Lederhose des Verbrechens: Theresa Mays Trousergate
Dass die Premierministerin eine teure Hose zum Fotoshooting trägt, empört die Briten. Aber um die Hose alleine geht es dabei nicht.
Als Theresa May im Juli ihre Antrittsrede als Premierministerin hielt, betonte sie ausdrücklich, wie wichtig ihr soziale Gerechtigkeit sei. Als Vikarstochter stammt May aus einer sehr viel bescheideneren Familie, als noch ihr Vorgänger David Cameron, der das Eton College in Windsor besuchte. Sie versprach, soziale Ungleichheit zu bekämpfen und etwas gegen die Ungerechtigkeit tun zu wollen, der benachteiligte gesellschaftliche Gruppen ausgesetzt sind.
Fünf Monate später nun posierte sie bei einem Fotoshooting für eine Zeitung in einer 1.200 Euro teuren, schokoladenfarbenen Lederhose. Es folgten ein öffentlicher Aufschrei und der Vorwurf, ihre Kleidung zeige, dass sie den Bezug zur einfachen Bevölkerung verloren habe. Eigentlich aber geht es bei diesem Drama um ganz anderes.
Der Furor, der May entgegen schlägt, kommt zu großen Teilen aus ihrer eigenen, der konservativen Partei, die ohnehin wegen des Brexits im Clinch liegt. Zufällig ist nun Mays stärkste Hosenkritikerin – Nicky Morgan – auch ihre stärkste parteiinterne Gegnerin. Der Brexit ist kompliziert. Viel trefflicher lässt sich da über Hosen streiten.
Tritt man noch einen weiteren Schritt zurück, wird noch etwas anderes klar: May ist erst die zweite weibliche Premierministerin in der englischen Geschichte. Dass man aber Frauen sehr viel stärker über ihr Äußeres definiert, als über das, was sie sagen oder tun, hat Tradition. Während Männer sich also regelmäßig sehr viel teurer kleiden, erregen sie damit weitaus weniger Aufsehen.
David Camerons Anzüge, die er in der Londoner Savil Row maßschneidern ließ, waren wahrscheinlich dreimal so teuer wie Theresa Mays Hose. Und Nigel Farage, Brexit-Befürworter und selbst ernannter „Mann des Volkes“, trägt stets Tweed-Anzüge und -Jacken, die nicht billig gewesen sein können.
Was sie gekostet haben, wissen wir nicht – ganz einfach deshalb, weil sich nie jemand die Mühe gemacht hat, danach zu fragen. Und das, obwohl Farage kürzlich bei einer Gartenparty für Milliardäre in einem 350 Euro teuren Paar Schuhe mit einem Emblem der Nationalflagge darauf gesichtet worden war.
Wenn wir also Theresa Mays Luxus kritisieren – was in Zeiten, die des Sparens bedürfen – durchaus angebracht ist, sollten wir das künftig auch bei männlichen Politikern tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“