: Mit Herz gegen Nazis
ProtestNazis tun sich nach dem Anschlag in Berlin mit ihrer „Trauer“ schwer: Drei Aktionen mobilisieren nur wenige. Viele Demonstranten stellten sich ihnen entgegen
von Erik Peter
Eine erstaunliche Varianz im Auftreten legten die etwa 50 Nazis gegenüber vom Bahnhof Zoo am Mittwochabend an den Tag: Hübsch in Dreierreihen aufgestellt, zwischen Schirmen einer Süß-Kringel-Fast-Food-Kette brüllten sie ihren zahlenmäßig deutlich überlegenen Gegnern „Antifa Hurensöhne“ entgegen und sprangen dabei auf und ab. Wie Hooligans vor der finalen Schlacht.
Doch zum direkten Aufeinandertreffen kam es nicht. Im etwa 20 Meter breiten Sicherheitskorridor zwischen den beiden Veranstaltungen hatte sich die Polizei stabil postiert. Also legten die jung-deutschen Trauernden erst mal eine halbe Gedenkminute für die Opfer des Anschlags am Berliner Breitscheidplatz ein, ehe sie, unterstützt vom thüringischen NPD-Lautsprecherwagen, „Stille Nacht, heilige Nacht“ anstimmten.
Viel mehr ist auch nicht zu sagen, zu der von der Facebookseite „Berlin wehrt sich“ organisierten und von der NPD unterstützten Veranstaltung mit dem simplen Titel „Grenzen dicht machen – An Merkels Händen klebt Blut“. Weder war dem jogginghosenbebeinten Mob eine Demonstration vergönnt, noch gelang es ihnen, sich als ernsthafter politischer Akteur zu präsentieren. Dafür waren sie zu wenige – und man kann es nicht anders sagen – zu atzig.
Vor allem konnten sie nicht punkten gegen die bis zu 800 Menschen, die ihnen die Straße nicht überließen. Eine bunte Mischung war zusammengekommen: vom Grünen Özcan Mutlu bis zu autonomen Antifas. Hunderte rote Herzen hielten sie den Rechten entgegen.
Charlottenburg-Wilmersdorfs Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann betonte, dass der „Instrumentalisierung des Anschlages“ widersprochen werden müsse. „Keine 48 Stunden nach der Tat, müssen wir als Demokraten und Antifaschisten den Nazis die rote Karte zeigen.“
Zu einer weiteren rechtsextremen Veranstaltung kamen am Abend zwischen Kanzleramt und Paul-Löbe-Haus etwa 150 Menschen zusammen, darunter allerlei AfD-Prominenz, von Björn Höcke bis Alexander Gauland, sowie die in der Szene der Neuen Rechten gefeierten Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer. Mit den bekannten „Merkel muss weg“-Schildern wollten sie ihren Machtanspruch demonstrieren – scheiterten aber auch am mangelnden Interesse ihrer Gefolgschaft, die lieber die Demoaufrufe massenhaft auf Facebook teilt, statt sich selbst in die Kälte zu stellen.
Die wenigen, die gekommen waren, hatten die 50 Lenze meist überschritten und trugen feine Mäntel. Zu klassischer Musik passierte dann: so gut wie nichts. Sieht man einmal vom Höckes Brandt’schem Kniefall-Moment beim Ablegen einer Kerze ab, bei dem man ihm nach quälend langen Sekunden fast wieder auf die Beine helfen wollte. Inszeniert wurde staatstragende Trauer. Nach 45 Minuten war Schluss – und auch die 20 gelangweilten Antifas konnten wieder nach Hause.
Ein paar ihrer sportlichen Kollegen lieferten sich wohl in der Nähe der CDU-Zentrale noch Auseinandersetzungen mit einer Gruppe der rechtsextremen Identitären, die zuvor eine Dreiviertelstunde Merkels Parteihaus „besetzt“ hielt, also davor auf dem Bürgersteig saß. Auch die momentan wohl modernste Nazi-Formation konnte trotz bundesweiter (inklusive Österreich) Teilnahme nur 30 Wackere für ihre Aktion gewinnen. Fazit: viel Gewese, nichts gewesen.
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