Neue Spinnenart „Eriovixia gryffindori“: Muggel in der Welt der Wissenschaft
Um nicht gefressen zu werden, tarnt sich die indische Spinne als Blatt. Sie sieht aus wie der „Sprechende Hut“ aus der Zauberschule Hogwarts.
Da staunten die drei Naturfreunde nicht schlecht, als sie in den Kans der Western Ghats, einem extrem artenreichen und noch wenig erforschten Regenwaldgebiet in Indien, unterwegs waren: Im Laub auf dem Boden krabbelte etwas herum, das aussah wie ein laufender Zauberhut.
Woher man weiß, wie laufende Zauberhüte so aussehen? Durch Harry Potter natürlich! Auch in Indien erfreuen sich die Bücher und Filme der Reihe großer Beliebtheit, und so dachten die Forscher denn auch prompt an einen der Gründer von Hogwarts, nämlich Godric Gryffindor mit seinem sprechenden Zauberhut.
Das kaum einen Zentimeter lange Objekt am Waldboden entpuppte sich bei näherer Betrachtung als Spinne, deren Hinterleib nicht wie bei unseren heimischen Arten kugel- oder eiförmig ist, sondern um etwa die doppelte Länge des Tierchens in Original-Zauberhut-Manier nach oben in die Luft ragt, inklusive eines kleinen, nach hinten abgebogenen Zipfels.
Mimese
Grund für das extravagante Äußere: So sieht die Spinne nicht nach Spinne und damit für viele Waldbewohner nach Futter aus, sondern wie der zusammengekrumpelte Teil eines abgestorbenen Blattes. Auf dem Waldboden ist sie damit praktisch unsichtbar. Mimese nennt man diesen Trick, wenn Tiere sich wie Pflanzenteile tarnen, um von ihrem Nährwert abzulenken.
Die Entdecker der neuen Spinnenart, Javed Ahmed, Rajashree Khalap und J. N. Sumukha aus Mumbai, sind übrigens keine hauptberuflichen Biologen, sondern begeisterte Hobby-Forscher. Sozusagen Muggel in der Welt der Wissenschaft. Da passt es doch hervorragend, dass es Gryffindor höchstselbst war, der sich einst dafür einsetzte, auch normale Menschenkinder auf Hogwarts aufzunehmen.
In ihrer Erstbeschreibung im Indian Journal of Arachnology benannten sie die neue Art als Eriovixia gryffindori. Die Autorin Joanne K. Rowling, die über Twitter davon erfuhr, fühlte sich „wirklich geehrt“ und übermittelte ihre Glückwünsche für die Entdeckung „eines weiteren Phantastischen Tierwesens“.
Zauberwelt
Merkwürdig geformte und neu entdeckte Spinnen sind allerdings wahrlich kein Einzelfall: Allein in den letzten zehn Jahren sind über 7000 neue Spinnenspezies beschrieben worden, viele von ihnen mit äußerst bizarrem Aussehen oder nicht minder spektakulären Gewohnheiten. Eine faszinierende, noch längst nicht erforschte Zauberwelt also.
Und so erklären die drei indischen Forscher auch, die neue Spinne in Erinnerung an den verlorenen Zauber der Kindheit benannt zu haben – den sie in der Welt der Wirbellosen wieder entdeckt haben.
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