Kolumne Leipziger Vielerlei: Helene, Carolin und ein Geflügeltier
Durch die Woche mit den üblichen Verdächtigen: einer hochverehrten Friedenspreisträgerin und einer Schlagersängerin.
D ie Eltern des Terrorverdächtigen Jaber al-Bakr wollen die Justizbeamten der JVA Leipzig anzeigen. Check. Während einer Zugfahrt von Dresden nach Leipzig greifen Unbekannte einen 32-jährigen Inder an und zwingen ihn, den Hitlergruß zu zeigen. Check. Bei einem fünf Bundesländer umspannenden Antiterroreinsatz wird auch eine Wohnung in Leipzig-Eutritzsch durchsucht. Check.
Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.
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Horrorclowns sind ein fantastisches Beispiel dafür, wie verantwortungslose Berichterstattung Nachahmer inspirieren kann. Check. Und: Bettina Kudla darf bei den Bundestagswahlen 2017 nicht mehr als Direktkandidatin für die CDU antreten. Ihr Nachfolger wird der ehemalige Radsportler Jens Lehmann. Check.
Damit wären die obligatorischen Themen der letzten Tage abgehakt. Weil es aber draußen schon eklig nass und miesepetrig genug ist, sollte man dem Ganzen etwas Positives entgegenstellen: Helene Fischer ist heute in der Stadt und tritt bei der Verleihung der „Goldenen Henne“ auf, Deutschlands größtem Publikumspreis.
All die Hochkulturconnaisseure werden jetzt verachtungsvoll auf den Boden ihrer mit Eiche vertäfelten Privatbibliothek spucken. Gestern Abend waren sie im Alten Rathaus und haben dort die ebenfalls nach Leipzig gereiste Friedenspreisträgerin Carolin Emcke angehimmelt. Irgendjemand wird einen unlustigen Scherz darüber machen, ob sich die Gewinner der „Goldenen Henne“ Helene Fischer untereinander teilen müssen oder ob jeder seine eigene bekommt. Weil sie blond ist und eine Frau. Goldene Henne – you get it?
Seichte Unterhaltung und Songtexte wie „Mein Herz läuft Marathon, wenn ich in deine Nähe komm“ sind nichts, wofür man sich schämen muss. Auch nicht als desillusionierter Mittzwanziger mit Anflügen von Postironie: Es war nicht alles schlecht an der Kulturindustrie. Mehr Helene, mehr Carolin und dafür weniger sächsische Verhältnisse bitte. Und damit zurück zu den Terrornews.
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