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Kommentar Flüchtlinge und TerrorismusUngefragte IS-Experten

Kommentar von Alexander Bühler

Asylbewerber sind sehr gut vernetzt. Aber dieses Informationspotenzial wird von den Behörden nicht genutzt. Das ist ein großer Fehler.

Flüchtlinge: potenzielle Informanten Foto: dpa

N och feiern viele die drei Syrer, die den Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr fassten, als Helden. Gleichzeitig allerdings werden wieder Warnungen laut, dass noch mehr gewaltbereite Islamisten unter den Flüchtlingen sein könnten. Doch wie soll man die frühzeitig erkennen? Die meisten fordern wieder stärkere Kontrollen der Sicherheitsbehörden. Doch genau die haben zu wenig Anhaltspunkte und bekommen Hinweise häufig von ausländischen Diensten.

Der Fall al-Bakr zeigt, dass die größte Hürde darin bestand, der Polizei zu erklären, dass sie den Terrorverdächtigen in Gewahrsam hatten. Kein Einzelfall. Allzu oft scheitern Syrer an der Sprachbarriere oder daran, dass Polizisten sich nicht zuständig fühlen. Der Kontakt zwischen Asylbewerbern und Sicherheitsbehörden erschöpfte sich bisher in der Frage, ob sie etwas Relevantes mitzuteilen hätten.

Die Sicherheitsbehörden in Deutschland verhalten sich, als seien die Flüchtlinge taub und stumm – und nicht hochvernetzt. Das Informationspotenzial, das da schlummert, wird nicht genutzt. Stattdessen verlässt man sich darauf, dass die Flüchtlinge sich schon vertrauensvoll an deutsche Staatsorgane wenden werden, wenn ihnen etwas auffällt.

Nicht einmal Organisationen, die Beweise für Kriegverbrechen in Syrien sammeln, die sowohl Hinweise auf Täter als auch auf Sympathisanten liefern könnten, stehen in regelmäßigem Kontakt mit deutschen Strafverfolgungsbehörden. Dabei wäre das ein Anfang, um Informationen zu finden, an denen es bisher mangelt. Stattdessen sind diese Organisationen meistens Herzenssache Einzelner.

Auf den Linoleumfluren der Bürokratie scheint nicht angekommen zu sein, dass jetzt die Zeit gekommen ist, um auf die Flüchtlinge zuzugehen. Sei es durch sensibilisiertes Personal in den Aufnahmelagern, durch Seminare zum Rechtsstaat und Pluralismus, oder schlicht durch Hotlines. All das wäre billiger und effektiver als ein Überwachungsstaat.

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2 Kommentare

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  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

  • Die Darstellung ist nicht ganz richtig. Die deutschen Geheimdienste verhören massenhaft Asylbewerber. Dies geschieht über Scheinämter wie die "Hauptstelle für Befragungswesen" oder verdeckte Ermittler. Nach welchen Kriterien dies geschieht ist nicht klar. Eine institutionelle Kontrolle der Rechtstaatlichkeit gibt es ebenso wenig.

    Von daher schöpfen die Geheimdienste diese Informationen durchaus ab. Aber weder gewährleisten wir, dass dabei die Asylbewerber fair behandelt werden noch integrieren wir diese Informationen in die Polizeiarbeit. So kommt es dann, dass falsche Eindrücke wie der in dem Artikel beschriebene entstehen.