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Die WahrheitEine Brille für rechteckige Hintern

Ralf Sotscheck
Kolumne
von Ralf Sotscheck

Wenn Großbritannien weiter soviel Schrott produziert, kommt der Total-Brexit ohne jegliches Zutun.

D ie Bedeutung von Handelsabkommen sei stark übertrieben, glaubt Peter Lilley, der unter Margaret Thatcher Minister für Handel und Industrie war. Lilley weiß, wie man Geschäfte macht: Er saß im Unterhaus-Ausschuss für Klimawandel und kassierte gleichzeitig 400.000 Pfund von der Ölindustrie. „Ein Land ist auch ohne Abkommen erfolgreich“, doziert er nun, „wenn es Waren produziert, die andere Länder haben wollen.“

Dann ist Großbritannien geliefert. Das Land produziert kaum noch etwas, und was hergestellt wird, ist Mist. Ich weiß das aus langjähriger Erfahrung. Man hatte mir eine Waschmaschine angedreht, die die Wäsche auffraß, einen Fernseher, der grüne Bilder produzierte, was nicht an der Grünen Insel lag, einen Kühlschrank, der drei Monate funktionierte, und einen Ersatzkühlschrank, der immerhin ein Jahr hielt, sodass die Garantie abgelaufen war. In Großbritannien gibt es für alle Geräte nur ein Jahr Garantie, weil sie ihrem Plunder selbst nicht trauen.

Ich gab den Schrotthändlern auf der Nachbarinsel dennoch immer wieder eine Chance – selbst nach dem Kauf einer Dose Rasierschaums, die keinen Schaum herausrückte. Doch jetzt ist Schluss. Der Gipfel war eine Toilette. „Made in Italy“ stand auf dem Aufkleber, und sie sah mit ihrer rechteckigen Toilettenbrille schick aus, obwohl die Gattin monierte, es gebe kaum Menschen mit rechteckigen Hintern. Nicht mal Amis.

Nach sechs Monaten war der Toilettensitz kaputt, die Halterung war abgebrochen. In der Filiale des englischen Sanitärbedarfs im westirischen Galway stieß ich sofort auf Verständnis. Es schien, als habe man mich bereits erwartet. „Hier ist die Webseite, auf der Sie einen Ersatzsitz bestellen können“, sagte die Verkäuferin und drückte mir einen Zettel in die Hand.

Die Webseite gab es nicht. Recherchen ergaben, dass die Toilette nicht aus italienischer Produktion stammte, sondern von Cooke & Lewis. Die Firma arbeitet ausschließlich für diese englische Sanitärbedarfskette. Ein Ersatzsitz sollte 133 Pfund Sterling plus Porto kosten. Ich bestellte eine komplett neue elektrische Toilette in Deutschland, und zwar zum halben Preis. Inklusive Lieferung nach Irland.

Man musste nur den Stecker austauschen, denn die Iren haben das törichte britische Steckdosensystem mit drei Löchern übernommen. Vielleicht dämmert es ihnen nach dem Brexit, dass sie dem Nachbarn keineswegs den ganzen Schund abkaufen müssen. „Made in China“ klingt inzwischen besser als „Made in Britain“.

Auf der Isle of Wight ist übrigens im April ein „Poo Museum“ eröffnet worden – ein Museum für Scheiße. Meine Annahme, dass dort britische Produkte ausgestellt werden, erwies sich als Irrtum. Es handelt sich um echte Scheiße von Mensch und Tier. Der berühmte englische Humor ist nichts weiter als Galgenhumor.

Es gibt ein irisches Sprichwort, auf das ich besser gehört hätte: „Verbrennt alles Englische außer ihre Kohle.“ Aber Kohle haben sie ja auch nicht mehr.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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4 Kommentare

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  • Es gibt vielleicht kaum Menschen mit rechteckigen Hintern, aber dafür gibt es doch jede Menge Kanisterköppe.

  • Zitat: "Nutzt es denn, jemandem, der Brücken einreißen will, die Gelegenheit dazu zu verschaffen?"

     

    Mitunter schon. Leute, die Brücken einreißen, sind nämlich nicht sonderlich beliebt. Zumindest nicht unter solchen Erwachsenen, die sich noch nicht völlig aufgegeben haben. Man sperrt ja schließlich nicht nur Leute aus, wenn man rund um sich her die Brücken sprengt. Man sperrt sich selber zugleich ein. Und das tut freiwillig nur der, der nirgendwo anders als im eigenen Schneckenhaus noch irgendwelche Chancen für sich sieht.

     

    Das weiß vermutlich auch die CDU. Sie wird sich also (hoffentlich, man weiß ja nie...) gut überlegen, ob sie derjenige sein möchte, der sinnvolle Vereinbarungen einseitig torpediert. Zumindest dann, wenn die SPD und die FDP zusammen klug genug sind, deren Notwendigkeit allgemeinverständlich zu kommunizieren – was Benno Schirrmeister ihnen offenbar nicht zutraut (Stichwort: "Nasenring"). Nun ja. Er muss es wissen, der Herr Schirrmeister. Es ist ja schließlich deutlich dichter dran als ich.

     

    Wenn also nicht, was dann? Tja, dann ist ohnehin alles zu spät. Eine Vereinbarung, an deren Sinn nicht einmal die Initiatoren glauben, sollte vielleicht wirklich besser nicht unterschrieben werden. Es könnte sein, sie müsste nachher im britischen Poo-Museum ausgestellt werden.

     

    P.S.: "Zerstörungswille" müsste man der SPD attestieren, wenn sie die CDU (und damit deren Wähler) öffentlich dermaßen vorführt, dass nachher keine GroKo mehr zu machen ist. Schließlich: Könnte sein, dass die Grünen der niedersächsischen SPD beim nächsten Mal nur noch zusammen mit der FDP die Mehrheit sichern können. Die Linke gibt es quasi gar nicht in dem Bundesland. Und selbst wenn es sie gäbe – mit den Linken darf ja die SPD nicht wollen. Bliebe also nur die AfD, wenn Gelbe und Grüne sich nicht einig werden sollten, weil es keine Sinn-Brücken mehr gibt...

    • @mowgli:

      ¿ - Spannweite verschätzt?;)

      Auch wieder wahr -

      "Mit sieben Krücken mußt du gehn!"

      Made in Britain;)

      kurz - all that Poo!

      (rechteckig - versteht sich;)

  • Schöner Artikel. Frage mich seit langem, was genau noch auf der Insel produziert wird. Bentley, Mini und co. sind keine englischen Unternehmen mehr. Die Industrie hat laut Wiki lediglich einen Anteil von 9.4% am BIP (Deutschland: 24.4%). Wenn nun auch noch aufgrund des Brexits die Finanzwelt aufs Festland abwandern sollte, sieht die Zukunft für die britische Wirtschaft nicht gut aus.