Milliarden Euro betrug es 2016. Auch bei den Renditen ist die Allianz der Konkurrenz weit enteilt. Weil sie traditionell breit aufgestellt ist, profitiert sie sogar von den derzeit niedrigen Zinssätzen: Ältere Wertpapiere mit höheren Zinssätzen steigen dadurch im Kurs an der Börse. Allein durch „Gewinnmitnahmen“, also den Verkauf solcher Papiere, wurden über 8 Milliarden Euro eingefahren.
Leser*innenkommentare
Energiefuchs
Die Bezeichnung Windpark ist und bleibt irreführend: es ist und bleibt eine Industrieanlage, riesig und störende. Die Allianz finanziert jetzt also subventionierte Energieerzeugungsanlagen. Tolle Wurst. Da können wir auch gleich die Allianz subventionieren.
Tom Farmer
Schön, wenn sich die ERkenntnis durchsetzt, dass sich mit Öko nicht nur das schlechte Gewissen beruhigen lässt sondern auch Renditen zu erzielen sind.
Könnte dann helfen gegen die Rentenlücke.
Ist aber wie immer schwierig: Läufts im Großkapital schlecht gibts Häme wegen des Misserfolgs, läufts gut gibts Häme wegen der unverdienten Rendite.