: Die Gewerbemieten steigen in Kreuzberg am schnellsten
MietmarktBegehrte Lage Innenstadt: Nicht nur die Wohnungsmieten steigen, sondern auch die Mieten für die Gewerberäume, Läden und Büros. Der Mieterverein fordert Gewerbemietspiegel
Die Berliner Wirtschaft wächst, im vergangenen Jahr sogar stärker als im Bundesdurchschnitt, die Gründerszene hat die Hauptstadt für sich entdeckt. Berlin hat also Nachholbedarf. Doch der schlägt sich auch in den Mieten für Laden- und Büroflächen nieder.
14,30 Euro Miete bezahlte man im Schnitt 2015 für einen Quadratmeter Gewerbe in Kreuzberg. Zwei Jahre zuvor kostete der Quadratmeter durchschnittlich noch 10,70 Euro – ein Anstieg um 33 Prozentpunkte. Die Gewerbemieten in Kreuzberg stiegen damit so rasant wie in keinem anderen Berliner Stadtteil. Insgesamt sind sie in Berlin in den vergangenen fünf Jahren um 25 Prozent in die Höhe gegangen.
Aber auch die Zahlungsbereitschaft der Gewerbetreibenden ist gewachsen. 16,30 Euro pro Quadratmeter waren die Ladenbesitzer im Jahr 2015 in Kreuzberg maximal bereit zu zahlen. Zum Vergleich: In Mitte lag der Wert mit 16,80 Euro nur unwesentlich höher. Die Zahlen hat die Vermietungsplattform Immobilienscout in ihrem „Marktbericht Gewerbe“ ermittelt.
„Höchst dynamische Zeiten“ herrschten derzeit am Kreuzberger Immobilienmarkt, heißt es dort. Junge Unternehmen schätzten die „Eigenkultur“ der ehemaligen Hochburg der Alternativbewegten und würden sich verstärkt um Büroräume in dem Berliner Szenekiez bemühen. Kurzum: Zum einen benötigen die rasant wachsenden Start-ups immer größere Flächen für ihre Büros – und sind bereit, dafür hohe Summen zu bezahlen. Mit Idealo, MyMüsli und Rocket Internet sitzen drei der größten Start-ups in Kreuzberg.
Zum anderen steigt insbesondere auch die Nachfrage nach kleinen und mittelgroßen Büroräumen. Die neu gegründeten Kreativunternehmen, die erst wenige Mitarbeiter beschäftigen, arbeiten in der Regel zunächst auf Büroflächen von maximal 150 Quadratmeter.
Darauf hat Kreuzberg zwar mit zahlreichen Neubauten reagiert und laut dem Marktbericht sein Angebot im Berliner Vergleich mit am stärksten erweitert. Doch lässt sich der Preisanstieg damit nicht eindämmen – zwischen 2013 und 2015 stiegen die Mieten für kleine Büros bis 150 Quadratmeter um sagenhafte 47 Prozentpunkte auf 17,26 Euro kalt.
Auch die Gewerberäume zwischen 150 und 500 Quadratmetern – also das Segment des Kreuzberger Büchertischs – verteuerte sich um fast 30 Prozentpunkte. Am Kurfürstendamm kletterten die Mieten im selben Zeitraum lediglich um 4,6 Prozentpunkte.
Anders als die Mieterinnen und Mieter von Wohnungen haben die, die einen Gewerberaum anmieten, keine besonderen Schutzrechte. Es gilt die Vertragsfreiheit, was bedeutet, dass sich der Preis allein nach Angebot und Nachfrage richtet. Läuft ein Gewerbemietvertrag aus, muss neu verhandelt werden. Kann der Mieter nicht zahlen, sucht sich der Vermieter den nächsten Geschäftspartner. Wer in seinem Vertrag gar keine Frist stehen hat, kann sogar jederzeit zum nächsten Quartal gekündigt werden. Auch deshalb fordert etwa der Berliner Mieterverein, dass es analog zum Berliner Mietspiegel einen Gewerbemietspiegel geben soll.
Randbezirke ziehen an
Etwas entspannter als in Kreuzberg sieht es noch in den Randbezirken der Hauptstadt aus. „Bei uns findet man immer noch Büroräume für unter 3 Euro Nettokaltmiete“, sagt Christian Gräff (CDU). Er ist Bezirksstadtrat für Wirtschaft und Stadtentwicklung in Marzahn-Hellersdorf. Doch mache sich der Mietpreisanstieg in den Innenstadtbezirken auch im Berliner Nordosten bemerkbar. „Viele Makler, mit denen ich spreche, erzählen, dass sie in den letzten ein, zwei Jahren so viel vermietet haben wie die zehn Jahre vorher“, sagt Gräff. Die Leerstandsquote der Gewerbeimmobilien gehe in Marzahn deutlich zurück.
Der Leiter der Wirtschaftsförderung in Spandau, Patrick Sellerie, schätzt die Lage ähnlich ein: „Wenn die Mieten in den Innenstadtbezirken derart in die Höhe getrieben werden, schauen sich viele Unternehmen auch außerhalb des S-Bahn-Rings nach Gewerberäumen um.“ Die Nachfrage steige spürbar, und leer stehendes Gewerbe könne im Nordwesten zügiger vermietet werden.
Allerdings lasse sich der Bedarf bislang noch aus den bestehenden und neu entstandenen Gewerbeflächen decken. „Einen deutlichen Anstieg der Mieten stellen wir bislang noch nicht fest“, so Sellerie. „Die Gewerbemieten halten sich stabil auf einem bezahlbaren Niveau.“
Robert Pausch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen