DIE GESELLSCHAFTSKRITIK: Selbst geschmiert
WAS SAGT UNS DAS?Die Briten können ihren liebsten Brotaufstrich, Marmite, nicht mehr online bestellen – wegen des Brexits
Tesco verkauft kein Marmite mehr! What? Das absolute Identitätsprodukt der Briten wird derzeit nicht mehr im Onlineshop der absolut britischen Supermarktkette angeboten.
Für die Unwissenden: Marmite ist der Markenname einer vegetarischen Würzpaste, die aus Hefeextrakt hergestellt wird. Die Briten lieben ihn als morgendlichen Brotaufstrich, trotz des sehr eigenen, herzhaften Geschmacks. Vermutlich wird Marmite deshalb unter dem Slogan „Love it or hate it“ vermarktet.
Das Produkt gehört der Marke Unilever an. Nach Informationen der Financial Times gibt es Streitigkeiten zwischen Tesco und dem Zulieferer. Andere Produkte wie das Eis Ben&Jerry’s und der Tee PG Tips seien auch betroffen. Der Aufschrei entstand allerdings wegen des fehlenden Marmites. Unilever wolle einen Preisaufschlag für die Produkte durchsetzen. Grund dafür ist das schwache britische Pfund. Die Schuld daran trägt der beschlossene Brexit.
Moment mal? Also sind die Briten selbst schuld daran, dass sie sich morgens keine Marmite-Stulle mehr schmieren können? Vermutlich sind das diese „Auswirkungen“ vor denen Brexit-Gegner lange warnten.
Statt die britische Identität, wie von Brexit-Befürwortern gefordert wurde, zu stärken, muss jetzt um ein hohes Kulturgut der Volksküche gebangt werden. Marmite zeigt, was der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union für Opfer mit sich bringt.
Die Folgen sind meist unvorhersehbar, betreffen aber jeden Bürger ganz persönlich. Genau das wurde im Vorfeld der Abstimmung häufig und deutlich argumentiert – vom Großteil der Wähler aber lediglich ignoriert.
In der Folge heißt das: Jetzt müssen die Briten eben das Brötchen essen, das sie sich selbst geschmiert haben.
Vanessa Clobes
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