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Privatisierung von InfrastrukturGabriel trickst bei Autobahnen

Der SPD-Chef will private Investoren von der Gesellschaft für Bau und Betrieb von Fernstraßen ausschließen. Doch er lässt eine große Hintertür offen.

Freie Bahn für Investoren: Gabriel will das angeblich nicht Foto: dpa

Berlin taz | Es klingt nach einer klaren Absage an die Pläne, deutsche Autobahnen teilweise an private Investoren zu übertragen. „Es wird weder eine Privatisierung von Straßen noch der Infrastrukturgesellschaft geben“, sagte ein Sprecher von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montag. Damit stellt er sich gegen CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble, der für eine Beteiligung privater Investoren an der neuen Gesellschaft ist, die künftig den Bau und Betrieb der deutschen Fernstraßen verantworten soll. Eine Entscheidung im Bundeskabinett ist damit zunächst blockiert. In den nächsten Tagen solle auf Ministerebene versucht werden, eine Einigung zu finden, hieß es.

Privatisierungskritiker sind trotz Gabriels Absage allerdings keineswegs beruhigt. Denn der Wirtschaftsminister geht damit zwar über einen Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder hinaus, die nur eine Privatisierung der Autobahnen selbst, nicht aber der Gesellschaft ausgeschlossen hatten. Aber eine weitere, besonders umstrittene Form der Teilprivatisierung schließt auch Gabriel nicht aus: öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP), bei denen private Investoren Bau und Betrieb einzelner Autobahnteilstücke übernehmen und im Gegenzug an den dort erzielten Mauteinnahmen beteiligt werden.

Auf die Anfrage der taz, ob Gabriels Absage an Privatisierungen sich auch auf ÖPP beziehe, erklärte ein Ministeriumssprecher, zu solchen Detailfragen wolle man sich derzeit nicht äußern. ÖPP-Projekte seien aber das eigentliche Ziel der Finanzbranche, meint der Sprecher der Initiative „Gemeingut in BürgerInnenhand“, Carl Waßmuth.

„Der Streit über die Teilprivatisierung der Straßengesellschaft ist nur ein Scheingefecht“, sagte er. „Das ganze Geld, das diese Gesellschaft aus Steuern und Mautgebühren erhält, kann über ÖPP-Projekte auch ohne Teilverkauf privaten Investoren zugeführt werden.“ Und durch die Auslagerung in eine externe Gesellschaft hätten Parlamente dabei künftig noch weniger Informations- und Mitspracherechte als bisher, so Waßmuth.

Auch Thorsten Beckers, der als Professor an der TU Berlin zu Infrastrukturpolitik arbeitet, warnt in einem Gutachten für das baden-württembergische Verkehrsministerium vor ÖPP in Teilnetzen der Autobahnen. „Derartige Netz-ÖPP würden einen effektiven Weg darstellen, um ein grundgesetzliches Verbot der Kapitalprivatisierung einer Bundesautobahn-Gesellschaft zu umgehen“, schreibt er. „Vor diesem Hintergrund sollten Netz-ÖPP verfassungsrechtlich ausgeschlossen werden.“

Privatisierungskritiker halten den aktuellen Streit für ein Scheingefecht

Grünen-Haushaltsexperte Sven Kindler hält Gabriels Absage an eine Privatisierung darum für wenig glaubwürdig. „Wenn die SPD ihren Widerstand ernst meint, dann muss sie dafür sorgen, dass öffentlich-private Partnerschaften im Gründungsvertrag der Gesellschaft ausgeschlossen werden“, fordert er. Denn diese sind laut Bundesrechnungshof in der Regel bis zu 20 Prozent teurer.

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6 Kommentare

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  • Hätt mich auch gewundert wenn der Typ mal nicht umfällt.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Gabriel trickst? Ach was, das ist aber eine Überraschung! Der hat bislang nichts anderes getan, als getäuscht und getrickst. Er lügt, er verhöhnt die Leute und seine Partei wundert sich, wieso sie bei 20% verharrt.

  • PPP sind eine Unverschämtheit. Auch der Bundesrechnungshof hat vorgerechnet, dass der Bund drauf zahlt.

  • Eine Neuauflage der 'Riesterrente' , selbige diente dazu, den Versicherungen neue Geschäftsfelder zu eröffnen und OttonormalverbraucherIn über die Senkung der staatlichen Rente dazu zu zwingen, dies zu Finanzieren. Jetzt will man Banken und Versicherungen, die krampfhaft nach sicheren und lukrativen Anlagemöglichkeiten suchen, pampern und das auf Kosten der Allgemeinheit. Und die SPD übt sich, wie einst bei Riester, in Verschleierung.

  • Die Taschendiebe untereinander - &

    Schattenboxen im Doppelback!

     

    Wenn unser aller Gröfimaz -

    Kackfrech - ein paar Blätter weiter -

    "…eine Alimentation von populistischen Demagogen.“ - ja -

    Beschwört - dann ist daran richtig:

    Genau diese durchsichtig-verlogenen

    Tricksereien im Doppelpaß mit Siggi Plopp & GroßKotz - zugunsten des zinsgeilen - Freifloatenden Kapitals -

    Zulasten der Gemeinwohl-

    Umwelt- & Bürgerinteressen -

    Bedienen diese "Alimentation von populistischen Demagogen" &

    Schaffen ein Demokratiedefizit -

    Zulasten sozialer Gerechtigkeit!

  • Die GroKO hat über Jahre geplant, unsere Straßen den Versicherungskonzernen zur Verfügung zu stellen, um damit Renditen zu erzielen, die sie sonst nirgends risikolos erreichen. Mit dem berüchtigten Mogelinstrument ÖPP berauben Gabriel und Schäuble und Dobrindt durch die 20-30 Jahre laufenden Verträge wissentlich die Bundesbürger dreifach :

     

    *Sie lassen ausgewählte Private mit Bundesbesitz Millionenggeschäftche machen, für die spätere Generationen die Rechnung bezahlen werden..

     

    *Sie verzichten auf die Möglichkeit, mit den für den Staat viel billigeren Krediten die Straßen kostengünstiger zu sanieren, als über ÖPPs, die Anwaltsgebühren,

    höhere Zinsen und Gutachterkosten später dem Staat präsentieren werden.

     

    *Sie gaukeln uns einen ausgeglichenen Haushalt ohne Neuschulden vor und belasten in Wirklichkeit mit der imaginären schwarzen Null ganz bewusst den Steuerzahler.

     

    Bessere Beispiele für ausgekungelte Koalitionsschwindel könnten sie den Feinden dieser verkommenen Politik nicht liefern.

    Wenn sie so weitermachen, wird das dem "System" angelastet, von dem neulich sogar ein taz-Redakteur sprach.

    .