Kontrolle von islamistischen „Gefährdern“: Maas will die vorsorgliche Fußfessel
Die Minister Maas und de Maizière sind für die Kontrolle von islamistischen „Gefährdern“ – auch wenn diese noch nicht verurteilt worden sind.
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) antwortete gestern, das sei ein „guter Vorschlag“. Von ihm hatte man solche Töne bisher nicht gehört. Weder in seinem Maßnahmenkatalog vom August noch in seinen Leitlinien, die er Anfang Januar veröffentlichte, sind elektronische Fußfesseln erwähnt.
Bei einer elektronischen Überwachung würde am Fußgelenk des „Gefährders“ ein GPS-Sender befestigt, der den jeweiligen Aufenthaltsort auf fünf Meter genau anzeigen kann. Falls sich der Gefährder einem verbotenen Ort, zum Beispiel einem Bahnhof oder Flughafen, nähert, würde in der Einsatzzentrale ein Alarm ausgelöst. Die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle (GÜL) sitzt in Bad Vilbel (Hessen). Derzeit werden bereits 88 Personen überwacht.
Bisher kann die elektronische Fußfessel nur im Rahmen der Führungsaufsicht bei haftentlassenen Sexual- und Gewalttätern angeordnet werden. Maas will dies in einem Gesetzentwurf von voriger Woche auf Personen erweitern, die wegen Terrorvorbereitung und ähnlicher Delikte verurteilt wurden. Nun fordert er auch eine Anwendung auf noch nicht verurteilte Gefährder.
Es ist allerdings strittig, ob der Bund für reine Gefährder überhaupt ein Gesetz beschließen darf. Innenminister de Maizière sagte dazu Ende Dezember: „Eine solche Möglichkeit müsste der Landesgesetzgeber vorsehen. Dem Bund fehlt hierfür schlicht die Zuständigkeit.“ Am Montag äußerte er sich vorsichtiger: „Wenn es eine rechtlich saubere Möglichkeit gibt, dass der Bund das regeln kann, bin ich sofort dafür.“
Heiko Maas
Tatsächlich ist das Bundeskriminalamt seit 2009 für die Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus zuständig. Damals wurde extra das Grundgesetz entsprechend geändert. Zuständig ist das BKA laut Gesetz dann, „wenn eine länderübergreifende Gefahr vorliegt“. Zumindest bei Gefährdern wie Anis Amri, die hochmobil zwischen den Bundesländern pendeln, dürfte eine länderübergreifende Gefahr mit BKA-Zuständigkeit gegeben sein.
Als Mittel der „Gefahrenabwehr“ ist die elektronische Fußfessel allerdings nur bedingt tauglich. Als zwei Islamisten Ende Juli in Frankreich einen Priester enthaupteten, trug einer der beiden Täter eine elektronische Fußfessel. Maas spricht deshalb lieber von der „Überwachung“ der Gefährder. Tatsächlich können mit der Fußfessel auch sehr genaue Bewegungsbilder produziert werden. Laut Strafprozessordnung dürfen diese jetzt schon zur Abwehr „erheblicher gegenwärtiger Gefahren“ genutzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“