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Mindestlohn für ZuwandererRegierung berät über Ausnahmen

Die „SZ“ berichtet von einem Diskussionspapier mehrerer Ministerien. Nachqualifizierungen, wie etwa Praktika, sollen unter dem Mindestlohn vergütet werden.

Arbeiter zweiter Klasse? Flüchtlinge arbeiten in der Ausbildungswerkstatt der Deutschen Bahn AG Foto: dpa

München epd | Die Bundesregierung erwägt einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge Ausnahmen für Flüchtlinge und Zuwanderer beim Mindestlohn. Laut einem gemeinsamen Papier von Arbeits-, Finanz- und Bildungsministerium solle für einen Migranten kein Mindestlohn gezahlt werden müssen, wenn sich dieser zur Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses in Deutschland nachqualifiziert. „In diesen Fällen kann eine Ausbildungsvergütung gezahlt werden“, heiße es in dem Papier.

Das Arbeitsministerium betrachtet die Überlegungen laut Zeitungsbericht als „internes Diskussionspapier“. Rechtsänderungen oder Änderungen der Verwaltungs- und Kontrollpraxis wären hiermit nicht verbunden, sagte eine Sprecherin. Die Auslegungs- und Praxishinweise könnten aber „Bestandteil des Informationsangebots der Bundesregierung“ werden, sobald das Papier fertig abgestimmt sei.

Der Mindestlohn wurde zu Jahresbeginn von 8,50 auf 8,84 Euro die Stunde erhöht. In dem Papier würden mehrere Beispiele genannt, wann der Mindestlohn nicht gelten soll, berichtet die Zeitung: Absolviere zum Beispiel ein syrischer Tischler ein neun Monate langes Praktikum, weil ihm für die Anerkennung seines Berufsabschlusses neun Monate fehlen, wäre kein Mindestlohn fällig. Das gelte auch für eine vietnamesische Krankenschwester, die für ihre Berufszulassung in Deutschland noch einen längeren Lehrgang oder einen Kurs plus Praktikum machen muss, um Kenntnisse in der Krankenpflege nachzuweisen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte vor neuen Ausnahmen beim Mindestlohn. Schon jetzt würden Unternehmen „Flüchtlinge, die sich mit ihren Rechten noch nicht auskennen, als billige Arbeitskräfte ausnutzen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der „Süddeutschen Zeitung“. Die Auslegung durch die Ministerien führe dazu, „dass die Einfallstore zur Umgehung des Mindestlohns größer werden und nicht mehr kontrollierbar sind“.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hingegen argumentiert laut Zeitungsbericht, es gehe um ausbildungsähnliche Qualifizierungen, die nicht unter den Mindestlohn fielen. Würden dafür 8,84 Euro Stundenlohn gelten, würde dies die Bereitschaft der Betriebe bremsen, solche Angebote zu machen.

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5 Kommentare

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  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Anders geht das kaum. Ich kümmere mich nebst anderen Auszubildenden auch um einen geflüchteten Auszubildenden. Bevor ich in der Situation war konnte ich mir kaum vorstellen was für eine Blockade die Sprachbarriere ist und wie problematisch die kulturellen Unterschiede sein können.

     

    Viele die in diesem Pilotprojekt mitwirken machen das aus Überzeugung. Im Handwerk wird es teilweise aus Mangel an Bewerbern gemacht.

    Der zeitliche Aufwand ist immens und die Zeit welche diese Auszubildenden im Betrieb verbringen ist deutlich geringer als die normaler Auszubildender. Grund dafür sind Termine für Deutschkurse und Nachhilfe für die Berufsschule, welche durchweg in Anspruch genommen werden muss.

     

    Die Flüchtlinge die ich im Zuge dieses Projektes kennen gelernt habt sind alle recht fit im Kopf und zuvorkommend aber sie sind auf dem Arbeitsmarkt zu normalen Bedingungen in keinster Weise konkurrenzfähig. Da darf man sich nichts vormachen!

  • Ohne Details sinnlos zu diskutieren. Als Lehrling bekommste auch kein Mindestlohn. Wenn nach- oder ausgebildet wird doch eigenlich naheliegend.

    Passt doch auch perfekt in ein "Billiglohnland".

  • Unglaublich, was der Regierung alles einfällt, um den Mindestlohn aufzuweichen. Uns es ist bestimmt eine gute Idee, in einem Wahljahr einen Lohnkampf nach unten zu starten. Die AfD wird sich freuen...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wenn ein Flüchtling gleich als CNC-Fräser oder Dreher einsteigen und nach Zeichnung selbstständig arbeiten könnte. Selbst ein Programm schreiben usw. wird er mindestens den Mindestlohn bekommen. So gilt für ihn dasselbe wie für alle: in der Lehre gibt's erstmal wenig.

      • @Jens Egle:

        "Wenn ein Flüchtling gleich als CNC-Fräser oder Dreher einsteigen und nach Zeichnung selbstständig arbeiten könnte."

         

        Das sind Jobs, für die es nur den Mindestlohn gibt?