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Gabriel: Kindergeld für EU-AusländerInnen kürzen

Soziales Opposition wirft SPD-Chef Stimmungsmache gegen ZuwanderInnen vor

BERLIN dpa, taz | SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert, zügig das Kindergeld für EU-AusländerInnen zu kürzen. „Wenn ein Kind nicht bei uns lebt, sondern in seinem Heimatland, dann sollte auch das Kindergeld auf dem Niveau des Heimatlandes ausgezahlt werden“, sagte der Wirtschaftsminister und Vizekanzler den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Freizügigkeit dürfe nicht missbraucht werden, um in Sozialsysteme einzuwandern, sagte er. Er warte seit Monaten darauf, dass der zuständige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen Vorschlag für eine solche Kindergeldkürzung vorlege. Bereits im Februar hatte sich die große Koalition grundsätzlich darauf geeinigt, nach britischem Vorbild das Kindergeld für EU-AusländerInnen an die oftmals niedrigeren Lebenshaltungskosten in den Heimatländern anzupassen.

Gabriel sagte, es gebe in manchen deutschen Großstädten ganze Straßenzüge mit Schrottimmobilien, in denen MigrantInnen nur aus einem Grund wohnten: „Weil sie für ihre Kinder, die gar nicht in Deutschland leben, Kindergeld auf deutschem Niveau beziehen.“ Dies entspricht der derzeitigen Rechtslage. Gabriel pocht aber auf Korrekturen: „Es gibt in Europa ein Recht auf Zuwanderung in Arbeit, aber kein Recht auf Zuwanderung in Sozialsysteme ohne Arbeit.“

EU-AusländerInnen haben für die Dauer ihres Arbeitsaufenthalts in Deutschland Anspruch auf Kindergeld – auch wenn der Nachwuchs in einem anderen EU-Land lebt. Im Dezember 2015 erhielten laut Bundesagentur für Arbeit rund 120. 000 im Ausland lebende Kinder, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten, Kindergeld aus Deutschland. Knapp zur Hälfte waren dies Polen, gefolgt von Franzosen, Rumänen, Tschechen und Ungarn.

Bei der Opposition erntet Gabriels Vorschlag Kritik. Der SPD-Chef wolle „bei der Stimmungsmache gegen Zuwanderer offenbar nicht hinter der Union zurückstehen, die mit ihrem Parteitagsbeschluss zum Doppelpass den Wahlkampf um rechte Stimmen eröffnet hat“, sagte Grünen-Chefin Simone Peter dem Tagesspiegel am Sonntag. Auch die Linkspartei reagierte empört. Gabriels Forderung zeige „mal wieder, dass es in Europa keine Sozialstandards gibt“, sagte die Vizefraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann. „Dieses Problem auf dem Rücken der Kinder zu lösen, ist unanständig.“

Das Finanzministerium indes wies Gabriels Kritik zurück.

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