piwik no script img

Artenschutz in DeutschlandImmer mehr Wolfsrisse

Die Zahl der Opfer von Wölfen ist seit 2002 um mehr als das 20-Fache gestiegen. Betroffen ist ausgerechnet die artgerechte Weidehaltung.

Kein Artenschützer: Wolf Foto: dpa

Berlin taz | Wölfe töten immer mehr Nutztiere in der besonders umweltfreundlichen und artgerechten Weidehaltung. Die Zahl der dokumentierten Opfer des unter Artenschutz stehenden Raubtiers ist von 2002 bis 2015 von 33 auf 714 gestiegen – also um mehr als das 20-Fache. Angegriffen wurden 596 Schafe, 94 Damhirsche und anderes Gatterwild, 16 Rinder sowie 6 Ziegen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion vor. Das Dokument, das der taz vorliegt, soll in Kürze offiziell veröffentlicht werden.

Nachdem der Wolf vor 150 Jahren in Deutschland ausgerottet worden war, ist er erstmals im Jahr 2000 aus Polen nach Sachsen zugewandert. Allein im vergangenen Monitoringjahr ist die Zahl der bestätigten Rudel in Deutschland laut Bundesamt für Naturschutz von 31 auf 46 gestiegen. Zudem wurden 15 Wolfspaare und 4 sesshafte Einzelwölfe nachgewiesen. Die Tiere leben vor allem in Sachsen und Brandenburg, aber auch in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Niedersachsen.

Doch da die Population der Wölfe wächst, bringen sie auch mehr Nutztiere um. Von 2014 zu 2015 nahm die Zahl der angegriffenen Tiere um 89 Prozent zu. 2015 zählten die zuständigen Bundesländer 199 solcher Vorfälle.

Viele Umweltschützer plädieren für die Weidehaltung, etwa weil sie die Zukunft des besonders artenreichen Grünlands sichert. Zudem haben Tiere auf der Weide mehr Platz und Möglichkeiten, ihr normales Verhalten auszuführen.

Intensiverer Herdenschutz gefordert

Für die agrarpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Kirsten Tackmann, weist die neue Statistik auf Defizite beim Schutz von Weidetieren hin. „Angesichts der zunehmenden Konflikte ist es absurd, dass die Bundesregierung sich auf Dokumentieren, Verwalten und Beobachten beschränkt“, so die Abgeordnete aus Brandenburg. „Stattdessen muss sie jetzt eine aktive Rolle übernehmen.“ Den Weidetierhaltern gehe es nicht nur um finanziellen Ausgleich für Wolfsrisse, sondern um mehr Unterstützung dabei, Übergriffe zu verhindern. Dazu könne ein „Herdenschutzkompetenzzentrum des Bundes“ beitragen. Mittel dafür sollten noch in den Haushaltsplan 2017 aufgenommen werden.

Auch Markus Bathen, Wolfsexperte des Naturschutzbunds (Nabu), begründete mit den Zahlen seine Forderung nach einem intensiveren „Herdenschutz“, vor allem „in den neuen Wolfsländern wie Niedersachsen“. Die Tierhalter müssten die Angebote aber auch annehmen.

Es geht nicht um die Frage Wolf oder nicht

Markus Bathen, Nabu

„Es geht nicht um die Frage Wolf oder nicht, sondern wie mit dem Wolf gelebt werden kann. Die Lösungen dafür sind im Herdenschutz vorhanden“, teilte Bathen der taz mit. Er warnte vor Panikmache. „In dem betreffenden Zeitraum hat sich die Anzahl der Wölfe von einem Rudel auf 46 vermehrt. Damit hat sich relativ gesehen das Verhältnis der verlorenen Nutztiere pro Rudel mehr als halbiert.“

Der Bauernverband ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme zunächst unbeantwortet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • 596 gerissene Schafe?! In Deutschland leben 1,6 Millionen Schafe. Theoretisch doch gar kein Problem, so ein paar Wölfchen hier, oder? #artgerecht

    • @Anna.hamburg:

      Liebe Bauern,

       

      Rechnung für ein gerissenes Schaf bitte an die Frau Vivien in Hamburg.

       

      Ist doch #nichtmeinProblem

      • 2G
        25726 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        Ihr Problem ist in der Tat ein ganz anderes....

  • Genügend nicht kommerziell genutzte Tiere findet ein Wolf ja auch wohl zu selten, da wir denen ja kaum irgendwo Lebensraum zugestehen. Zur Zeit knallen die Jäger gerade wieder alles ab was sich bewegt.

    • @JoWall:

      Nein, der Besatz mit Wildtieren in DE ist auf den relevanten Flächen (i.d.R. Wald) höher als wenn es den Mensch nicht gäbe. Kurzum: Der Mesch holt zu wenig Wild aus dem Wald und hegt und pflegt das auch noch. Daher haben wir sowohl ein Verbissproblem durch Rehe als auch Wildschweinschäden.

    • @JoWall:

      Die Jagd - gerade da wo sie von trophäengeilen "Herrenjägern" betrieben wird - führt eigentlich eher zu etwas übernatürlicher Wilddichte. Mehr Wild bedeutet mehr Chancen auf starke Trophäenträger. Normale Jäger achten hingegen darauf, dass der Bestand ihrer Reviere möglichst zum Nahrungsangebot passt. "Alles abknallen, was sich bewegt" ist eine eher laienhafte Beschreibung für das, was sich in der Jadgsaison abspielt - und völlig falsch.

       

      Das Nahrungsangebot der Wölfe wird also eher durch den Flächenbedarf dder Landwirtschaft begrenzt. Aber auch das ist wahrscheinlich nur EIN Grund dafür, dass sie Nutztiere reißen. Ebenso dürfte zählen, dass wohlgenährte, in großer Zahl auf eingezäunten Weiden gehaltene Nutztiere einfach leichtere, fettere Beute sind.

  • In diesem Zusammenhang möchte ich auf die "Spamalopes" von Gary Larson verweisen: https://pics.onsizzle.com/knowing-the-lionspreference-for-red-meat-the-spamalopes-remained-calm-2570686.png

  • Alle Einzelhändler, voran die Lebensmittelkonzerne, kalkulieren den Schwund durch die Kleptomanenwölfe ein. Der Staat schafft löchrige Gesetze damit sich die Steuervermeidungswölfe wohl fühlen, es werden Regularien gefunden damit die Feinstaub- und Stickoxidwölfe auf ihre Kosten kommen usw usw. Warum darf sich unser canis lupus nicht frei bedienen? Er hat sehr wohl alte Rechte.

  • Freilandhaltung ist halt naturnah. Raubvögel und Füchse profitieren von der Geflügel-Freilandhaltung. Ist zwar ärgerlich, aber unvermeidbar.

  • Es soll doch gute Schutzhunde geben. (?)

    • @H.G.S.:

      Nein, aber es gibt Esel - kein Witz.

      Esel kann man einfach zur Herde dazustellen und Esel stellen sich dem Wolf was dieser überhaupt nicht mag.

      Auch ist ein Esel sehr billig in der Haltung wenn man ihn einfach zu einer Schafsherde stellt.

       

      Aber im 21Jahrhundert ist der Mensch ja Herr der Natur. Wehe wenn die Natur das nicht versteht!

      • @Chaosarah:

        Zitat noteselhilfe.de

         

        "Gegen Angriffe mehrere Wölfe sind auch Esel machtlos.

         

        Esel sind in Deutschland nur sehr bedingt als Herdenschutztiere geeignet, da in der Regel eine artgerechte Haltung, Fütterung und Pflege nicht gewährleistet werden kann.

        Der Einsatz der Esel als Herdenschutztier verstößt in der Regel gegen das Tierschutzgesetz.

        Schaut man in die Länder, in denen seit Jahrhunderten Schafe und Esel in

        Nachbarschaft mit Wölfen gehalten werden, wird man feststellen, dass dort niemand auf die Idee kommt, Esel als Herdenschutztiere einzusetzen."

      • @Bandari:

        mit schafhaltung verdient man kein großes geld. wie soll man sich um einen wachhund kümmern der nicht allein auf der weide bleiben darf.

        man stelle sich vor solch ein hund bedroht einen wanderer,

        schutzhunde sind eine schöne vorstellung, aber sehr wahrscheinlich nicht umzusetzen.

        der erhöhte aufwand zum schutz wird durch den erlös nicht aufgefangen, schmälert vielmehr den erlös.

        schafhaltung ist vielmals heute eine idelles geschäft, man wird nicht arm aber verdienen tut man auch nicht richtig. es wird zukünftig einfach weniger schafe geben.

        freilaufende hunde sind in einem land wie D zu risikoreich, nicht wegen der hunde an sich, sondern wegen der verantwortung und dem risiko ,das die besitzer tragen müssten.

        • @nutzer:

          Wieso sollte ein entsprechend gut ausgebildeter Hund, Wanderer bedrohen wollen.

           

          Sowas "stellt man sich genau nicht vor".

          Bitte mal Ihre Vorstellungskraft bändigen. Danke.

        • 2G
          25726 (Profil gelöscht)
          @nutzer:

          "schutzhunde sind eine schöne vorstellung, aber sehr wahrscheinlich nicht umzusetzen"

           

          Es wird bereits umgesetzt. Erste Infos hier: http://www.wolfsregion-lausitz.de/

           

          Aus den Faqs: "Das Kontaktbüro wurde 2004 vom Niederschlesischen Oberlausitzkreis und dem Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft eingerichtet."

           

          Zum Einstieg durch die Rubrik "Wölfe und Nutztiere" klicken.

           

          Dem Interessierten steht ansonsten die Welt der Suchmaschinen offen. Suchvorschläge: Wolfsmonitoring, Wolfsmanagement, Wolfsberater etc.

           

          Aber "Wolf" geht auch;-)

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Es ist schon ein Kreuz mit dem Naturschutz! Die bösen Wölfe "bringen Nutztiere um". Was ist nun zu tun? Der progressive Wolf ernährt sich vegan! Das gilt es jetzt, ihm beizubringen. Man sollte Tofuschafe aufstellen. Der hier mögliche leichte Jagderfolg sollte dem Aufklärungsunterfangen den erhofften Erfolg bringen.

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Also ich hab eben gedacht, daß der böse Wolf mit umgerechnet einem Schaf pro Woche schon fast vegan ist.