: Held und Bösewicht
Coup In der Saga um den Putsch treten zwei Protagonisten hervor
Die Verhaftungswelle innerhalb der türkischen Armee erinnert schon sehr an die an Stalin’schen Säuberungen in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Ständig flimmern Bilder von abgeführten Soldaten über die Fernsehbildschirme. Besonders prominent wird Akın Öztürk ins Bild gerückt. Der ehemalige Chef der Luftwaffe, darin ist sich die öffentliche Meinung nun einig, war der Kopf der Putschisten.
Ausgerechnet Öztürk, der bis 2015 die Luftwaffe anführte und nach seiner Pensionierung von Erdoğan persönlich gebeten wurde, Mitglied des höchsten Militärrates zu werden. In diesem Gremium wird über Aufstieg und Fall des gesamten Offizierskorps entschieden. Ausgerechnet dieser Mann soll nun der „Schurke“ sein. Im Fernsehen und in den Zeitungen wird er in abgerissener Zivilkleidung gezeigt, sein Gesicht geschwollen und die Arme von Prügeln gezeichnet.
Warum dieser immer loyale Offizier nun einen Putsch inszeniert haben soll, bleibt weiterhin unklar. Doch so wie es jetzt einen Schurken gibt, gibt es auch einen neuen Helden. Ümit Dündar, Chef der 1. Armee, die in Istanbul stationiert ist, soll der Retter Erdoğans sein. Nach den jetzt gestreuten Informationen soll Dündar Erdoğan ungefähr fünf Stunden vor Beginn des Putschversuches gewarnt haben. Erdoğan, der sich gerade in seinem Feriendomizil in der Ägäisstadt Marmaris befand, hatte damit die Möglichkeit, erst einmal sein Hotel zu verlassen und sich provisorisch in Sicherheit zu bringen. Danach soll Dündar ihm gesagt haben: „Kommen Sie nach Istanbul, ich garantiere für Ihre Sicherheit.“
Es waren Dündars Truppen, die die Putschisten am Flughafen vertrieben und die Bosporusbrücken räumten. Als später dann Soldaten in Erdoğans Hotel auftauchten, war dieser längst weit weg. Und Helden werden natürlich belohnt: Noch in der Putschnacht wurde Dündar zum provisorischen Generalstabschef befördert.
Jürgen Gottschlich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen