piwik no script img

Kreuzfahrtschiffe bleiben Dreckschleudern

URLAUB Umwelt-Ranking des Naturschutzbundes wird künftig vom Reedereiverband torpediert

Die Bevölkerung in den Hafenstädten leidet unter Ruß und Schwefel

HAMBURG taz | „Die Kreuzfahrtbranche glänzt vor allem durch Grünwäsche“, beklagt die Umweltorganisation Nabu. Nach einigen Fortschritten in den vergangenen Jahren schneide die Branche fast wieder so schlecht ab wie beim ersten Kreuzfahrt-Ranking im Jahr 2012, sagte Dietmar Oeliger, Leiter der Verkehrspolitik beim Nabu-Bundesverband gestern in Hamburg. Unter den getesteten Traumschiffen sind „viele, die schlecht abschneiden, und nur wenige Schiffe, die schon Abgasreiniger eingebaut haben“.

Allerdings hat der Nabu die Messlatte auch höher gelegt. Gesetzliche Regelungen zwingen die Reedereien mittlerweile, ihre Schiffe nachhaltiger zu betreiben. Als Umweltengagement, wie es in der Reklame der Reedereien heißt, will Oeliger das aber nicht gelten lassen. So werde zwar in der Nord- und Ostsee mit Marinediesel statt extrem rußigem Schweröl gefahren, oder Abgas werde teilweise an Bord gereinigt. Doch selbst dann, so Oeliger, sei der Schwefelausstoß pro Tonnenkilometer 100 Mal höher als bei Lastwagen. Hingegen würden gegen Ruß und ultrafeine Partikel an Bord von 80 Prozent der Flotte „nach wie vor keine effektiven Maßnahmen ergriffen“.

In der Bewertung schneiden Cruiseliner vergleichsweise gut ab, die auf dem deutschen Markt eingesetzt werden. Der Nabu führt dies auf das stärkere Interesse an Öko-Themen hierzulande zurück. Unter dem Blickwinkel Umwelt hält der Nabu einige Schiffe der deutschen Reedereien Aida, Hapag-Lloyd und TUI für „eingeschränkt empfehlenswert“. 45 der 50 untersuchten Traumschiffe seien dagegen Dreckschleudern. Besonders in Hafenstädten gefährde das die Gesundheit der Menschen.

Die Branche fühlt sich ungerecht behandelt. Alle gesetzlich vorgeschriebenen Standards würden eingehalten, heißt es bei der US-Reederei Carnival. Und der Weltverband der Kreuzfahrtindustrie verweist auf „substanzielle Anstrengungen“ seiner Mitglieder. Auf Details einzelner Schiffe und Reedereien wolle man aber zukünftig nicht mehr eingehen. Darauf basiert aber bislang das Nabu-Ranking. Oeliger warnt den Weltverband davor, es zu „torpedieren“.

Derweil boomt der Markt. Die Zahl der bestellten Schiffe hat sich in den vergangenen Jahren weltweit mehr als verdoppelt. Aktuell stehen in den Büchern der Werften rund 60 Schiffe. Fast ein Drittel der Aufträge entfallen auf zwei deutsche Werftengruppen.

Hermannus Pfeiffer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen