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Debatte Trump und der IranEine ganz eigene Echokammer

Kommentar von Charlotte Wiedemann

Wo ein toter Ajatollah wichtiger ist als ein Präsident Trump. Der Iran präsentiert sich derzeit als Kosmos von Zeichen und Ritualen.

Tausende Iraner bei der Beerdigung Rafsandschanis in Teheran Foto: dpa

G eopolitik wird in diesen Tagen eine Art Gesellschaftsspiel, wo immer es um den Präsidenten Donald Trump geht. Unbewusst wird dessen Redeweise über die Welt übernommen, als seien Länder und Kontinente kleine weiße Bälle zum Pingpong-Spielen: China, überhaupt Asien, Putin, Europa, die Zukunft der EU. Und was ist mit dem Iran, mit dem Nukleardeal?

Es scheint sinnvoll, daran zu erinnern, dass die Welt jenseits von US-Amerika und Europa aus durchaus selbstbewussten, eigenwilligen und komplexen Gesellschaften besteht, die keineswegs beständig darauf starren, was der Geblondete im Weißen Haus als Nächstes tut. Zur Illustration möchte ich einige Eindrücke aus dem Iran beisteuern, einem Land, dessen Entwicklung seit der berühmten 444-tägigen Geiselnahme von US-Diplomaten im Jahr 1979 übrigens den stetigen Machtrückgang der Vereinigten Staaten spiegelt.

In den zwei Wochen vor Trumps Inauguration erlebte ich einen Iran, der völlig mit sich selbst beschäftigt war, gleichsam nach innen gestülpt. Als ich eintraf, war Stunden zuvor Ajatollah Ali Akbar Haschemi Rafsandschani gestorben; der Taxifahrer am Flughafen erzählte davon so aufgeregt, dass ich einen Moment lang dachte, der Expräsident sei ermordet worden. Wie sich später herausstellen würde, kam auch eine Reihe von Iranern auf diese Idee.

Rafsandschani war 82 Jahre, ein Alter, in dem der Tod nicht ganz ungewöhnlich ist; in seinem Fall durch Herzstillstand. Wer den Iran nur aus der Ferne kennt, mag denken: Da ist ein alter Mullah gestorben, gut so, da wird Platz für Neues. Aus der Nähe erlebte ich ein Land im Schock, dieses Wort wurde ständig wiederholt, selbst von einer jungen säkularen Freundin in einem Szenecafé, und sorgenvolle Ungewissheit erfüllte gerade jene, die auf politische Veränderungen hoffen. Bei meiner Ankunft waren einige Server von Nachrichtenseiten unter dem Ansturm der User zusammengebrochen.

Vor der Inauguration Trumps erlebte ich einen Iran, der völlig mit sich selbst beschäftigt war

Was in den folgenden Tagen geschah, konnte ich nur aus den Augenwinkeln beobachten, denn ich war mit einer anderen Aufgabe im Land – und ausländische Reporter werden weiterhin mit Kurzvisa diszipliniert. Die Islamische Republik präsentierte sich, wie in allen als historisch empfundenen Momenten, mit ihrem ganz eigenen Kosmos von Zeichen, Ritualen, Verhaltensweisen; ein Echoraum der Selbstbezüglichkeit.

„Oh Hussein, Mir Hussein“

Der Tote eignete sich bestens, von vielen Iranern als Teil der eigenen Lebensgeschichte betrachtet zu werden – in Wohl und Wehe. Schüler Chomeinis, Präsident der Wiederaufbau-Jahre nach dem Iran-Irak-Krieg, schwerreich, dann überraschend Sympathie für die Grüne Bewegung von 2009, deshalb 2013 vom mächtigen Wächterrat gesperrt für eine neue Präsidentschaftskandidatur; in der Folge ­unterstützte Rafsandschani Hassan Rohani, verhalf ihm zum Sieg, galt nun als wichtigster Stratege der Moderaten.

Weil Hardliner ihn anfeindeten, kursierte das Gerücht vom Meuchelmord – bis die Familie des Verstorbenen medizinische Details im Fernsehen offenbarte und versicherte, es hätten sich keine Würgemale oder Ähnliches gefunden. Stets mit einem Bein in der Vergangenheit lebend, erinnerten Iraner, dass Rafsandschani kurz vor dem Jahrestag eines berühmten politischen Mordes der Qadscharen-Ära verstarb: Der Reformer Amir Kabir wurde 1852 in einem Badehaus erstochen. Nun stehe der neue Amir Kabir vor Gott, besagte ein mehrdeutiger Slogan.

Charlotte Wiedemann

ist freie Autorin und wurde mit ihren Reisereportagen aus muslimischen Ländern bekannt. Im März erscheint ihr jüngstes Buch "Der neue Iran. Eine Gesellschaft tritt aus dem Schatten".

Der Ansturm zur Beerdigungsfeier in Teheran wurde zunächst auf eine Million Menschen geschätzt, später auf zweieinhalb Millionen. Das Staatsfernsehen hatte es versäumt, imposante Hubschrauberaufnahmen zu liefern, und leistete Selbstkritik.

Auf der Beerdigung bildeten die Anhänger von Konservativen und Reformern rivalisierende Sprechchöre, jeweils in religiös verbrämter Weise. Der Ruf „Oh Hussein, Mir Hussein“ bemühte vordergründig den wichtigsten schiitischen Märtyrer aus dem siebten Jahrhundert, Imam Hussein, war in Wirklichkeit jedoch ein Protest gegen den fortgesetzten Hausarrest des Präsidentschaftskandidaten von 2009, Mir Hussein Mussawi.

Die Sanktionen, die Isolation

Dem reformorientierten früheren Präsidenten Mohammed Chatami war die Teilnahme am Beerdigungszug verboten worden. Wegen seiner Unterstützung der Grünen Bewegung unterliegt er bereits einem Medienbann. Wann immer ein Foto mit einem gepixelten Klerikerkopf erscheint, wissen Iraner: Das kann nur Chatami sein. Vor seinem Haus wurden nun sogar Wachen postiert. Einem Einzelnen die Teilnahme an einem Millionen-Ereignis zu untersagen, wirkt wie eine Schrulle der Islamischen Republik. Doch wäre Chatamis Anwesenheit als Ermutigung begriffen worden, noch mehr politischen Unmut zu zeigen. Denn es ist nicht die schiere Masse, die Schutz bietet – es kommt auf die Zusammensetzung der Masse an.

Mehrere Dutzend ehemalige Gefangene nahmen Rafsandschanis Tod zum Anlass, öffentlich zu Dialog und Versöhnung aufzurufen. Die Iraner wirkten in diesen Tagen, trotz aller Zerwürfnisse, wie eine Schicksalsgemeinschaft, gefesselt an denselben Gefühlskosmos. Dazu haben die lange Zeit der Anfeindungen von außen beigetragen, die Sanktionen, die Isolation. Aber auch die Gewöhnung an das über Jahrzehnte identische Personal der Islamischen Republik, das wie in einer Endlosserie im gleichen Kostüm in wechselnden Rollen auftritt.

Wie so oft im Iran blieb alles doppelgesichtig. Weil Rafsandschani als der Mann galt, der hinter der Bühne den Nukleardeal möglich gemacht habe, könnte sein Tod den Präsidenten Rohani vor der Wahl im Mai weiter schwächen. Oder war die große Anteilnahme an seinem Tod nicht gerade ein Zeichen der Popularität der Moderaten und damit eine Stärkung Ro­hanis?

Bei aller Unterschiedlichkeit der Motive: Viele Iraner trauerten tatsächlich um den alten Ajatollah. Wer aus der Ferne meint, das System, für das Rafsandschani in seinen wechselnden Rollen stand, habe keine Basis mehr, der täuscht sich.

Das sollte man auch in Trumps Kabinett zur Kenntnis nehmen. Darin befinden sich mehr Anhänger eines regime change im Iran als in allen früheren Regierungen.

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